Delegationsgesetz: Ein erster Schritt in Richtung mehr Mitbestimmung in den Betrieben

escalier_vide_vignetteAm 2. Juli 2015, ist nach zahlreichen Verzögerungen die Gesetzesvorlage zum Sozialdialog in den Betrieben endlich zur Abstimmung gekommen. Der OGBL begrüßt dies, denn eine Modernisierung der Gesetzgebung über die Personaldelegationen war mehr als überfällig. Das Gesetz stammte noch aus dem Jahr 1979 und orientierte sich am damaligen, von den industriellen Produktionsbetrieben dominierten Wirtschaftsmodell. Es trug den großen Veränderungen, die seitdem in der Wirtschaftswelt und im Arbeitsleben stattfanden, nicht genügend Rechnung. Der OGBL hat dementsprechend bereits seit den 1990er-Jahren eine Reform des Gesetzes gefordert, die den heutigen Realitäten entspricht und die Möglichkeiten der Personaldelegierten für eine verbesserte und effizientere Interessenvertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben ausbaut.

Leider hat sich der gesetzgeberische Prozess immer wieder verzögert. Bereits 1999 figurierte nämlich eine Reform des Delegationsgesetzes im Regierungsprogramm. Erst 16 Jahre später wird dies nun in die Tat umgesetzt. Eine erste Vorlage des damaligen Arbeitsministers Biltgen stieß 2004 auf allgemeine Ablehnung und verschwand wieder in der Schublade. 2010 scheiterte eine gemeinsame Stellungnahme im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats an der Fundamentalopposition der Patronatsvertreter einerseits und an der Verteidigung von Eigeninteressen des LCGB andererseits. Auch der nun vorliegende Text brauchte erneut drei Jahre, bis er endlich zur Abstimmung stand.

Für den OGBL enthält das neue Gesetz eine Reihe von Verbesserungen gegenüber der alten Gesetzgebung: unter anderem werden die Informations- und Konsultierungsrechte der Delegationen gestärkt; die Delegierten erhalten das garantierte Recht, sich frei im Betrieb zu bewegen und auch elektronische Mittel des Betriebes zu benutzen, um die Arbeitnehmer zu kontaktieren; der Schutz vor Entlassung wird verbessert; die Delegationen in Betrieben mit mindestens 51 Arbeitnehmern können auf gewerkschaftliche Berater zurückgreifen (zzt: 150); die Möglichkeit Delegierte freizustellen, ist bereits ab 250 Arbeitnehmer vorgesehen (zzt: 500). Auch die Abschaffung des „Comité mixte“ ist nicht als sozialer Rückschritt zu betrachten. Im Gegenteil: die Mitbestimmungsrechte der gemischten Betriebsräte, die bislang ausschließlich in Industrie-, Handwerks- und Handelsbetrieben („Entreprises industrielles, artisanales et commerciales“) vorgesehen waren, werden nun auf sämtliche Delegationen in Betrieben mit über 150 Arbeitnehmern, ungeachtet ihrer Rechtsform und ihres Tätigkeitsbereiches, ausgeweitet. Das heißt, es werden in vielen Betrieben paritätische Mitbestimmungsrechte eingeführt, in denen sie bislang noch nicht existierten, etwa im gesamten öffentlichen und konventionierten Sektor.

Nichtsdestotrotz ist es grober Unfug zu behaupten, wie dies der Präsident des christlichen Gewerkschaftsbundes tut, es handle sich um ein auf den OGBL maßgeschneidertes Gesetz. Es ist keineswegs so, dass alle Forderungen des OGBL in der Gesetzesvorlage berücksichtigt wurden. So ist der OGBL beispielsweise der Meinung, dass die vorgeschlagene Regelung auf Ebene der sogenannten „entité économique et sociale“ (Einheit mehrerer rechtlich unabhängiger Gesellschaften, die aber de facto eine einheitliche Betriebsgruppe darstellen) ungenügend ist und die Einrichtung wirklicher Personaldelegationen auf dieser Ebene vorgesehen werden muss. Auch ist keinerlei Verbesserung bei der Vertretung der Arbeitnehmer in den Verwaltungsräten vorgesehen. Die Forderungen des OGBL nach neuen Mitbestimmungsrechten zusätzlich zu den heutigen, etwa im Bereich der beruflichen Weiterbildung oder der antizipativen Arbeitsplatzsicherung wurden nicht zurückbehalten. Der OGBL erinnert in diesem Zusammenhang an seine Forderungen im Rahmen der laufenden Diskussionen bezüglich einer stärkeren Rolle der Personaldelegation bei Plänen zum Beschäftigungserhalt („plan de maintien dans l’emploi“), bei Sozialplänen und Entlassungen aus ökonomischen Gründen, aber auch auf Ebene der Arbeitszeitorganisation.

Es bleibt also noch Spielraum für Verbesserungen. Für den OGBL muss die gesetzgeberische Arbeit auch nach Annahme des vorliegenden Entwurfs in Richtung einer Stärkung der Mitbestimmung fortgesetzt werden.

Der LCGB hingegen lehnte den zur Abstimmung stehenden Text in Bausch und Bogen ab, angeblich weil er gegen die „Demokratie“ in den Betrieben verstoße. Dabei ist das Gegenteil der Fall! Der Gesetzesentwurf stärkt die Mehrheiten, die aus der Abstimmung aller Arbeitnehmer im Betrieb hervorgehen. Dies ermöglicht eine effizientere Arbeit der Delegationen und stärkt ihre Position gegenüber der Betriebsleitung.

Der LCGB geht sogar so weit, den freigestellten Delegierten in Betrieben zwischen 250 und 500 Arbeitnehmern in Frage zu stellen und die obligatorische Aufteilung der Stundenkredite zwischen den Fraktionen zu fordern. Dies würde in der Praxis dazu führen, dass es in diesen Betrieben auch weiterhin keinen freigestellten Delegierten geben würde und real zu einem Verlust an Freistunden für die Delegationsarbeit und einer Schwächung der Delegation insgesamt führen würde.

Der LCGB agitiert auf populistische Art und Weise gegen ein Gesetz, das deutliche Verbesserungen für die Personaldelegierten mit sich bringt. Er setzt eine Stärkung der Mitbestimmung aufs Spiel, bloß um seine Eigeninteressen zu verteidigen. Für den OGBL sind solche Stellungnahmen überflüssig. Sie schaden der Gewerkschaftsbewegung insgesamt. Der OGBL ruft den LCGB dazu auf, die Mehrheitsverhältnisse in den Betrieben zu respektieren und seine Politik der Spaltung und der Schwächung der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen aufzugeben.


Mitgeteilt vom OGBL
am 2. Juli 2015