In seinen Schlussfolgerungen vom 7. Februar 2013, hielt Generalanwalt Mengozzi fest, dass
a) Studienbeihilfen für unterhaltsberechtigte Kinder von Grenzgängern einen sozialen Vorteil darstellen, und dass sie dem Prinzip der Nichtdiskriminierung, welches in der EU-Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verankert ist, unterliegen, und;
b) die Residenzpflicht sich ihrer Natur nach hauptsächlich zum Nachteil der Wanderarbeitnehmer und der Grenzgänger, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, auswirkt – soweit sie Studenten die Kinder von Grenzgängern sind, auferlegt wird – und so eine grundsätzlich verbotene mittelbare Diskriminierung darstellt, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt und angemessen ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen.
Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Residenzpflicht ist der Generalanwalt der Auffassung, dass es Sache des nationalen Verwaltungsgerichts (Tribunal administratif) ist, auf der einen Seite zu überprüfen, ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Empfänger der Studienbeihilfen nach Abschluss des Studiums dazu bereit sind, nach Luxemburg zurückzukehren und sich in das soziale und wirtschaftliche Leben zu integrieren. Auf der anderen Seite muss das Gericht auch prüfen, ob die weitere Transformation der luxemburgischen Wirtschaft hin zu einer wissensbasierten Wirtschaft – und damit im weitesten Sinne einer Dienstleistungsgesellschaft –tatsächlich durch öffentliche Maßnahmen zur Entwicklung konkreter neuer Beschäftigungsmöglichkeiten flankiert wird.
Nach Ansicht des Generalanwalts stellt das seitens der luxemburgischen Regierung als Argument angeführte Haushaltsziel, zu sagen, dass die Ausweitung der Studienbeihilfen auf unterhaltsberechtigte Kinder von Grenzgängern eine unzumutbare Belastung für den Haushalt darstellen würde, nicht an sich einen legitimen Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung dar. Es sollte vielmehr darüber hinaus sichergestellt werden, dass das mit der Reform verfolgte wirtschaftliche Ziel –der Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft (Zweck der diskriminierenden Praxis) – nicht nur ernst genommen, sondern auch tatsächlich verfolgt wird.
Der Generalanwalt hat daher in keiner Weise die diskriminierende Praxis der Regierung bestätigt. Er schlägt vielmehr vor, dass der Gerichtshof das Verwaltungsgericht auffordern soll, auf der Grundlage seiner Schlussfolgerungen zu prüfen, ob die umstrittene Residenzpflicht angemessen ist und nicht über das hinaus geht, was zum Erreichen des verfolgten Ziels notwendig ist.
Das Problem der Umqualifizierung der Familienzulagen (abgeschafft für Studierende im Hochschulbereich und wieder eingeführt, aber nur für die Einwohner Luxemburgs in Form von finanziellen Beihilfen) welches Bestandteil des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist, wurde nicht durch den Generalstaatsanwalt angesprochen. Diese Entscheidung obliegt dem Verwaltungsgericht, so dass diese Auseinandersetzung noch nicht beendet ist.
Die Schlussfolgerungen des Generalanwalts sind für den nicht Gerichtshof nicht bindend. Dieser wird sein Urteil zu einem späteren Zeitpunkt fällen.
Mitgeteilt vom OGBL m 8. Februar 2013
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