Leitartikel

Bei ihren haushaltspolitischen Entscheidungen muss die Regierung berücksichtigen, dass sich die soziale Situation vieler Arbeitnehmer verschlechtert hat

Anfang März wird die Regierung den definitiven Staatshaushalt für 2014 vorlegen. Das Jahr 2013 wird wohl mit einem gesamtstaatlich ausgeglichenen Haushalt abschließen. Die volkswirtschaftlichen Eckwerte für 2014 haben sich verbessert.

Diese positive Entwicklung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die wirtschaftliche Lage vieler Menschen verschlechtert hat.

Laut den Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung sind die Reallöhne in Luxemburg 2011 und 2012 um 1,7% gesunken. Diese negative Tendenz wird durch Berechnungen der Arbeitnehmerkammer bestätigt.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind zweifach. Einerseits haben die dauernden Indexverschiebungen zu Verlusten geführt, andrerseits sind die Lohnverhandlungen vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise schwieriger geworden.

Auch die steigende Anzahl von Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen, die meist schlechter bezahlt sind, hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Ende 2013 mussten sich 30% der Jugendlichen bis zu 24 Jahren mit derartigen Verträgen abfinden. In 2012 hatten insgesamt 7,6% der arbeitenden Bevölkerung einen befristeten Arbeitsvertrag. Die Tendenz ist seit Jahren steigend.

Hinzu kommt die Teilzeitarbeit, die zunehmend unfreiwillig ist.

Bedrohlich ist auch die hohe Verschuldung der Haushalte in Luxemburg, wenn man den Zahlen der Europäischen Kommission Glauben schenken kann, insbesondere was die Langzeitkredite betrifft.

Da die Schuldzinsen normalerweise variabel sind, kann eine Zinserhöhung verbunden mit der beschriebenen negativen Lohnentwicklung und einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko manche verschuldete Familie in arge Bedrängnis bringen.

Vor diesem Hintergrund wäre es ein verhängnisvoller sozial- und wirtschaftspolitischer Fehler, der Masse der schaffenden Bevölkerung weitere reale Einkommensverluste zuzumuten. Eine allgemeine Austeritätspolitik auf Kosten der Lohnentwicklung und der Sozialleistungen der Klein- und Mittelverdiener, wie sie die EU-Kommission von José Manuel Barroso und Viviane Reding propagiert und verordnen will, ist in der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Lage falsch und fatal für den sozialen Zusammenhalt, auch in einem Land wie Luxemburg.

Die geplante Mehrwertsteuererhöhung wird zu einer zusätzlichen Belastung des Netto- Haushaltshalteinkommens führen. Laut einer Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die im Auftrag der Arbeitnehmerkammer durchgeführt wurde, liegt die durchschnittliche Belastung zwischen 0,6 und 0,9%, wobei die relative Mehrbelastung mit steigendem Einkommen abnimmt. Im Klartext: Die Belastung für kleine und mittlere Einkommen ist relativ betrachtet höher als für Spitzenverdiener. Schon allein aus dieser Ursache heraus, muss die aus der geplanten Mehrwertsteuererhöhung resultierende Preiserhöhung integral im Preisindex erfasst werden und in der Indexanpassung der Löhne und Pensionen berücksichtigt werden. Zusätzliche steuerliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommensbezieher sind notwendig.

Jean-Claude Reding
Präsident des OGBL