Offener Brief: Promotionskriterien beim Staat diskriminieren Frauen und Eltern

Sehr geehrter Herr Minister Hansen,

Hiermit möchten wir Sie auf eine äußerst diskriminierende Gesetzeslage hinweisen, die vor allem Frauen aber auch junge Väter betrifft.

Wer als AngestellteR oder BeamtIn für den Luxemburger Staat arbeitet und sich dafür entscheidet, Kinder in die Welt zu setzen und/oder Eltern- oder Teilzeit zu nehmen, wird in Bezug auf die Promotionskriterien und Lohnentwicklung benachteiligt und diskriminiert.

So ist der Aufstieg vom „Niveau général“ in das „Niveau supérieur“ in quasi sämtlichen neuen Laufbahnen beim Staat an die Bedingung geknüpft, nach 12 Dienstjahren 72 Stunden Weiterbildung absolviert zu haben, während die Beförderung in den letztmöglichen Dienstgrad an das Absolvieren von 180 Stunden Weiterbildung geknüpft ist. Hierbei wird nicht unterschieden, ob innerhalb dieser 12 Jahre ein oder mehrere Mutterschaftsurlaube genommen wurden oder ob ein Elternteil Eltern- oder Teilzeit beansprucht hat, um sich um Kinder zu kümmern. Aber auch die älteren Laufbahnen beim Staat enthalten ab einem gewissen Dienstalter Promotionskriterien, die an das Absolvieren von mittlerweile 180 Stunden Weiterbildung geknüpft sind – unabhängig davon, ob die Angestellten oder Beamten beruflich wegen Mutterschaftsurlaub für einige Zeit ausfielen oder aufgrund von Kinderbetreuung Teilzeit arbeiteten.

Diese Diskriminierung findet gleich auf mehreren Ebenen statt:

  • Frauen, die aufgrund eines Mutterschaftsurlaubs z.B. knapp 5 Monate rechtlich gesehen gar keine Weiterbildung absolvieren durften, haben aufgrund ihrer Gebärfähigkeit weniger Zeit, um das Soll von 72 bzw. 180 Stunden Weiterbildung zu erfüllen und befördert zu werden. Generell gilt: Je mehr Kinder eine Frau in die Welt setzt, desto weniger Chancen hat sie, die 72 bzw. 180 Stunden Weiterbildung und damit ihre Beförderung innerhalb der hierfür vorgesehenen Zeit zu erreichen.
  • Frauen und Männer, die Eltern- oder Teilzeit in Anspruch nehmen, um sich um ihre Kinder zu kümmern, werden auf gleiche Art und Weise diskriminiert, da auch sie weniger Chancen haben, die 72 bzw. 180 Stunden Weiterbildung innerhalb der hierfür vorgesehenen Zeit zu erreichen.
  • Im Fall eines Wechsels des Arbeitsplatzes beim Staat- oder im Fall eines gewünschten Schulwechsels einer Lehrkraft – werden Angestellte und Beamte in Teilzeit benachteiligt. Diese Diskriminierung trifft wiederum vor allem Frauen, aber auch Männer.

Statistisch gesehen werden zurzeit vermehrt Frauen durch diese Gesetzeslage diskriminiert, denn vor allem sie arbeiten im Vergleich zu Männern deutlich mehr in Teilzeit: Aktuell arbeiten etwa 32 % der Frauen und 5 % Männer in Teilzeit. Diese Gesetzeslage trägt aber auch dazu bei, junge Väter davon abzuhalten, Elternzeit zu nehmen oder Teilzeit zu arbeiten. Um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, müssen wir vor allem auch an den Arbeitsbedingungen für Eltern arbeiten. Kinder zu kriegen, darf nicht mehr mit einem Karriereknick einhergehen. Deswegen brauchen wir gesetzliche und gesellschaftliche Veränderungen.

Wir fordern:

  • Ein Proratisieren der Anzahl der Weiterbildungsstunden im Falle eines Mutterschaftsurlaubs sowie im Fall von Elternzeit und an Kindererziehung gebundene Teilzeit.
  • Ein generelles Umdenken in der Arbeitswelt in Bezug auf Führungsposten, damit junge Eltern aufgrund von Eltern- oder Teilzeit nicht von Führungspositionen ausgeschlossen werden. Es sollte zum Beispiel möglich sein, sich Führungspositionen zu teilen, wie es z.B. in vielen dänischen Unternehmen möglich ist.

Es bleibt nach wie vor viel zu tun, um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen: Gehen wir es an! In diesem Sinn möchten wir Sie um einen baldigen Termin für eine Unterredung zu diesem Thema bitten.

Hochachtungsvoll,

Jules Barthel, Vize-Präsident des SEW/OGBL (Département Secondaire)
Frédéric Krier, Verantwortlicher der Abteilung Öffentlicher Dienst des OGBL
Christian Sikorski, Zentralsekretär des Syndikats Öffentlicher Dienst OGBL/Landesverband
Milena Steinmetzer, Beigeordnete Zentralsekretärin des Syndikats Öffentlicher Dienst OGBL/Landesverband

Luxemburg, den 2. März 2022