Die Regierung muss das Gesetzesvorhaben über die Renten überarbeiten. Tut sie es nicht, stellt sie sich ein weiteres Mal, wie beim Indexklau im Januar 2012, gegen die Interessen des Salariats, das als vereinte Gewerkschaftsbewegung Luxemburgs, d.h. minus LCGB, auf der Place Clairefontaine seine Ablehnung und seinen Widerstand eindrucksvoll ausgedrückt hat.
Der Leistungsabbau wird jeden treffen, vor allem aber die Jugend, welche die konservative Politik an teure, leistungsschwächere und sozial ungerechtere private Versicherungen ausliefern will. Dieser Weg der Demontage der öffentlichen Sozialversicherung soll scheibchenweise fortgesetzt werden. Die Patronatsorganisation UEL fordert ja bereits jetzt die kommende Regierung ab 2014 dazu auf. Noch haben die Regierungsparteien Zeit sich eines Besseren zu besinnen. Sozialer Fortschritt oder sozialer Rückschritt … eine andere Frage stellt sich nicht !
Es wird sich in diesen Wochen ebenfalls zeigen, wie die Regierung zu den in Luxemburg gepflogenen Regeln der tarifpolitischen Beziehungen und wie sie zur Mitbestimmung in den Betrieben steht. Das Gesetzesvorhaben über die Mitbestimmung muss jetzt – und jetzt heißt jetzt – auf den Instanzenweg gebracht werden.
Die Begriffe Sozialpartnerschaft, sozialer Dialog und sozialer Friede haben 40 Jahre lang die Sozialgeschichte Luxemburgs geprägt. Sie umschreiben die Gestaltung der sozial- und tarifpolitischen Beziehungen, die während dieser langen Zeit sowohl von den jeweiligen Regierungen, als auch von den Patronatsverbänden und den Gewerkschaftsorganisationen aufgebaut, dann respektiert und kultiviert wurden.
Doch heute sind die Kaputtmacher am Werk.
Ein erstes Beispiel. Cargolux und Qatar Airways stehen in Konkurrenz zueinander und „jeder schaut zuerst auf seinen eigenen Vorteil“ (1). Diese Aussage stammt von Richard Forson, dem aktuellen Interimsgeneraldirektor der Cargolux und (inoffizieller) Kandidat der Qatar Airways für den Generaldirektorposten der Cargolux. Er ist auch der Mann, der den Kollektivvertrag der Cargolux liquidieren will. Und dann gibt es noch das „Gerücht“ der Auslagerung von Betriebsteilen, u.a. des Wartungsbereichs der Cargolux mit seinen 450 hochqualifizierten Arbeitsplätzen.
Der OGBL hatte vor diesem schrittweisen Ausverkauf der Cargolux gewarnt und sich gegen den Einstieg der Qatar Airways in das Kapital der Cargolux ausgesprochen. Und er wiederholt diese Warnung angesichts der angekündigten Kapitalerhöhung. Die Cargolux ist für die luxemburgische Wirtschaft ein systemischer Betrieb, weil tausende Arbeitsplätze im Flughafenbereich, bei der Luxair und im Transport von seiner intakten Aktivität abhängen. Ohne ihn wird das Projekt eines Logistikzentrums nicht überleben. Dieser Betrieb darf nicht in parasitäre Hände fallen, die ihn ausbluten lassen und wertvolle einheimische Arbeitsplätze vernichten werden. Die Regierung steht in der Verantwortung. Sie muss sicherstellen, dass der luxemburgische Kapitalanteil nicht herabgesetzt, sondern heraufgesetzt wird. Und sie muss auch für die richtigen Entscheidungen an der Personalspitze der Luftfrachtgesellschaft sorgen.
Ein zweites Beispiel. Die Industriellenföderation Fedil, die seit Wochen unter Erklärungszwang steht. ArcelorMittal, Hyosung und Luxguard tun nämlich was sie wollen, sie profitieren ungebremst von der neoliberalen Politik der wirtschaftlichen Deregulierung, von jener Politik also, die die Fedil kritiklos in den Himmel lobt.
Obwohl das europäische Amt für Statistik Eurostat 2008 (2) beim Vergleich der industriellen Stundenlöhne festgestellt hat, dass die Industrielöhne in Frankreich 13,8%, in Deutschland 18% und in Belgien 29,7% höher sind als … der luxemburgische Stundenlohn in der Industrie, behauptet die Fedil, dass die Lohnkosten in Luxemburg besonders im Industriebereich zu hoch seien.
Ebenso zeigt die Fedil volles Verständnis für das skandalöse Gebaren der Direktion des Glasunternehmens Luxguard II in Düdelingen, die unter Androhung der Arbeitsplatzvernichtung einen Lohnabbau von 20% erpressen will. Dass die Löhne in den Glasbetrieben nur 10% der Produktionskosten ausmachen, und deshalb die Investitionsentscheidung für oder gegen einen neuen Glashochofen bei Luxguard Düdelingen recht wenig mit der Lohnhöhe unserer Arbeitskollegen bei Luxguard zu tun hat, wird von der Fedil bewusst verschwiegen !
Diese Provokationen zerstören den sozialen Dialog mit dem OGBL und schüren den sozialen Konflikt. Wie soll auf diese Art und Weise in Luxemburg an einem gemeinsamen Strang für eine innovative Industrie- und Standortpolitik und für die Sicherung der Arbeitsplätze gezogen werden?
Und die Regierung ? Durch den Indexklau wurde dem Salariat 2012 völlig überflüssigerweise über 200 Millionen Euro an Kaufkraft entzogen. Ist das die Antwort auf die wirtschaftliche Krise? Glaubt wirklich jemand noch ernsthaft daran, dass mit Austerität, Sparen und Lohndumping das prioritäre Problem der europäischen Wirtschaft (und damit auch der luxemburgischen), nämlich das der stagnierenden und sogar sinkenden Nachfrage gelöst wird? Schafft man so Arbeitsplätze? Die Antwort ist Nein. Man vernichtet sie.
(1) Tageblatt, 22. September 2012, (2) Statec, Regards 2-2011
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