Sitzung des OGBL-Nationalvorstandes : Europa wird sozial sein oder nicht sein!

Der OGBL-Nationalvorstand hat sich am 27. September in der Maison syndicale in Düdelingen getroffen. Auf der Tagesordnung waren u.a. eine Analyse der politischen, sozialen und finanziellen Situation, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Dazu kam noch eine Analyse der vorliegenden Gesetzesentwürfe, die Organisation der Kundgebung vom 8. Oktober gegen die Projekte zu den Abkommen CETA und TTIP, die Vollendung der Vorbereitungen im Hinblick auf die akademische Sitzung, die am 19. Oktober im Rahmen des 100. Jubiläums der freien Gewerkschaften in Luxemburg stattfinden wird, und schließlich eine Analyse der Situation in den Betrieben.

Europa ist krank

Der OGBL Nationalvorstand hat sich zuerst mit der Lage in der Europäischen Union befasst. Eine Situation die immer besorgniserregender wird. Die fehlerhafte Politik der Marktliberalisierung der letzten Jahre, die auf Kosten der sozialen Marktwirtschaft und der Sozialstaaten in Europa durchgeführt wurde, – die der OGBL unaufhörlich bekämpft hat – war, wie sie es beweist, zum Scheitern verurteilt. Diese Politik hat nicht nur eine Wirtschaftskrise ausgelöst, sie hat im Nachhinein eine Sozialkrise ausgelöst und ist gerade dabei eine politische Krise in Europa auszulösen: Brexit, Volksbefragung in Ungarn, Aufschwung des Populismus und des Rechtsextremismus überall in Europa.

Die aktuelle Stimmung ist geprägt durch Unsicherheit, soziale Ängste und Abstiegsängste. Dies nährt den Aufschwung der rechtsextremen Bewegungen und Parteien, die ein wahres Gift für den sozialen Fortschritt und für die Demokratie darstellen.

Und wenn noch dazu kommt, dass Vertreter der politischen Führungskräfte sich nicht beispielhaft benehmen wie z.B. Neelie Kroes, die frühere Europakommissarin in Sachen Konkurrenz, die eine Offshore-Firma besaß, als sie im Amt war, oder wenn ein Land wie Irland es ablehnt, dass ein multinationales Unternehmen wie Apple, das bisher nur 0,005% Steuern bezahlte, ihm 13 Milliarden Euro als Entschädigung überweist, wozu die Europäische Kommission es verurteilt hat: dann kann man dazu nur noch sagen, dass Europa krank ist, und dass das vorherrschende politische und wirtschaftliche Modell am Scheitern ist.

Die richtigen politischen Entscheidungen treffen

Die Europäische Kommission führt zurzeit breite Konsultationen im Hinblick auf einen sogenannten europäischen Sockel für Sozialrechte. Der Zeitpunkt ist gekommen, den Entschluss zu fassen, welche Richtung die Europäische Union einschlagen will: die der Weiterführung der bisher gescheiterten Politik, verbunden mit dem Risiko der Verschlechterung der aktuellen Situation oder endlich die, die den Weg eines sozialen Europas einschlägt, das sich für das Wohlhaben der Bürger einsetzt und in dem die Arbeit nach Wert bezahlt wird. Was zurzeit vorliegt ist jedenfalls weitgehend ungenügend und wirft zahlreiche Fragen auf.

Diesbezüglich sendet der OGBL einen Aufruf an alle politischen Parteien, ganz besonders an die, die behaupten im Interesse der Arbeitnehmer zu handeln, damit sie sich seine Forderungen zu Eigen machen:

  • Dem geplanten Sockel europäischer Sozialrechte einen verbindlichen Rahmen geben
  • Endlich den sozialen Rechten Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Rechten geben, gleichbedeutend mit einem Bruch mit der Deregulierungs- und Liberalisierungslogik
  • Endlich eine Logik der sozialen Konvergenz nach oben einführen
  • Einen europäischen sozialen Mindestlohn einführen
  • Die Rechte der Gewerkschaften stärken
  • Die Kollektivverträge im Rahmen des Sozialdialogs fördern
  • Auf europäischer Ebene endlich damit aufhören, ständig auf dem System der Lohnentwicklung herumzuhacken
  • Mit sämtlichen Versuchen aufhören, die Sozialversicherung sowie die Sozialleistungen zu demontieren

Darüber hinaus fordert der OGBL im wirtschaftlichen Bereich:

  • die Stärkung der Binnennachfrage, was einerseits eine notwendige Erweiterung des Haushaltspielraums für die Länder erforderlich macht – das ist zurzeit im Rahmen der restriktiven Politik die vom europäischen Semester aufgezwungen wird unmöglich – andererseits die Stärkung der Kaufkraft der Haushalte über eine berechtigte Lohnaufwertung, da die Löhne sich in den vergangenen Jahren nicht so schnell weiterentwickelt haben wie die Produktivität.
  • dass die Politik Gesetze erlässt, die gegen die Unsicherheit der Arbeit und die atypischen Arbeitsbedingungen vorgeht: der unbefristete Arbeitsvertrag muss wieder zur Regel werden.

