Seit jeher kritisiert der OGBL die alljährlichen „Empfehlungen“ der Brüsseler Kommission für Luxemburg, die sich nicht durch eine sachliche Analyse der Luxemburger Situation, sondern vielmehr durch ihre gebetsmühlenartigen Angriffe auf die Interessen des Salariats auszeichnen. Nach der Lektüre der diesjährigen Fassung drängt sich eine ganz andere Frage auf: soll man sie überhaupt noch ernst nehmen?
Welch andere Schlussfolgerung bietet sich in der Tat noch an, wenn die Brüsseler Kommission munter ihre Forderung nach einer weiteren Verschlechterung unseres öffentlich-solidarischen Rentensystems wiederholt, während zum gleichen Zeitpunkt eine unter der Verantwortung des Brüsseler ECOFIN-Rats erstellte Studie feststellt, dass sich die „luxemburgische Rentenmauer“ auf einen Schlag um 20 Jahre (!) nach hinten verschoben hat? Dieselbe Studiengruppe, die 2012 (das war zum Zeitpunkt des gewerkschaftlichen Widerstands gegen die geplante Rentenform) die „Rentenmauer“ für das Jahr 2031 prognostizierte, hat jetzt in ihrer neuen Studie diese wieder abgerissen und in die ferne Zukunft des Jahres 2054 verlagert. Dabei hatte die Studie von 2012 bereits wie jene von 2015 die geplante Rentenform mitberücksichtigt. Und das Ganze jeweils ohne Beitragserhöhung! Der OGBL bleibt bei seiner Meinung. Diese Langzeitstatistiken gehören in den Mülleimer für propagandistische Glaskugelstudien und die Rentenreform 2012 war, ist und bleibt überflüssig und rückschrittlich. Angesichts der wundersamen Verschiebung der Rentenmauer täte die Brüsseler Kommission gut daran, ebenfalls ihre Angriffe gegen unser Rentensystem für 20 Jahre auszusetzen! Dieser Vorschlag richtet sich ebenfalls an das luxemburgische Patronat.
Der OGBL kritisiert ebenfalls die Behauptung der Brüsseler Kommission, dass die Kosten für die Langzeitpflege, sprich die Pflegeversicherung, die „Nachhaltigkeit“ der öffentlichen Finanzen in Frage stellen würden. Ungeachtet der Fehlerhaftigkeit der Brüsseler Analyse, versteckt sich hinter der „Empfehlung“ nach mehr „Kosteneffizienz“ bei der Pflegeversicherung die politische Absicht eines Abbaus bei Leistung und Qualität der Pflege.
Der OGBL wird in der Diskussion mit der Regierung über die Reform der Pflegeversicherung weder eine Verschlechterung bei der Leistung noch bei der Qualität der Pflege hinnehmen. Er erinnert in diesem Zusammenhang an sein Verhandlungsabkommen mit der Regierung vom 28. November 2014.
Die zweite von insgesamt nur drei „Empfehlungen“ der Brüsseler Kommission richtet sich gegen das luxemburgische System der Lohnfindung und der Lohnverhandlung, das jahrzehntelang den sozialen Frieden und die Attraktivität des luxemburgischen Wirtschaftsstandortes garantiert hat. Auch dies ist mittlerweile zur alljährlichen Tradition geworden, wenngleich diesmal unser Indexsystem nicht explizit erwähnt wird. Der OGBL begrüßt es, dass die Regierung der Brüsseler Kommission geantwortet hat, dass die gesetzlich vorgeschriebene automatische Anpassung der Löhne an die Preisentwicklung nicht zu „Fehlentwicklungen“ bei den Löhnen führt. Der OGBL geht in seiner Kritik noch einen Schritt weiter. Brüssel soll endlich damit aufhören, sich in die nationale politische Hoheit der gesetzlichen Lohnverhandlung und Lohnfindung einzumischen. Unabhängig von der Tatsache, dass die Analyse der luxemburgischen Löhne durch die Brüsseler Kommission schwere sachliche Defizite aufweist, scheint diese es immer noch nicht verstanden zu haben, dass es gerade das „luxemburgische“ Zusammenspiel von gesetzlichem Mindestlohn, Index und Kollektivvertragswesen ist, das eine an die Betriebe und Wirtschaftsbereiche angepasste Lohnfindung ermöglicht. Und täte die Brüsseler Kommission nicht besser daran, politisch für eine positive Lohnentwicklung in den Ländern Europas einzutreten, damit die Kaufkraft für den europäischen Binnenmarkt gestärkt wird? Nur über diesen Weg, gepaart mit einer Politik hoher öffentlicher Investitionen, wird Europa den Weg aus dem katastrophalen Investitionsdefizit hinausfinden! Der OGBL erneuert seine Forderung für die strukturelle Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns und für reale Lohnerhöhungen in Luxemburg.
Der OGBL hat im Rahmen der Diskussionen über die Ende 2015 auslaufende PAN-Arbeitszeitgesetzgebung nicht nur die gesetzliche Einführung der 6. Urlaubswoche gefordert, sondern ebenfalls eine wirksamere gesetzliche Regulierung flexibler Arbeitszeiten und eine bessere Definition der Überstunden. Darüber hinaus lehnt der OGBL eine gegen die Arbeitszeitinteressen des Salariats gerichtete weitere negative Flexibilisierung strikt ab. Es besteht akuter Handlungsbedarf in die andere Richtung. Die hohe Arbeitsintensität, die Höhe der effektiv geleisteten Arbeitsstunden im Jahr und die neuen Anforderungen und organisatorischen Bedürfnisse, die sich für Frau und Mann, die beide im Arbeitsprozess stehen, stellen, drängen auf die gesetzgeberische Kehrtwende und auf die Aufwertung des Kollektivvertragswesens bei Arbeitszeitfragen.
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