Leitartikel

Der wirtschaftliche Aufschwung kann nicht durch das Herabsetzen der realen Löhne stattfinden!

Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL
Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL

Die seit 2010 getroffenen politischen Entscheidungen und Orientierungen erweisen sich als immer untauglicher die Krise zu lösen in welche die zügellose Globalisierung und die unzulängliche Reglementierung des Finanzsystems die Weltwirtschaft und insbesondere die europäische Wirtschaft gestürzt haben.

Die fast überall in Europa angewandte verallgemeinerte Sparpolitik, der Druck auf die Löhne, die Einschnitte in die Sozialhaushalte, eine Steuerpolitik, die den Konsum und die Kaufkraft belastet anstatt einen höheren Beitrag von den vermögenden Steuerpflichtigen einzufordern, der  unzulängliche Kampf gegen Steuerflucht und -hinterziehung drohen nun den lauen, leicht spürbaren Aufschwung, im Keim zu ersticken.

Die Verschlechterung der weltweiten und europäischen Wirtschaft wird auch Luxemburg in Mitleidenschaft ziehen und die Wirtschaftsvorhersagen werden sicherlich nach unten korrigiert werden müssen. Dennoch sollte man keinesfalls vergessen, dass die Vorhersagen im Allgemeinen sehr gut waren und dass sie sogar noch einer Herabstufung gut bleiben. Das ist auch der Fall betreffend die Lage des Luxemburger Staatshaushalts, die sich als gut ausweist und die eine großzügige Investitionspolitik erlaubt, die den luxemburgischen Unternehmen zu Gute kommt.
Dies ist der Hintergrund vor dem sich momentan die Diskussionen zwischen Regierung, Gewerkschaften und Patronatsorganisationen abspielen. Zurückbehalten wurde die gemeinsame Feststellung, dass das Vertrauen des Einzelnen und der Unternehmen in den wirtschaftlichen Aufschwung schwindet. Wer hat eigentlich daran gezweifelt? Was nun allerdings die Ursachen dieser Situation anbelangt, so gehen die Analysen weit auseinander und die Vorschläge seitens der Arbeitgeber, die darauf hinauslaufen die Reallöhne herabzusetzen, können sicherlich nicht als Basis für eine Übereinkunft dienen.

Für den OGBL gilt es verschiedene Grundpfeiler zu beachten.

So ist es notwendig schnell branchenbezogene Analysen über die Stärken und Schwächen unserer Wirtschaft durchzuführen. Es drängt sich auf, eine Bestandsaufnahme der seit 2006 zur Unterstützung unseres Wirtschaftgefüges in die Wege geleiteten Maßnahmen zu machen und zu analysieren welche Auswirkungen die steuerlichen (Zurückschrauben der Steuerlast) und anderen Maßnahmen (Herabsetzen der Sozialbeiträge, Verschiebung der Auszahlungstermine der Indextranchen, Subventionen und diverser Subsidien) hatten, die seit 2006 unseren Unternehmen zu Gute kamen. Haben diese Hilfen zu mehr Investitionen geführt, zur Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze und neuer Unternehmen?

Es geht darum das System des universalen, öffentlichen und hochwertigen Sozialschutzes im Fall von Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit, bei Alter und Pflegebedürftigkeit zu erhalten. Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung zur Verlängerung der Maßnahmen, die zum besseren Schutz und zur finanziellen Unterstützung des Arbeitnehmers im Fall von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit dienen, dasselbe gilt bezüglich einer höheren Beteiligung des Staates an der Pflegeversicherung. Der OGBL verlangt aber weiterhin die Rücknahme der erhöhten Eigenbeteiligung der Kranken an den von ihnen benötigten Gesundheitsleistungen. Die im Januar dieses Jahres in Kraft getretene Erhöhung der Eigenbeteiligung der Kranken ist sozial ungerecht, finanziell unnötig und außerdem hat diese zusammen mit anderen Entscheidungen dazu beigetragen die Inflation anzuheizen.

Die finanzielle Lage der Krankenversicherung erlaubt es einen Rückschritt zu machen und einige Gesundheitsleistungen insbesondere im zahnmedizinischen Bereich zu verbessern.

Und es sei an dieser Stelle klar und deutlich gesagt: Der OGBL wird sich gegen eine Pensionsreform wehren, die auf Leistungsminderungen hinzielt und die den jungen Generationen teure und zweifelhafte Privatversicherungen aufzwingen will etwa laut dem verheerenden  gängigen Modell in Deutschland.

An dritter Stelle, gilt es schnell und mutig in Sachen Arbeit und Beschäftigung zu handeln und zwar durch eine Verstärkung der Gesetzgebung über den Arbeitsplatzerhalt und des Schutzes gegen betriebsbedingte Kündigungen sowie durch eine grundlegende Reform der Konkursgesetzgebung,  durch eine Beschäftigungspolitik die darin liegt, ältere Arbeitnehmer länger im Erwerbsleben zu halten, zu der auch gesetzliche, soziale und steuerliche Maßnahmen gehören und schließlich durch ein Aktionsprogramm zugunsten junger Arbeitnehmer, das auch gegen die Prekarität vorgeht von der viele junge Arbeitnehmer betroffen sind, und
zwar nicht ausschließlich jene, die eine mangelhafte berufliche Qualifikation aufweisen.

Um das Vertrauen wiederherzustellen und einen bedeutenden Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten aufrecht zu erhalten, ist es wichtig eine Politik zum Kaufkrafterhalt in die Wege zu leiten. Die Abschaffung der Krisensteuer geht hier in die richtige Richtung. Andere Maßnahmen, die z.B. die Erleichterung des Wohnungszugangs und die Verringerung der Wohnpreise oder ebenfalls Maßnahmen zur Verbesserung der Familienzulagen müssen diskutiert werden.

Die rezenten Studien der Arbeitnehmerkammer betreffend die Preisentwicklung in Luxemburg zeigen, dass in Sachen „hausgemachte“ Luxemburger Inflation schnellsten gehandelt werden muss. Und sicher ist, dass die Preisentwicklung nicht durch eine Preisindexmanipulation und durch das Abschaffen oder die Modulation der Anpassung der Löhne und Pensionen an die Preisentwicklung stattfinden wird. Dies würde nicht nur negative Auswirkungen auf die Kaufkraft der Arbeitnehmer und Rentner haben, dies würde ebenfalls die Verschuldung der Haushalte erhöhen, dies würde zwar kurzfristig verschiedenen Unternehmen zu Gute kommen, hätte aber langfristig gesehen negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität, die Beschäftigung und die Qualität der Arbeitsplätze.