Der OGBL-Nationalvorstand lehnt das Indexmodulierungsvorhaben 2012-2014 und den Rentenreformvorschlag der Regierung ab

Anlässlich seiner außerordentlichen Sitzung am 16. Januar 2012 hat der OGBL-Nationalvorstand die bis 2014 von der Regierung vorgesehene Indexmanipulation der Löhne und Renten abgelehnt.  Dieses Vorhaben wird den Automatismus des Indexsystems aufheben und den Index zum „Plan-Index“ machen. Eine solche Planung bestünde darin die nächste Indextranche künstlich auf den 1. Oktober 2012 festzulegen obwohl sie am 1. März fällig wird. Die Arbeitnehmer und Rentner werden aus diesem Grund in 2012 sieben Monate Anpassung ihrer Löhne an die Lebensteuerung verlieren. Außerdem sieht der Gesetzesentwurf vor in Folge eine Mindestzeitspanne zwischen zwei eventuell in den Jahren 2013 und 2014 entfallenden Indextranchen festzulegen. Ausgangspunkt dieser Mindestzeitspanne wird der 1. Oktober 2012 sein.

Wenn das System am Ende der Modulierungsphase wieder normal funktionieren soll, trägt die Regierung der realen Inflationsentwicklung während der Jahre 2012-2014 keine Rechnung, sondern nimmt als Ausgangspunkt zur Berechnung der nächsten Fälligkeit das vorherige von ihm willkürlich festgelegte Entfallsdatum. Durch diese Modulierung verlieren die Arbeitnehmer und Rentner mindestens eine halbe Milliarde Euro an Kaufkraft während die Unternehmen diesen Betrag geschenkt bekommen, ohne dass der Staat irgendeine Gegenleistung von ihnen verlangt. Es handelt sich also um ein weiteres Geschenk der Regierung an das Patronat.

Was die Rentenreform anbelangt, beschloss der Nationalvorstand nachdem ihm die vorgesehenen Änderungen im Detail vorgestellt wurden, diese Reform als rein buchhalterisches Machwerk abzulehnen. In der Tat wird nur ein einziges Ziel ersichtlich: die Ausgaben sollen verringert, sprich die Leistungen in Zukunft herabgesetzt werden. Es handelt sich also nicht um einen Fortschritt, wohl aber um einen sozialen Rückschritt. Außerdem werden wir auf unserer Website Anfang Februar ein Dossier über die Rentenreform online stellen und wir werden den Internetbenutzern die Möglichkeit geben ihre diesbezüglichen Fragen zu stellen. Die Fragen und Antworten werden auf der Site veröffentlicht.

Abschließend hat der Nationalvorstand dem geschäftsführenden Vorstand grünes Licht gegeben, diese Reformvorhaben mit allen gewerkschaftlichen Mitteln zu bekämpfen.

19 Januar 2012

Gewerkschaftsfront gegen die Modulierung des Indexsystems: Die vorgesehene Indexmanipulation läutet das Ende der automatischen Lohn-, Gehälter- und Rentenanpassung an die Inflation ein

Die unterzeichneten Gewerkschaften lehnen den Gesetzesentwurf Nr. 6378 betreffend die Abänderung der Anwendungsmodalitäten der automatischen Indexierung der Löhne und Gehälter grundlegend ab.

Der Gesetzesentwurf regelt die Indexanpassung für die kommenden Jahre indem er das Auszahlen der im März 2012 erfallenden Tranche auf den Oktober verlegt und indem er eine Mindestzeitspanne von 12 Monaten zwischen dem Auszahlen zweier Indextranchen für die Jahre 2012, 2013 und 2014 festlegt.

Dies zieht je nach Inflationsentwicklung Lohnverluste von insgesamt bis zu 60% eines Monatslohns nach sich.  Bei einem Lohn von 2.000 Euro kann das über drei Jahre gesehen einen Verlust von 1.200 Euro ausmachen.

Außerdem droht  über diese Verluste hinaus die Gefahr der definitiven Annullierung einer ganzen Indextranche.

Daneben wird der Entwurf einen Rückstand der Indexierung gegenüber der Inflation verursachen (zusätzlich zu dem, der aufgrund vorhergehender Modulierungen entstanden ist).

In der Tat wird die für 2014 vorgesehene Wertberichtigung, d.h. die Annullierung eines Teils der akkumulierten Inflation, zur Folge haben, dass das Vorhaben nicht nur Auswirkungen auf die Jahre 2012, 2013 und 2014 haben wird, sondern auch über diese Zeitspanne hinaus. Der Indexmechanismus wird demzufolge einen ständigen Rückstand von mehreren Monaten gegenüber der Inflation bekommen.

Die Gewerkschaftsorganisationen lehnen folglich den Gesetzesentwurf ab, der das automatische Indexsystem der Löhne, Gehälter und Renten de facto abschafft.

