Affäre Caritas

Der OGBL verurteilt schweren Missbrauch des Arbeitsgesetzes durch Caritas und HUT

Im Juli 2024 geschieht ein bisher in Luxemburg noch nie dagewesener Skandal: Der Fondation Caritas Luxemburg werden ca. 60 Millionen Euro gestohlen. Eine verdächtige, die Finanzdirektorin, stellt sich der Polizei. Bis dato weiß jedoch niemand offiziell, wie so etwas möglich sein kann. Das verschwundene Geld besteht Teils aus eigenem Kapital, dass von der Caritas vor Allem durch Erbschaften zugutekommt, zum Teil handelt es sich auch um Steuergelder, die vom Staat über Konventionen überwiesen werden, um die Betreuung von Menschen in Not, vor Allem Flüchtlinge und unbegleitete Minderjährige, zu garantieren. Wohin das Geld ist und wer dafür zuständig ist, weiß die Öffentlichkeit bis dato noch nicht. Was man aber zu diesem Zeitpunkt wusste: Die Zukunft der ca. 390 Angestellten der Caritas war ungewiss.

Da die Regierung und ihre Verbündeten nicht reagieren, sieht der OGBL sich gezwungen, diesen Skandal und diesen Affront gegen das luxemburgische Arbeitsgesetz und den Sozialdialog vor Gericht zu bringen.

Auf klare Worte des Premierministers folgen klare Taten des OGBL

Am 24. Juli 2024 verkündigte Premierminister Luc Frieden (CSV) in einer Pressekonferenz, dass der Staat „nicht einen weiteren Euro“ an die Caritas überweisen werde. Dies mochte zu diesem Zeitpunkt angesichts der möglichen kriminellen Machenschaften in der Caritas Sinn ergeben, jedoch war dies ein Schlag ins Gesicht für die Angestellten der Caritas aber auch der zu betreuenden Menschen, die auf Subventionen angewiesen sind.

Der OGBL, die seit den Sozialwahlen 2024 einzig repräsentierte Gewerkschaft in der Caritas-Gruppe, reagierte daraufhin schnell und forderte schnellstmöglich einen Termin bei Premierminister Luc Frieden sowie bei den betroffenen Verwaltungsräten der Caritas an (Die Caritas Luxemburg war unterteilt in mehrere gemeinnützigen Vereine und Stiftungen: Fondation Caritas Luxemburg und Caritas Acceuil et Solidarité). Des Weiteren lud der OGBL die Caritas-Belegschaft am 26. Juli 2024 zu einer Informationsversammlung in die Maison du Peuple ein. Über 150 Angestellte fanden den Weg nach Esch um sich über ihre Rechte als Arbeitnehmer zu informieren. Es musste sofort geklärt werden, wie es mit den knapp 400 Angestellten weitergehen werde. Man befind sich in einem Spiel gegen die Zeit: Die Zuständigen der Caritas sowie die Regierung bestätigten, dass die Reserven der Organisation nur noch für zwei weitere Monatslöhne reichen würden. Es musste demnach schnell eine Lösung gefunden werden und der OGBL machte dementsprechend Druck auf alle Seiten.

Inexistenter Sozialdialog

Da die eigentlichen Mitglieder der Direktion nicht mehr aufzufinden waren, setzte der Verwaltungsrat der Caritas kurz darauf ein Krisenkomitee ein, das den Auftrag erhielt, die Caritas, bzw. das, was von ihr übrig war, zu verwalten. Am 2. August 2024 dann empfängt Premierminister Luc Frieden den OGBL im Staatsminister. Die Nachricht des Regierungschefs war klar: es werde alles darangesetzt, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Der Kopf des Krisenkomitees Christian Billon, unterstützt durch Personalien aus der Beraterfirma PWC, war laut Minister Frieden in ständigem Austausch mit dem Premierminister und werde ebenfalls sein Bestes geben, um das Personal zu erhalten. Daraufhin ließ man das Krisenkomitees über den Sommer arbeiten. Wie sich später herausstellen sollte, hätte man dem Krisenkomitee sowie der Regierung nicht vertrauen dürfen.

