9. Oktober 1973 — Die Luxemburger Arbeiterklasse zeigt, dass mit ihr noch zu rechnen ist

Vor genau 50 Jahren, am 9. Oktober 1973, fand in Luxemburg ein großer Aktions- und Streiktag statt, der zu den größten gewerkschaftlichen Demonstrationen der Nachkriegszeit zählt. Dank dieser Massenmobilisierung gelang es der Arbeitergewerkschaft LAV — aus dem der OGBL hervorgegangen ist und das den Aktionstag initiiert hatte – seine Ideen auf die politische Agenda zu setzen und prägte sogar den Wahlkampf 1974, der zur ersten Regierung ohne CSV-Beteiligung seit 1926 führte.

Auf seinem Kongress im Mai 1973 beschloss der LAV, im Herbst eine große Demonstration mit gleichzeitiger Arbeitsniederlegung zu organisieren, um Druck in Hinblick auf die Umsetzung des gerade verabschiedeten Forderungsprogramm auszuüben. Er schlug auch den anderen Gewerkschaften vor, sich dieser Aktion anzuschließen, aber die FEP und der LCGB lehnten dies ab. Letztlich organisierte der LAV die Demonstration und den Streik weitgehend alleine; die LVOV und die FLTL riefen zwar zur Teilnahme an der Kundgebung auf, verzichteten aber auf einen Streik, während sich die Führungen der FNCTTFEL und der CGFP auf Solidaritätserklärungen beschränkten.

Der Termin der Aktion wurde auf den 9. Oktober 1973, den Beginn der Parlamentssession 1973-1974, festgelegt.

Ein 14-Punkte-Forderungskatalog, der die wichtigsten Vorschläge des LAV zusammenfasst, wurde breit verteilt. Zu seinen Hauptpunkten gehörten die Mitbestimmung am Arbeitsplatz, eine fortschrittliche Reform der Krankenversicherung, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, der Kampf gegen die Spekulation mit Bauland, Steuererleichterungen für Zusatzlöhne, Negativsteuern für Niedriglöhne sowie die Einführung bzw. Verallgemeinerung von Nulltarifen im öffentlichen Nahverkehr für Arbeiter und Schüler.

Trotz Drohungen des Staatsministers Pierre Werner und verschiedener Arbeitgeber, dass der Streik am 9. Oktober illegal sei, war die Kampagne erfolgreich und die Beteiligung übertraf die Erwartungen der Organisatoren.

Der Aufruf zum Streik wurde in den meisten Industrie-, Handwerks- und Baubetreiben sowie in verschiedenen öffentlichen Betrieben befolgt. Zwischen 25.000 und 40.000 Menschen nahmen an der zentralen Demonstration teil, die vom Bahnhof der Hauptstadt zum Knuedler führte.

Der Aktionstag konnte als voller Erfolg, ja sogar als politisches Erdbeben gewertet werden. Es war nicht nur die erste große Streikaktion seit 1958, sondern auch die größte Gewerkschaftsdemonstration der Nachkriegszeit. Dank seiner Massenmobilisierung gelang es dem LAV, seine Ideen auf die politische Agenda zu setzen und dem Wahlkampf 1974 seinen Stempel aufzudrücken, der zur ersten Regierung ohne CSV-Beteiligung seit 1926 führte.

Ein Jahr nach der Demonstration konnte der LAV behaupten, dass mehrere Forderungen der Demonstration vom 9. Oktober bereits vollständig oder zumindest teilweise umgesetzt wurden:

  • die Einführung von gemischten Betriebsräten („comités mixtes“) und die Präsenz von Arbeitnehmervertretern in den Verwaltungsräten von Großunternehmen;
  • die Reform der Krankenkassen (Harmonisierung der Leistungen der verschiedenen Krankenkassen, verstärkte staatliche Beteiligung an der Finanzierung, Gleichstellung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag)
  • Anpassung der Unfallrenten;
  • Reform der Gewerbeinspektion;
  • die Verallgemeinerung des Nulltarifs für die Schülerbeförderung und Ermäßigungen für ältere Menschen;
  • die Erhöhung der Steuerfreibeträge auf Lohnzusätze.

Ab 1. Januar 1975 wurde auch die 40-Stunden-Woche verallgemeinert und die 5. Urlaubswoche (25 Tage) eingeführt. Mit der Initiative zu einer Großdemonstration am 9. Oktober 1973 hat der LAV als einen großen Schritt zur Stärkung des luxemburgischen Sozialstaates getan.

Veröffentlicht vom OGBL, am 9. Oktober 2023