Diese Abänderung des Systems bedeutet nämlich, dass der Gesetzgeber den Auszahlungszeitpunkt der Indextranchen  willkürlich und nach eigenem Gutdünken festlegen kann, losgelöst von jeglicher realer Preisentwicklung.

Der Entwurf geht also weit über eine Antikrisenmaßnahme, wie sie die Regierung vorgeschoben hatte, hinaus, und ist in Wirklichkeit eine strukturelle Reform, die zu einer endgültigen Abwertung der Löhne und Renten, d.h. der Kaufkraft, führen wird.

Der Entwurf vertieft die Ungleichheiten und bringt den sozialen Frieden in Gefahr

So vertieft der Entwurf die Ungleichheiten, die bereits im Laufe der vergangenen Jahre ständig zunahmen und verstärkt die bereits vorhandene Tendenz einer Umverteilung des geschaffenen Reichtums zu Gunsten der Unternehmen und Aktionäre und zu Ungunsten der Arbeitnehmer. In der Tat bemerkt man seit Jahren bereits eine rückläufige Tendenz im Mehrwertanteil der Löhne.

Des Weiteren bringt die Abschaffung der allgemeinen Aufwertung der Löhne gegenüber der Inflation das gesamte System der Lohnverhandlungen in Luxemburg in Gefahr und somit mittelfristig auch den sozialen Frieden. Langfristige Kollektivverträge abzuschließen wird unmöglich, da die Verhandlungspartner nicht wissen, ob sie die Inflation, oder sogar den endgültigen Verlust einer Indextranche, berücksichtigen müssen, oder nicht. Eines der starken Elemente der Tarifverhandlungen in Luxemburg ist gefährdet umso mehr der Gesetzesentwurf keine Öffnungsklausel vorsieht, die es gegebenenfalls ermöglicht, von dem festgelegten Kurs abzuweichen.

Aufruf an die Regierung und die Abgeordneten

Aus all diesen Gründen rufen die Gewerkschaftsorganisationen die Regierung auf den Gesetzesentwurf zurückzuziehen und appellieren an die Abgeordneten dagegen zu stimmen. Die Gewerkschaftsorganisationen werden alle Abgeordneten zu einem Treffen einladen mit dem Ziel ihnen die Bewegründe und Argumente, die sie zu einer solchen Position bewogen haben, zu erläutern.

Mitgeteilt von den Gewerkschaften OGBL, LCGB, CGFP, ALEBA, FGFC, FNCTTFEL und SYPROLUX
am 11. Januar 2012

Geschäftsführender Vorstand des OGBL lehnt Indexmodulierungsvorhaben der Regierung ab

Der von der Regierung ausgearbeitete Gesetzesentwurf betreffend das verzögerte Ausbezahlen der Indextranchen in den Jahren 2012, 2013 und 2014, der Ende Januar vom Parlament gestimmt werden soll, wurde vom geschäftsführenden Vorstand des OGBL am 6. Januar abgelehnt.

Die von der Regierung angeführten Gründe für eine Indexmodulierung, die sich über drei Jahre erstrecken soll und noch Jahre danach nachwirken würde, sind völlig überzogen und angesichts der drohenden wirtschaftlichen Rezession kontraproduktiv.

Für den OGBL ist es darüber hinaus inakzeptabel, dass den durch die Indexmanipulation geplanten hohen Kaufkraftverlusten nicht durch nennenswerte soziale und steuerliche Maßnahmen entgegengesteuert werden soll, wie beispielsweise durch eine Aufwertung der Familienzulagen bzw. der Steuerkredite, durch verbesserte Sozialleistungen im Wohn- oder Gesundheitsbereich oder durch ein gestaffeltes Preissystem beim Wasserverbrauch oder bei den Haushaltsabfällen. Der OGBL vermisst ebenfalls ein Konzept und klare Aussagen der Regierung für die Abbremsung der Preisentwicklung bis 2014 insbesondere was die Preise des öffentlichen Dienstleistungsbereichs anbelangt.

Massive Kaufkraftverluste

 

Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht nicht nur die verspätete Auszahlung des Index im Jahre 2012 vor, sondern ebenfalls für all die kommenden Jahre, über 2014 hinaus. Wie viel Verlust an Kaufkraft dies konkret bis zum Jahr 2014 für die arbeitenden Menschen und für die Rentner ausmachen wird, wird von der realen Inflationshöhe abhängen. Bei einer normalen Inflationshöhe von 2,0% bis 2,5% wird der Kaufkraftverlust mit Sicherheit über einer halben Milliarde € liegen. Der Einzelne wird mit dem Verlust von mindestens einem halben Monatslohn rechnen müssen. Bei einem leicht höheren Inflationsverlauf droht sogar die definitive Annullierung einer ganzen Indextranche. In diesem Fall steht ein Kaufkraftverlust in Milliardenhöhe an!