Der OGBL samt der Personaldelegationen beklagten sich seit der „Rentrée“ darüber, dass es quasi keinen konstruktiven Austausch zwischen dem Krisenkomitee und den Personalvertretern gibt. Es kristallisierte sich allerdings heraus, dass die Regierung sowie das Krisenkomitee planten, eine neue gemeinnützige Organisation zu Gründen, die dann die ursprünglichen Konventionen des Staats mit der „alten“ Caritas übernehmen könnte. Vorerst eine gute Nachricht. Ein großes Problem bestand allerdings: Weder der OGBL noch die Personaldelegationen wurden über die Entwicklungen informiert! Der OGBL erinnerte mehrfach daran, dass angesichts des Ausmaßes des Skandals und der schweren Last, die die Angestellten tragen mussten, es das Mindeste wäre, das Personal in die Gespräche über ihre Zukunft zu integrieren.

Es bestand zu dem ein weiteres Fragezeichen im Raum: Obwohl fast die ganze Belegschaft wahrscheinlich in eine neue Organisation transferiert werden könnte, entschied man sich, die Caritas Coopération International sowie das “Plaidoyer Politique” der Caritas nicht mehr weiterführen zu wollen. Die betroffenen ca. 30 Mitarbeiter dieser Abteilungen waren ebenfalls aus allen Diskussionen ausgeschlossen und warten Anfang Oktober weiterhin auf Antworten. Laut Verantwortlichen war kein politischer Wille da, die Internationalen Geschäfte der Caritas weiterzuführen. Das “Plaidoyer Politique”, prominente Stimme im Kampf gegen Armut und Ungleichheiten in Luxemburg, scheint der neuen „HUT asbl – Hëllef um Terrain“ zu politisch zu sein. Der OGBL kritisierte von Anfang an, dass man Finanzierungsmöglichkeiten für diese wichtigen Abteilungen finden musste. Des Weiteren muss die Zusammenstellung des neuen Verwaltungsrats der „HUT“ in Frage gestellt werden. Ein Freundeskreis aus Politik und Wirtschaft, Anwälten, Versicherern und Wirtschaftsberatern sollen die Organisation leiten: Das ist dem sozialen Sektor, dessen Personal sowie den Menschen in Not nicht würdig.

Das Gesetz muss eingehalten werden – trotz Zeitdruck

Die Strategie des Krisenkomitees sowie der Regierung kam langsam ans Tageslicht. Indem man so wenig wie möglich Informationen preisgab, versuchte man die Öffentlichkeit sowie die Mitarbeiter und den OGBL im Dunkeln zu halten. Kurz vor Ablauf der Frist am 1. Oktober, an dem die „HUT asbl“ die Aktivitäten der alten Caritas übernehmen soll, provozierte das Krisenkomitee mit Billon und PWC eine Eskalation der Situation.

Man informierte die Belegschaft, dass es nicht wie im Gesetz vorgesehen (Artikel 127 des Arbeitsgesetzbuchs) zu einer Betriebsübernahme kommen würde, sondern dass die gesamte Belegschaft ihre Verträge bei der Caritas in beidseitigem Einvernehmen kündigen, und gleichzeitig einen neuen Arbeitsvertrag bei „HUT asbl“ unterzeichnen solle. Eine inakzeptable und vor allem eine illegale Vorgehensweise!

Der OGBL rief zunächst zu einer Pressekonferenz am 21. September 2024 ein, um die Machenschaften des Krisenkomitees anzuprangern. Eine Woche darauf, am 25. September 2024 wurde das Personal erneut zu einer Plenarsitzung in die Räumlichkeiten der Arbeitnehmerkammer eingeladen. Am 27. September 2024 kam es dann zu einer Protestkundgebung vor der Abgeordnetenkammer. Der OGBL, einziger Akteur, der sich für die Interessen der Caritas-Arbeitnehmer einsetzt, hat die Regierung sowie die Verantwortlichen aufgerufen, sofort einen Riegel vor diese illegalen Methoden zu schieben.
Das Krisenkomitee nutzte den Zeitdruck, um Fakten zu schaffen: Es übte massiven Druck auf die Arbeitnehmer aus, die alten Arbeitsverträge zu kündigen und die neuen zu unterschreiben. Aufgrund der Dringlichkeit blieb der Mehrheit der Belegschaft keine andere Wahl, als diesem unmoralischen und illegalen Druck nachzugeben.

Durch diese Methode verliert die Belegschaft ihre Personaldelegation und der OGBL seine Repräsentation im Betrieb. Da die Regierung und ihre Verbündeten nicht reagieren, sieht der OGBL sich gezwungen, diesen Skandal und diesen Affront gegen das luxemburgische Arbeitsgesetz und den Sozialdialog vor Gericht zu bringen.

 

Dieser Artikel wurde im Aktuell veröffentlicht (4/2024)