Es ist kaum zu glauben, aber an diesem 16. Juli werden bereits 10 Jahre ohne John Castegnaro vergangen sein.
Der erste Präsident des OGBL, eine markante Figur der luxemburgischen Gewerkschaftsgeschichte, „Casteg“ bleibt eine lebendige Präsenz in der Erinnerung aller OGBL-Militanten. Er wurde kurz nach dem Ende der luxemburgischen Besatzung am 3. November 1944 in Differdingen in einer Arbeiterfamilie geboren, die von italienischen Einwanderern abstammte. John Castegnaro war noch keine sieben Jahre alt, als sein Vater bei einem Arbeitsunfall ums Leben kam. Seine Mutter musste sich daraufhin allein um den kleinen Johny, seinen Bruder Mario und seine Schwester Sonia kümmern.
Der junge Johny Castegnaro beginnt eine Lehre als Metallschlosser im Werk der Hadir in Differdingen. Im Alter von 19 Jahren wird er im Mai 1963 von der LAV, der damals stärksten Arbeitergewerkschaft, als beigeordneter Sekretär für die Region Zentrum eingestellt. Bereits im folgenden Jahr wurde er Zentralsekretär für diese Region.
1969 wurde ihm das Amt des Tarifsekretärs für die kleine und mittlere Industrie, das Baugewerbe und die öffentlichen Betriebe anvertraut. Anfang der 1970er Jahre hießen beide Tarifsekretäre Castegnaro, sein Bruder Mario war der zuständige Sekretär für die Stahlindustrie, den Bergbau und die metallverarbeitenden Betriebe.
Nachdem er nach und nach mehr Verantwortung innerhalb des Gewerkschaftsbundes übernommen hatte, wird John Castegnaro 1976 zum Generalsekretär des LAV gewählt, während Antoine Weiss den Vorsitz übernahm. Im selben Jahr wurde er auch Vorsitzender der luxemburgischen CGT, die damals der Dachverband der freien Gewerkschaften (LAV, FNCTTFEL, FLTL, FGIL usw.) war.
In seiner neuen Rolle war er der Initiator der ersten gemeinsamen Demonstration aller luxemburgischen Gewerkschaften am 18. Dezember 1976 im Zusammenhang mit der Krise der Stahlindustrie, die John Castegnaros gewerkschaftliche Karriere prägen sollte. Im Anschluss an diese Demonstration wurde die Nationale Kredit – und Investitionsgesellschaft (SNCI) und vor allem die Stahltripartite und später der Koordinationsausschuss der Tripartite als neues Modell für den institutionalisierten sozialen Dialog gegründet. Dank dieser neuen Gremien konnten die Krise in der Stahlindustrie und die anschließenden tiefgreifenden Veränderungen in der luxemburgischen Wirtschaft ohne sozialen Kahlschlag und ohne betriebsbedingte Kündigungen bewältigt werden.
1978 war John Castegnaro einer der Hauptinitiatoren bei der Gründung des OGBL, des unabhängigen Gewerkschaftsbunds Luxemburg, dessen Ziel es war, alle Arbeitnehmer in einer einzigen Gewerkschaft zu vereinen, unabhängig davon, ob sie Arbeiter, Privatangestellte, Staatsbeamte oder – angestellte waren.
Zwar gelingt es der neuen Gewerkschaft letztlich nicht, die Gründung einer echten Einheitsgewerkschaft zu verwirklichen, doch öffnet sie die alte LAV für eine ganze Reihe neuer Sektoren – Handel, Banken und Versicherungen, Erziehung und Wissenschaft, Dienstleistungen … – und wird so schnell und mit Abstand zur Gewerkschaft Nr. 1 in Luxemburg.
Auf dem letzten LAV-Kongress, am 3. Dezember 1978, wird er zum Präsidenten des neuen Verbands, des OGBL, gewählt und übt dieses Amt 25 Jahre lang, von 1979 bis 2004, aus.
Während dieser Zeit ist John Castegnaro der wichtigste Gewerkschaftsführer des Landes und einer der Architekten des „Luxemburger Sozialmodells“, das um den Koordinierungsausschuss der Tripartite herum aufgebaut wurde. Unter seiner Präsidentschaft und dank des Drucks des OGBL erfuhren das Arbeitsrecht und insbesondere die luxemburgische Sozialversicherung trotz eines zunehmend neoliberal geprägten politischen Klimas deutliche Verbesserungen.
Er wird oft als „Mann der Kompromisse“ beschrieben (so auch der Titel seines Nachrufs im OGBL-Aktuell 2012), er war aber dennoch der Initiator des Generalstreiks vom 5. April 1982, der sich gegen die Manipulation des Index richtete. Er zögerte nicht, dreimal mit einem weiteren Generalstreik zu drohen, 1990, 1992 und 2000-01, und führte Mobilisierungskampagnen durch, die jedes Mal zu neuen sozialen Errungenschaften führten.
Nach seinem Eintritt in den Ruhestand beim OGBL, blieb er bis zu seinem Tod 2012 Präsident der asbl Sidérurgie von OGBL und LCGB, Mitglied des Verwaltungsrats von Arcelor, später von ArcelorMittal (bis 2010), Präsident der Genossenschaft Maison du Peuple, der Centrale der LAV asbl und des Verwaltungsrats der Editpress.
Er vertrat die freien luxemburgischen Gewerkschaften auch auf internationaler Ebene und übernahm von 1983 bis 1988 die Vizepräsidentschaft des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG).
Auf politischer Ebene saß er von 1985 bis 2003 als Vertreter der LSAP im Staatsrat und wurde nach Beendigung seiner Tätigkeit als Präsident des OGBL 2004 in die Abgeordnetenkammer gewählt.
Neben seinen Tätigkeiten als Gewerkschafter und Politiker war John Castegnaro von 1999 bis 2012 auch Präsident des Netzwerks für Solidarwirtschaft Objectif Plein Emploi asbl, Initiator des Netzwerks für Pflege zu Hause HELP, das aus der 1998 ins Leben gerufenen Bewegung Hëllef fir de Bierger an d’Biergerin hervorgegangen ist, Mitbegründer des Pflegeheims Elysis in Luxemburg-Kirchberg. Nicht zu vergessen ist, dass er 1988 Initiator der Aktion gegen Rassismus war.
Wir werden ihn immer in unserer Erinnerung behalten.
Mitgeteilt vom OGBL, am 15. Juli 2022
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