Weit über das Ziel hinaus!

 

Die Regierung schlägt nicht nur eine auf die Jahre 2012-2014 begrenzte Verzögerung der Auszahlung des Index vor, sondern sie will die Auszahlung des Index definitiv, d.h. strukturell länger hinaus zögern.

Für die Mindestzeitspanne von 12 Monaten zwischen dem Auszahlen zweier Indextranchen soll nicht mehr der gesetzlich normale Referenz- und Ausgangspunkt gelten. Statt Mai 2011 wird der bereits um 5 Monate verzögerte Oktober 2011 zum neuen Ausgangspunkt genommen. Es soll also nicht von den kommenden drei Jahren profitiert werden, um die verzögerte Auszahlung progressiv wieder zurückzunehmen, damit ab 2014 der Index wieder normal funktionieren kann. Ein künstlicher verzögerter Ausgangspunkt soll auch ab 2014 gelten. Dies wird zu einem noch größeren Verlust für die Arbeitnehmer führen. Für den OGBL inakzeptabel.

Hohe zusätzliche Gewinne für die Unternehmen und überhaupt keine Garantien für neue Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen!

 

Was soll mit diesem Geld passieren, das das Patronat auf Kosten des Salariats einsparen soll? Diese Kaufkraft wird der luxemburgischen Wirtschaft, in erster Linie dem Handel, dem Handwerk und vielen anderen Dienstleistungsbereichen fehlen. Der OGBL stellt fest, dass die Regierung den Betrieben überhaupt keine Garantien abverlangt oder Auflagen macht, damit diese hunderte Millionen € in neue Investitionen und in neue Arbeitsplätze fließen. Oder soll das Salariat zusätzliche Lohneinbußen und Kaufkraftverluste in Kauf nehmen, damit die Aktionäre noch satter werden?

Der Vorstand des OGBL lehnt aus all diesen Gründen den Gesetzesvorschlag der Regierung ab und fordert die Regierung auf, diesen zurückzuziehen bzw. gründlich zu überarbeiten.

Der Vorstand des OGBL wird dem in einer Sondersitzung am 16. Januar tagenden Nationalvorstand des OGBL vorschlagen, den aktuellen Gesetzesvorschlag nicht nur abzulehnen, sondern die luxemburgischen Abgeordneten aufzufordern, gegen das Gesetzesvorhaben zu stimmen.

Mitgeteilt vom geschäftsführenden Vorstand des OGBL
am 9. Januar 2012

Warum scheiterte die Tripartite zwischen der Regierung, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften ?

Diese Frage ist schnell beantwortet. Die Verhandlungsposition der Arbeitgeberorganisation UEL war eine mit Absicht vorgetragene Provokation und Frontalattacke gegen die Grundfeste des luxemburgischen Sozialmodells, gegen die Lohn- und Arbeitsbedingungen des gesamten Salariats und gegen den Sozialdialog auf nationaler Ebene.

Die extrem salariatsfeindliche Position der UEL entzog der Tripartite von Beginn an jegliche erfolgversprechende Verhandlungsgrundlage und zerstörte somit die Chance auf eine gemeinsame Vereinbarung der drei Verhandlungsparteien. Der vorzeitige Abbruch der Tripartite war die logische Konsequenz dieses Sabotageakts des Patronats.

Der neoliberale Forderungskatalog der UEL gegen unser Sozialmodell

  • Lohnabbau und Kaufkraftverlust von mindestens 5% durch Indexstopp bis 2014.
  • Strikte Politik der „Lohnmässigung“ bis 2014. Konkret sind damit Nullrunden in den Kollektivverträgen gemeint.
  • Impaktstudie über die „allgemeine Desindexierung“ der Wirtschaft. Klartext : Abschaffung des Indexsystems ab 2014 und Zerstörung des luxemburgischen Modells der Lohnverhandlungen.
  • Weitere Flexibilisierung der gesetzlichen Arbeitszeiten. Die Referenzperiode von 4 Monaten mit bis zu 54 Wochenarbeitsstunden soll eingeführt und die gesetzliche Überstundenregelung verschlechtert werden. Im Klartext : Mehr und unregelmässiger arbeiten für weniger Lohn und weniger Freizeit.
  • Der befristete Arbeitsvertrag (CDD) soll breiter und länger eingesetzt werden können. Arbeitslose sollen gezwungen werden, jegliche Arbeit anzunehmen („mise au travail“), wobei die Hälfte des zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohns von der Allgemeinheit finanziert werden soll.
  • Die gesetzlichen Schutzbestimmungen im Krankheitsfall sollen verschlechtert werden. Den Grenzgängerkolleginnen und -kollegen wird darüberhinaus die Einführung von Karenztagen angedroht.
  • Kategorische Ablehnung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Reform der Gesetzgebung über die Personaldelegationen und gemischten Betriebsräte („comité mixte“). Mit anderen Worten : keine Mitbestimmung und kein Sozialdialog in den Betrieben.
  • Keine Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2013.
  • Der aktuelle Anpassungsmechanismus des gesetzlichen Mindestlohns an die allgemeine Lohnentwicklung in Luxemburg soll verschlechtert werden : als zusätzliches Kriterium soll der Stand der Arbeitslosigkeit unqualifizierter Kolleginnen und Kollegen dienen, um den gesetzlichen Mindestlohn nach unten zu drücken.

