Ladenöffnungszeiten

Ministerin Hetto ignoriert Arbeitnehmer

Am 14. Juni 2010 teilte das Mittelstandsministerium per Pressemitteilung mit, dass die Ladenöffnungszeiten an allen Samstagen und an Vorabenden von Feiertagen bis 20 Uhr ausgedehnt werden dürfen. Einzige Ausnahme sollen der 24. und 31. Dezember bilden, an denen die Geschäfte nur bis 16 Uhr geöffnet sein sollen. Diese Entscheidungen seien getroffen worden, nachdem mehrere Aussprachen zwischen der Mittelstandsministerin und den Sozialpartnern stattgefunden hätten. Die Maßnahme würde ab dem 1. Juli 2010 für ein Jahr laufen. Die Erfahrungen sollen anschließend mit den Sozialpartnern erörtert werden.

Das Ministerium weist darauf hin, dass diese Maßnahme im Regierungsprogramm von CSV und LSAP vorgesehen ist. Was nicht erwähnt wurde ist die Tatsache, dass an anderer Stelle im Regierungsprogramm, nämlich im Kapitel „Arbeits- und Beschäftigungsministerium“, stand, dass die Umsetzung dieser Bestimmung insbesondere hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Gegenstand von Beratungen mit den Sozialpartnern sein sollte.

Ministerin stellt Gewerkschaften vor vollendete Tatsachen

Die Gewerkschaften OGBL und LCGB sind darüber empört, wie diese sogenannten Verhandlungen bzw. Konsultationen mit den Sozialpartnern stattgefunden haben. Im Kontakt mit den Gewerkschaften kam es nicht zu einer Diskussion, die zu einer gemeinsamen Lösung hätte führen können. Für die Gewerkschaften waren die Gespräche mit der Ministerin pro Forma Gespräche, da bereits unterdessen mit der Handelskonföderation Vereinbarungen getroffen worden waren. Am 9. Juni setzte die Ministerin die Gewerkschaften dann vor vollendete Tatsachen. OGBL und LCGB lehnen eine solche Vorgehensweise konsequent ab.

Obwohl die Ministerin ebenfalls Ministerin für Chancengleichheit ist, war die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kein ernsthaftes Thema. Die Ministerin ließ sich ausschließlich von Geschäftsinteressen und unbewiesenen Wettbewerbsvorteilen leiten.

Sozialrückschrittliche Maßnahme

Für die Gewerkschaften steht fest: dies ist eine sozialrückschrittliche Maßnahme. Da im Handel die große Mehrzahl des Personals Frauen sind und viele davon alleinerziehende Mütter werden die neuen Öffnungszeiten diese Personen teuer zu stehen kommen. In der normalen Woche haben bereits viele alleinerziehende Frauen große Schwierigkeiten, die Betreuung ihrer Kinder nach 19 Uhr zu organisieren. Außerdem haben viele Beschäftigte im Handel oft lange Anfahrtswege. Das betroffene Personal wird an Samstagen kaum vor 21.30 Uhr nach Hause kommen und wird noch mehr von gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten ausgeschlossen als es jetzt schon der Fall ist.
Seit 2003 wurde jedes Jahr zwischen den Gewerkschaften und der Handelskonföderation ausgehandelt, an wieviel Tagen im Jahr ausnahmsweise bis 20 Uhr geöffnet sein darf. In diesem Abkommen wurden Kompensationen und andere  Arbeitnehmerschutzbestimmungen festgeschrieben. Diese vereinbarten Arbeitnehmerrechte fallen jetzt weg, indem die Ministerin hingeht und flächendeckend und undifferenziert längere Öffnungszeiten von oben dekretiert, gegen den Willen und die Interessen der Beschäftigten im Sektor.

Kein Ausgleich für Freizeitklau

Als Alternative zu dieser autoritären Vorgehensweise hatten die Gewerkschaften vorgeschlagen, einen Branchenkollektivvertrag, der nur diesen Punkt betreffen könnte – d.h. längere Öffnungszeiten an Samstagen und Vorabenden von Feiertagen – mit den Arbeitgeberorganisationen auszuhandeln. Im Rahmen eines solchen Abkommens hätten Kompensationen, insbesondere ein Freizeitausgleich, sowie arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen verhandelt werden können. Leider wurde dieser Vorschlag nicht berücksichtigt. Ohne Rücksicht auf Freizeiteinbußen auf Seiten der Beschäftigten, und ohne jeden Ausgleich für diesen Freizeitverlust, wurde nur einseitig den Interessen des Patronats Rechnung getragen.

Es nutzt nicht viel, dass die Betreiber der fünf größten Lebensmittelzentralen bzw. -geschäfte sich schriftlich dazu verpflichtet haben, über eventuelle Entschädigungen für das betroffene Personal im Rahmen der kommenden Tarifvertragsverhandlungen verhandeln zu wollen. Die große Mehrzahl der Beschäftigten im Handel fällt leider nicht unter einen Kollektivvertrag und für diese Personen werden die neuen Ladenöffnungszeiten mit Sicherheit zu einer Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen führen. Es handelt sich hierbei nicht nur um kleine Läden. Auch in großen Geschäften bzw. Geschäftsgruppen wie beispielsweise Hornbach, Bâtiself, Lidl, Aldi, Alvisse, Roller usw. gibt es leider keine Kollektivverträge.

Die Gewerkschaften fordern die Ministerin auf, umgehend Schritte in die Wege zu leiten, damit es zur Verhandlung eines tarifvertraglichen Rahmenabkommens zwischen Patronat und Gewerkschaften kommt. Andernfalls muss es zur Ergreifung von gesetzlichen Maßnahmen kommen, die Lohn- und Freizeitkompensationen sowie  Arbeitszeitschutzbestimmungen für die betroffenen Beschäftigten einführen.

Mitgeteilt von OGBL und LCGB
am 16. Juni 2010