Die Kampagne „E Sozialpak fir Lëtzebuerg“ geht weiter und wird ergänzt

Anschließend hat sich der OGBL-Nationalvorstand näher mit der Situation in Luxemburg befasst. Die Wirtschaft wächst weiter, die Zahl der Arbeitsplätze hat im 2. Trimester um 3% zugenommen und der Finanzminister hat gerade einen Überschuss von 800 Millionen Euro in den Staatskassen angekündigt, im Vergleich zu den Haushaltsvorhersagen (+1,5% Wachstum mehr als vorgesehen): diese Zahlen bestärken die Analyse und die Position des OGBL bezüglich der Abstimmung über den Haushalt, ebenso wie seinen Widerstand gegen den sogenannten „Zukunftspak“ der Regierung. Luxemburg weist in der Tat hervorragende öffentliche Finanzen vor.

In diesem Zusammenhang hat der OGBL nicht nur beschlossen seine Kampagne „E Sozialpak fir Lëtzebuerg – Fir besser Aarbecht an e bessert Akommes“ weiterzuführen, sondern sie noch zu ergänzen. Deshalb fordert der OGBL zuerst eine offensive Lohnentwicklung in Luxemburg, die sich durch positive Abkommen in den Arbeitskollektivverträgen wiederspiegeln muss (laut Eurostat befindet sich Luxemburg an vorletzter Stelle bei der Lohnkostenentwicklung, und das trotz des Lohnindexsystems).
Zum Zweiten ist der OGBL der Meinung, dass der Kaufkraftverlust der sich seit drei Jahren angesammelt hat, weil der Index nicht zum Tragen kam (dies durch eine zu schwache Inflation, die sich jedoch über eine so lange Zeit spürbar gemacht hat) kompensiert werden muss. In diesem Zusammenhang fordert der OGBL:

  • Die Überweisung einer einmaligen Prämie von 1% an die Rentner
  • Die strukturelle Aufwertung des sozialen Mindestlohns

Im Rahmen der Kampagne „E Sozialpak fir Lëtzebuerg“, die 2015 vom OGBL in die Wege geleitet wurde, bleiben einige Bereiche auch noch offen. Angefangen mit dem Recht auf Teilrente kombiniert mit Teilzeitarbeit, eine Maßnahme, die vom OGBL gefordert wurde, und für die sich die Regierung im November 2014 gegenüber den Gewerkschaften engagiert hat. Es ist höchste Zeit, dass die Regierung diesen Punkt anpackt.

Ähnlich steht es um die OGBL-Forderungen bezüglich der Reform der Arbeitsmedizin, eines besseren Entlassungsgesetzes, einer Reform des Gesetzes zur Arbeitsplatzerhaltung, einer Reform des Gesetzes über die Sozialpläne und bezüglich der ganzen Diskussion über die Frührenten. Die Regierungsinitiativen bezüglich all dieser Themen lassen auf sich warten.

Eine Menge von laufenden Dossiers

Der OGBL-Nationalvorstand hat anschließend verschiedene Gesetzesprojekte durchgenommen, die der Abgeordnetenkammer zurzeit vorliegen. Was das Reformprojekt der Pflegeversicherung, so stellt der OGBL fest, dass immer noch sehr wichtige Verordnungsprojekte fehlen, die das Gesetzesprojekt vervollständigen sollten und die dem OGBL endlich ermöglichen würden, eine endgültige Gesamteinschätzung des Reformprojekts vorzunehmen.

Der OGBL wiederholt anschließend seine Kritik zum Steuerreformprojekt, insbesondere was die Herabsetzung der Unternehmenssteuern betrifft. Hierbei handelt es sich um eine total kontraproduktive Maßnahme für die Gesellschaft, sowohl in wirtschaftlicher, sozialer sowie politischer Hinsicht. Im Namen der Steuergerechtigkeit, hält der OGBL ebenfalls an seiner Forderung fest, einen Anpassungsmechanismus der Steuertabelle an die Inflation einzuführen, um zu verhindern, dass die niedrigen und die mittleren Löhne benachteiligt würden.

Der OGBL kann sich auch nicht mit dem Gesetz über den Sonderurlaub zufriedengeben. Nach Analyse stellt sich heraus, dass die eingetragenen Partnerschaften im Vergleich zu den Ehen benachteiligt werden, dass die Zahl der im Rahmen eines Umzugs zugestandenen Urlaubstage gekürzt wird, und vor allem, dass nicht von Einführung eines Sozialurlaubs die Rede ist, wie es der OGBL forderte.

Den ausgezeichneten Zustand der Reserven der CNS in Betracht gezogen, meint der OGBL, dass es nun endlich an der Zeit ist, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, insbesondere was die Zahnmedizin und Augenchirurgie betrifft.

Der OGBL-Nationalvorstand hat darüber hinaus darauf bestanden, den Minister für nachhaltige Entwicklungen und Infrastrukturen an sein Wahlversprechen zu erinnern, dass der öffentliche Transport gratis werden würde, indem er ihm vorschlug, in einer ersten Phase den öffentlichen Transport zum Nulltarif für ältere Menschen einzuführen.
Zum Abschluss bestand der OGBL darauf, die Ankündigung der Regierung zu begrüßen, die Sekundarschulbücher in Zukunft zum Nulltarif anzubieten. Ein Vorhaben, das der OGBL unterstützt, und im Rahmen dessen er sich bereiterklärt, sich mit der Regierung zu treffen.