Die Position des OGBL

Der OGBL verlangt von der UEL, dass sie ihren extremistischen Kurs aufgibt. Die UEL wird dazu aufgefordert, sich zum Luxemburger Sozialmodell und zum realen Sozialdialog zu bekennen und mit Taten für den Erhalt des sozialen Friedens in Luxemburg einzutreten.

Der OGBL und die anderen national repräsentativen Gewerkschaften CGFP und LCGB haben darüberhinaus am 13. Dezember der Regierung mitgeteilt, dass sie bereit sind, ein Mehrpunkteabkommen mit der Regierung auszuhandeln, das

  1. dem Wunsch der Regierung für eine krisenbedingte zeitbefristete Modulation des Indexsystems (verzögerter Erfall der Indextranchen) entgegenkommt, falls die Regierung sich grundsätzlich zum Indexsystem bekennt und dieses spätestens 2014 wieder normal funktioniert,
  2. parallel dazu kaufkrafterhaltende Ausgleichsmaßnahmen (bei den Familienzulagen, Kinderbonus, Arbeitnehmerfreibetrag u.a.m.) vorsieht und bis 2014 auf jegliche Leistungsverschlechterungen bei der Kranken- und Pflegeversicherung verzichtet,
  3. vorsieht, dass die Regierung eine preisstabilisierende Politik aktiv umsetzt und ein sozial gerechtes Preissystem beim Wasser und bei der Müllentsorgung einführt,
  4. die Reform der Gesetzgebung über die Personaldelegationen und die gemischten Betriebsräte bis Ende 2012, also noch vor den Sozialwahlen 2013, vorsieht,
  5. eine weitere gesetzliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten ausschließt und
  6. den gesetzlichen Mindestlohn und die Renten fristgerecht zum 1. Januar 2013 anpasst.

Für den Index und unsere Löhne !
Für fortschrittliche Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten !
Für die gesetzliche Reform der Mitbestimmung in den Betrieben !

 

 

Wir müssen zu einem neuen Konsens bezüglich des Luxemburger Sozialmodells zurückfinden

Gespräch mit Jean-Claude Reding, Präsident, und André Roeltgen, Generalsekretär des OGBL

Aktuell: Liebe Kollegen, das Jahr 2011 geht zu Ende, welches waren rückblickend die Herausforderungen für den OGBL und welche Erfolge gab es in diesem Jahr?

Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL

JCR: Eine der größten Herausforderungen des OGBL in 2011 bestand darin – und dies eigentlich schon seit 2009, seit der Demonstration vom 16. Mai 2009 – die Losung der 30.000 Demonstranten in die Praxis umzusetzen: „Wir werden nicht für die Finanzkrise zahlen, denn wir haben sie nicht verursacht“. Der OGBL wollte und will weiterhin verhindern, dass die Regierung eine Sparpolitik in die Wege leitet so wie dies in so vielen anderen Ländern der Euro-Zone geschieht. Eine solche Politik würde uns geradewegs in die Rezession führen, eine diesmal von der Politik verursachte Rezession. Und genau das ist es, was die europäische und internationale Gewerkschaftsbewegung den Regierungen klarmachen will, bis dato ohne großen Erfolg.

André Roeltgen, OGBL-Generalsekretär

AR: Hingegen muss man in Luxemburg feststellen, dass der unnachgiebige Widerstand  des OGBL gegen die von der Regierung in 2010 vorgesehene rigorose Sparpolitik in Luxemburg positive Konsequenzen zeitigte. Was uns demzufolge erlaubt von Erfolgen zu sprechen. Vielleicht vergisst man diese manchmal doch zu schnell. Im Jahr 2010 hatten wir schon eine beachtliche Abschwächung des ursprünglichen Austeritätsmaßnahmenpakets erreicht und wir führten unsere Anstrengungen diesbezüglich 2011 fort. Wir haben zum Beispiel bewirkt, dass die Krisensteuer zum 1. Januar 2012 aufgehoben wird und dass die Indexierung der Löhne und Renten in ihrer gegebenen Struktur beibehalten wird, auch wenn wir mit der Verschiebung der Ausbezahlung einer Tranche um einige Monate einverstanden sein mussten. Im Bereich der Sozialversicherung haben wir die Abschaffung der Poliklinik-Gebühr durchgesetzt und die Zusage der Regierung erhalten, dass sie den Beitrag des Staats zur Finanzierung der Pflegeversicherung heraufzusetzen will, was de facto bedeutet, dass der Staat wieder seinen früheren Beitrag zahlen will.

