Ende vergangener Woche hat die „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL) in einer Pressemitteilung ihre Vorstellungen über Lohngerechtigkeit in Luxemburg offengelegt. Dabei geht es um nicht weniger als einen Generalangriff auf den gesetzlichen Mindestlohn.
Im Anschluss an die Ankündigung der Regierung, den gesetzlichen Mindestlohn wie üblich und fristgerecht zum 1. Januar 2021 an die allgemeine Lohnentwicklung der letzten Jahre anzupassen, forderte die Arbeitgeberorganisation die Regierung auf, diesen Schritt zu unterlassen.
Dass die UEL wie bei vergangenen Anpassungen des Mindestlohns in die Flügel schlägt und mit Panikmache den wirtschaftlichen Kompetitivitätsverlust und den Stellenabbau ankündigt, beunruhigt niemanden mehr. Diese Behauptungen waren stets falsch – im Gegenteil, sowohl Beschäftigung als auch der Umsatz der Betriebe wuchsen meistens nach Mindestlohnanpassungen weiter an.
Dass aber die UEL die Covid-19-Pandemie nutzt, um die am härtesten, sozial und wirtschaftlich betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in ihrer Lohnentwicklung zu schädigen, ist empörend, ein arbeitnehmerfeindlicher Affront ersten Grades. Diese Lohnanpassung steht den Mindestlohnverdienern zu, weil sie ja nichts Anderes ist, als die zeitversetzte Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns an die allgemeine Lohnentwicklung, die durchschnittlich bereits vor mindestens eineinhalb Jahren für die anderen Lohnschichten stattgefunden hat. Vor dem Ausbruch der COVID-Pandemie also! Diese Information hat die UEL in ihrer Pressemitteilung ausgelassen.
Ebenso wenig geht sie auf die außerordentlichen Hilfen, die die Regierung gleichzeitig mit der Mindestlohnerhöhung für die besonders von den Eindämmungsmaßnahmen getroffenen Sektoren vorsieht, ein. Ganz abgesehen, von der Verlängerung der Kurzarbeit, die ja eine wesentliche Entlastung dieser Sektoren darstellt. Dass die UEL dies verschweigt, ist zumindest unehrlich.
Die UEL schreckt ebenfalls nicht vor Fehlinformationen mit falschem Zahlenmaterial zurück: „Rien que sur les 2 dernières années, le SSM s’est envolé de plus de 7%! ». Wahr ist, dass vom 1. August 2018 bis zum 31. Dezember 2020 sich der gesetzliche Mindestlohn lediglich um 4,56% erhöht hat. Die 4,56% setzen sich folgendermaßen zusammen: periodische Anpassung in Höhe von 1,1%, strukturelle Erhöhung um 0,9% (2019) und Indextranche (2,5%) am 1. Januar 2020.
Um ihre Behauptung einer „cadence infernale“ der Mindestlohnentwicklung wirkungsvoll an den Mann zu bringen, versteigt sich die UEL in einen Vergleich mit dem Jahr 2000, um eine Erhöhung von 70% zu monieren. Hätte die UEL Wert auf einen zeitnäheren Vergleich gelegt und sich auf die letzten 10 Jahre beschränkt, wären von den 70% weniger „höllische“ 21,9% übriggeblieben (alle Indextranchen miteinbegriffen)! Darüber hinaus verschweigt die UEL, dass die oberen und insbesondere die obersten Lohnschichten höhere Entwicklungsprozente aufweisen als die durchschnittliche Lohnentwicklung.
Und zum wiederholten Male erniedrigt die UEL die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der unteren Lohnschichten mit der völlig haltlosen und elitären Behauptung, dass der gesetzliche Mindestlohn höher wäre als die Produktivität ihrer Arbeit. Nicht nur ist diese Aussage wissenschaftlich mehr als fragwürdig, gerade dieses Jahr hat sich auch im Rahmen der sanitären Krise erwiesen, dass gerade auch die Arbeit der Beschäftigten in den Niedriglohnsektoren für unsere Gesellschaft unerlässlich ist und unsere Wirtschaft ohne sie nicht funktionieren würde.
OGBL und LCGB rufen die Regierung dazu auf, dem skandalösen Angriff der UEL auf die Löhne der Mindestlohnverdiener eine politische Abfuhr zu erteilen. Die Entscheidung, den gesetzlichen Mindestlohn fristgerecht ab dem 1. Januar 2021 um 2,8% anzupassen, darf unter keinen Umständen in Frage gestellt werden.
Eine offensive Politik gegen das weitere Anwachsen der Lohnscheren, der sozialen Ungleichheiten, des Armutsrisikos und gegen das Phänomen der „working poor“ muss zur politischen Leitlinie der Regierung werden.
Die Covid-19-Pandemie darf nicht auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung ausgetragen werden. Ihre Kaufkraft muss intakt und integraler Bestandteil des „Neistart Lëtzebuerg“ bleiben. In diesem Zusammenhang stellten LCGB und OGBL klar, dass sie die finanzielle Unterstützung der Betriebe begrüßt haben und dies auch weiterhin tun. Allerdings unter der Bedingung, dass die finanziellen Hilfen an die Arbeitgeberseite an die Verpflichtung zur sozialen Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gebunden sind, insbesondere an Beschäftigungsgarantien. Und dies schließt Angriffe wie den der UEL auf den gesetzlichen Mindestlohn aus.
Wenngleich zum jetzigen Zeitpunkt nicht gewusst ist, wie lange die Covid-19-Pandemie unsere Gesellschaft noch belasten wird, sollte eines nicht vergessen werden: Sie ist so oder so zeitlich begrenzt und wird am besten überwunden werden mit sozialem Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Der Arbeitgeberseite muss jetzt verdeutlicht werden, dass diese Krise nicht auf die arbeitenden Menschen und auf ihre Familien abgewälzt wird.
Mitgeteilt von OGBL und LCGB am 25. November 2020
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