JCR: Man müsste auf dieser Liste hinzufügen, dass uns trotz allen Drucks seitens der Patronatsverbände eine Erhöhung des Mindestlohns von 1,9% zum 1. Januar 2011 zugestanden wurde und dass die Kollektivverträge weiterhin die Löhne sehr vieler Arbeitnehmer absichern. Das bedeutet für die Mehrheit der Arbeitnehmer und Rentner, dass ihre Kaufkraft während dieser Krisenjahre nicht allzu sehr gelitten hat, was wiederum dazu beigetragen hat, dass unser Land eher gut aus ihnen hervorging. Auf einem ganz anderen Gebiet konnten wir 2011 ebenfalls einen Erfolg verzeichnen: wir haben es nämlich fertig gebracht am 21. Juni eine Euro-Demo mit hoher Luxemburger Beteiligung gegen die europäische Sparpolitik in Luxemburg-Stadt zu organisieren.

Aktuell: Musstet Ihr auch Niederlagen einstechen, was hat Euch in diesem Jahr am meisten enttäuscht?

JCR: Ich würde nicht unbedingt von Niederlagen sprechen, von Enttäuschung allerdings, und zwar darüber, dass unsere Politiker, unser Staatsminister, unsere politisch Verantwortlichen im Rahmen der Europa-Politik die Bürger, die Arbeitnehmer, die öffentlichen Dienstleistungen, unser Sozialversicherungssystem, aber auch unsere demokratischen Strukturen im allgemeinen ungenügend verteidigen. Auf europäischer Ebene gehen die Angriffe auf das Arbeitsrecht, gegen gewisse soziale Absicherungen genau wie die Liberalisierungs- und Privatisierungspolitiken weiter. Technokraten arbeiten Texte aus und die Politiker nicken sie ab, mit dem Ziel nach und nach alle öffentlichen Dienstleistungen zum Beispiel in kommerzielle umzuwandeln. Die Logik des Marktes und des Wettbewerbs dominieren alle Aspekte der Politik. Um ein Beispiel zu nennen: War es wirklich nötig das Wasser als Ware einzustufen? Die Folge davon ist die deutliche Erhöhung des Wasserpreises!

Leider mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Europa-Technokraten seit diesem Jahr ein System zur Überwachung der Parlamentsarbeit in den einzelnen Ländern eingeführt haben. Ich spreche hier von der Überprüfung des wichtigsten Gesetzes einer jeden parlamentarischen Session, des Haushaltsgesetzes, durch die Europäische Kommission. Die Kommission drängt darauf diese Kontrolle noch weiter auszubauen, und noch immer scheinen unsere Politiker dem keine Gegenwehr in irgendwelcher Form entgegenzusetzen. Noch nie seit der Einführung der parlamentarischen Demokratien in Europa haben die politischen Führungskräfte ihre Macht so widerstandslos an nicht demokratisch gewählte Strukturen abgegeben. All dies macht deutlich, dass die Gewerkschaften die einzigen Akteure bleiben, die noch die Rechte der Arbeitnehmer, der Bürger im Allgemeinen und die öffentlichen Interessen verteidigen.

AR: Bei diesem Thema möchte ich anknüpfen und hinzufügen, dass seit mehreren Jahrzehnten die Regierungen nach und nach ganze politische Bereiche insbesondere was die öffentlichen Dienstleistungen anbelangt – Post, Eisenbahn, Energie, Telekommunikation – an private Anbieter übertragen haben mit den für uns jetzt bereits in vielen Ländern spürbaren Folgen: ständig steigende Tarife, Schließung von Dienststellen, eingeschränkte Qualität bei verschiedenen Leistungen usw.

Für mich ist es deshalb besonders enttäuschend festzustellen, dass unsere Politiker nichts aus der Krise von 2008 gelernt haben und dass sie im Begriff sind Europa in eine noch schlimmere Krise zu stürzen. Ihnen scheint der klare Menschenverstand abhanden gekommen zu sein, sie stehen ganz unter dem Einfluss der Lobby des Großkapitals!

Aktuell: Welches sind die hauptsächlichsten gewerkschaftlichen Baustellen des OGBL für 2012?

JCR: Wir werden nicht aufhören die Kaufkraft, die Indexierung der Löhne und Renten, das Luxemburger System der Tarifverhandlungen, den Mindestlohn, das Arbeitsrecht und selbstverständlich unser Sozialversicherungssystem zu verteidigen. Wir werden uns mit der Reform der Pensionsversicherung zu befassen haben und wir müssen aufpassen, dass unser heute ausgezeichnetes System nicht verändert wird. Wir müssen insbesondere darauf achten, dass die Jugendlichen mit der Aussicht auf eine gute soziale Absicherung zu Berufsende ins Berufsleben starten können.

AR: In diesem Zusammenhang möchte ich noch erwähnen, dass sich der OGBL seit Jahren für ein neues Mitbestimmungsgesetz der Arbeitnehmer in den Betrieben stark macht. Wir verlangen mehr Rechte für die Personalvertreter und einen besseren Schutz ihrer selbst. Wir werden alles daransetzen dieses Dossier im Jahr 2012 konkret voranzubringen. Dann sind da noch unsere 15 Berufssyndikate, die alle in ihren jeweiligen Aktivitätsbereichen gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, für eine Entwicklung der Löhne im Verhältnis zu den Produktivitätsgewinnen, für eine höhere Anzahl an Kollektivverträgen, gegen Auslagerungen und Werksschließungen wie etwa in der Stahlindustrie zu kämpfen haben werden.

Aktuell: Welches sind Eure Gedanken, wenn Ihr die Wende seht, die die Krise des Wirtschafts- und Finanzsystems nimmt, bleibt ihr optimistisch für 2012?

JCR: Seit Anfang der Finanzkrise in 2008, haben die Gewerkschaften die Politiker davor gewarnt die Arbeitnehmer, die Pensionierten, die Privatleute im Allgemeinen zur Kasse zu bitten. In einer ersten Phase wurden die Banken mit öffentlichen Geldern gerettet. Um dies tun zu können haben sich die Staaten weiter verschuldet und dann haben sich die Geretteten, sprich die Banken, geweigert den Staaten weiterhin Geld zu leihen unter dem Vorwand diese seien zu stark verschuldet. Wohin das geführt hat wissen wir. Die Austeritätspolitik verschärft die Lage zusätzlich, denn wenn man den Arbeitnehmern einen Teil ihrer Einkünfte nimmt, wenn man die Löhne, die Pensionen, die Leistungen und Sozialtransfers verringert, dann setzt man auch die Kaufkraft herab und verursacht so einen wirtschaftlichen Rückgang. Dieser wiederum wird zum Vorwand genommen den Druck auf diese Staaten weiter zu erhöhen und so weiter und so fort. Und wir laufen ob dieses Teufelskreises nicht nur Gefahr in eine noch schlimmere wirtschaftliche Rezession zu rutschen, sondern es droht auch die Zerschlagung der europäischen Integration mit obendrauf der schwersten politischen und sozialen Krise, die Europa seit den 30-ger Jahren erlebt hat. Im Moment leidet jeder unter der Situation, außer den Lobbyisten des Großkapitals.

AR: Man kann nur hoffen, dass sich die politischen Entscheidungsträger auf die Macht besinnen, die ihnen von ihren jeweiligen Völkern zuerkannt wurde und dass sie politische Lösungen aus den Krisen, die uns bedrohen, finden. Es ist unannehmbar, dass die Ratingagenturen und die Zentralbanken die ganze Welt in Atem halten und den Staaten diktieren, welche Politik sie zu machen haben. Dieses in seiner Gesamtheit unglaubliche System muss gestoppt werden. Und die einzigen, die dies tun können sind die führenden Politiker. Anstatt die Spekulanten zu hofieren, täten sie besser daran sich für die Arbeitnehmer einzusetzen, für jene die tagtäglich den realen wirtschaftlichen Reichtum produzieren.

Aktuell: Habt Ihr nicht den Eindruck, dass es diesbezüglich auf Ebene des G20 einen Bewusstseinswandel gibt?

JCR: In der Tat scheint auf dieser Ebene eine Art Bewusstwerdung stattzufinden. Die Gewerkschaftswelt war positiv überrascht als die Großen dieser Welt beim G20-Gipfel in Cannes plötzlich die Konventionen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) entdeckt haben, dass sie dazu aufgerufen haben die 8 fundamentalen Konventionen zum besseren Schutz der Arbeitnehmer in der ganzen Welt zu unterzeichnen und dass sie im Allgemeinen ihre Absicht, die soziale Dimension der Globalisierung zu verstärken, kundtaten. Die Gewerkschaftsbewegung verlangt seit Jahren, dass die ILO in die Verhandlungen der Welthandelsorganisation und des Weiteren in die Entscheidungen des Weltwährungsfonds, der Weltbank usw. einbezogen wird. Noch bleibt aber die Frage offen: Wird hier wirklich etwas über die reinen Absichtserklärungen hinaus geschehen angesichts dessen was derzeit in den OECD-Ländern geschieht? (AdR: Sie finden im Rahmen dieses Artikels einen Auszug in Französisch aus der G20-Erklärung von Cannes).

Aktuell: Und wie steht es um das Luxemburger Sozialmodell des Dreierdialogs? Hat dieses Modell noch eine Zukunft?

JCR: Man muss unterscheiden zwischen dem permanenten Dreierdialog zum Beispiel auf Ebene des Wirtschafts- und Sozialrats sowie in den Institutionen der Sozialversicherung und dem Krisendialog auf Ebene des Tripartite-Koordinationskomitees, kurz der Tripartite. Auf all diesen Ebenen hat die Patronatsseite in der nahen Vergangenheit versucht radikale Forderungen, die die Zerstörung aller Spezifitäten des Luxemburger Modells zur Folge hätten, durchzusetzen, wie zum Beispiel die Abschaffung des Index, die Anpassung der Löhne und Pensionen an die Preisentwicklung also, oder das Infragestellen des auf dem Solidarprinzip basierenden Sozialversicherungssystems. Für die Patronatsvertreter gilt die Devise: Alles oder nichts!

AR: Diese sture Haltung hatte das Scheitern der Tripartite von 2010 zur Folge und die Regierung sah sich gezwungen Zweierabkommen zu schließen. Heute allerdings mehren sich die Zeichen für eine begrenzte Wiederkehr zur Vernunft. Die Patronatsorganisationen scheinen ihren Boykott der Sitzungen in den Institutionen der Sozialversicherung aufgegeben zu haben und wir hoffen, dass sie dies auch was den Wirtschafts- und Sozialrat anbelangt, tun werden. Doch noch steht diese Hoffnung auf wackeligen Füssen. Der OGBL ist der Meinung, dass der Sozialdialog von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung des Landes ist. Wir müssen unser luxemburgisches Modell und alle Instrumente, die es uns gibt, verteidigen. Ein kleines Land wie Luxemburg kann nur weiterkommen wenn alle Hauptakteure sich im Wesentlichen einig sind.

Aktuell: Sollte man nicht angesichts der zögerlichen Haltung eines der Schlüsselpartner dieses Dialogs, der Arbeitnehmer, einen neuen nationalen Konsens über die Grundpfeiler unseres Luxemburger Sozialmodells suchen und um welche Elemente könnte es sich handeln?

JCR : Genau! Wir müssten uns erneut auf die Kernpunkte des Luxemburger Sozialmodells einigen, die ich folgendermaßen zusammenfassen würde:

  • ein leistungsfähiges System zur sozialen Absicherung d.h. ein öffentliches System mit universaler Abdeckung und qualitativ hochwertigen Leistungen. Dieses System hat den Vorteil ein wirtschaftliches und soziales Abdriften zu verhindern;
  • eine Lohnpolitik, welche die Kaufkraft schützt, welche den Arbeitnehmern einen gerechten Anteil an den erwirtschafteten Gewinnen zukommen lässt und welches der realen Lage der Unternehmen und Wirtschaftssektoren Rechnung trägt;
  • einen politischen und sozialen Willen eine gerechte Verteilung des geschaffenen Reichtums zu garantieren, eine Lohnhierarchie aufrechtzuerhalten, die eine starke Lohnmittelschicht begünstigt und die das Phänomen der «working poor» und der Prekarität durch eine angepasste Steuer-, Sozial- und Familienpolitik sowie durch eine Bildungspolitik die von der doppelten Sorge um Chancengleichheit und Qualifikation einer größtmöglichen Anzahl von Menschen getragen wird, verhindert.

Aktuell: Liebe Kollegen, wir danken Euch für dieses interessante Gespräch.


Extrait de la déclaration finale du G20 publié le 4 novembre 2011 à Cannes

Favoriser l’emploi et la protection sociale

3. Nous sommes fermement convaincus que, pour rétablir la croissance et la confiance, l’emploi doit être au cœur des mesures et des politiques que nous adoptons dans le Cadre pour une croissance forte, durable et équilibrée. Nous sommes déterminés à intensifier nos efforts pour lutter contre le chômage et  encourager la création d’emplois décents, notamment pour les jeunes et ceux qui ont été le plus touchés par la crise économique. Par conséquent, nous décidons de mettre en place un groupe de travail du G20 sur l’emploi, qui s’intéressera prioritairement à l’emploi des jeunes, et qui alimentera les travaux de la réunion du G20 des Ministres du travail et de l’emploi en 2012 sous présidence mexicaine. Nous avons chargé des organisations internationales (FMI, OCDE, OIT, Banque mondiale) de rendre compte aux Ministres des finances des perspectives d’emploi dans le monde et de la manière dont notre programme de réforme économique dans le cadre du G20 contribuera à la création d’emplois.

4. Nous reconnaissons qu’il est important d’investir dans des socles de protection sociale définis au niveau national dans chacun de nos pays, notamment l’accès aux soins médicaux, la sécurité des revenus pour les personnes âgées et les personnes handicapées, les allocations familiales, une garantie de revenu pour les chômeurs et l’assistance aux travailleurs pauvres. Ces socles permettront de renforcer la résilience de la croissance, la justice et la cohésion sociales. À ce titre, nous prenons note du rapport du Groupe consultatif mondial sur le socle de protection sociale, présidé par Madame Michelle Bachelet.

5. Nous nous engageons à promouvoir et faire respecter les principes et droits fondamentaux au travail. Nous félicitons l’OIT et nous l’encourageons à continuer de promouvoir la ratification et la mise en œuvre des huit conventions fondamentales de l’OIT.

6. Nous sommes résolus à renforcer la dimension sociale de la mondialisation. Les questions sociales et l’emploi, tout comme les questions économiques, monétaires et financières, continueront de faire partie intégrante de l’action du G20. Nous demandons aux organisations internationales de renforcer et de rendre plus efficace leur coordination. Dans la perspective d’une plus grande cohérence de l’action multilatérale, nous encourageons l’OMC, l’OIT, l’OCDE, la Banque mondiale et le FMI à renforcer leur dialogue et leur coopération.

7. Nous sommes convaincus du rôle essentiel du dialogue social. Dans ce contexte, nous nous félicitons de la tenue des réunions B20 et L20 sous présidence française et de la volonté de ces enceintes de travailler avec nous, comme l’indique leur déclaration commune.

Soziale Absicherung stärken, Kaufkraft erhalten, statt die Krise zu verschärfen!

Jean-Claude Reding, président de l’OGBL
Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL

Soziale Absicherung stärken, Kaufkraft erhalten, müsste jetzt die Leitidee des politischen Handelns sein, anstatt durch eine überzogene und sozial-ungerechte Sparpolitik die Krise zu verschärfen, eine Krise an deren Ursprung nicht Staatsschulden, sondern Spekulation, unverantwortliche Risikobereitschaft der Finanzwelt, Deregulierungswahn und Profitgier standen. Es ist ein Skandal, dass zugelassen wird, dass diejenigen, die am Ursprung der Finanzkrise von 2008 stehen, sich jetzt auch noch durch überzogene Zinsen auf Staatsanleihen eine goldene Nase verdienen.

Die Gewerkschaftsbewegung sowie kritische Wirtschaftswissenschaftler haben seit Beginn der Krise darauf hingewiesen, dass eine solche Politik geradewegs zu einer neuen Rezession, schlimmer, zu einer Depression, wie in den 30-ger Jahren des vorigen Jahrhunderts, führen wird.

Im Gegenteil, es gilt heute die soziale Absicherung der Menschen zu stärken, es gilt die Kaufkraft der Masse der Arbeitnehmer und Rentner zu erhalten und eine gerechte Steuerpolitik zu betreiben, eine Steuerpolitik, die dafür sorgt, dass hohe Einkommen und große Vermögen sowie Profite, die nicht reinvestiert werden, stärker als heute besteuert werden.

Auch in Luxemburg heißt es aufpassen und nicht durch eine falsche Sparpolitik die Krise verschärfen.

Deshalb wehrt sich der OGBL gegen strukturelle Änderungen in unserem Indexsystem.

Wenn das Benzin aus dem Warenkorb entfernt werden soll, weil es zu übermäßigen Schwankungen in der Preisentwicklung führt und zu indexbedingten Kosten für die Betriebe, die auf dem nationalen und regionalen Markt arbeiten, dann stellt sich übermorgen die Frage, warum nicht auch das Heizöl aus dem Warenkorb entfernen, und danach Gas, Elektrizität oder Weizenmehl und andere Nahrungsmittel, die auf den internationalen Märkten gehandelt werden und auf denen genau wie auf den Energieprodukten spekuliert wird. Wäre es nicht umgedreht notwendig, aktiv gegen die internationale Spekulation aufzutreten und hierzulande auf den Preisen auf die wir Einfluss haben, insbesondere auf Preise, die von Staat und Gemeinen aber auch von staatseigenen Betrieben festgelegt werden, mäßigend einzuwirken.

Der Index soll die Preisentwicklungen der Konsumgüter messen, neutral und möglichst nahe an den durchschnittlichen Verbrauchergewohnheiten. Die mit diesem Konsumindex gemessenen Preise haben wenig mit der Wettbewerbsfähigkeit der exportierenden Betriebe zu tun, diese hängt mehr von den Preisen der Materialien ab,  die verarbeitet werden, vom Preis des Euro gegenüber dem Dollar, den Zinssätzen, die für Investitionskredite verlangt werden, den Mietpreisen, den Infrastrukturkosten usw. als von der Entwicklung des Lohnindexes.

Natürlich wären ArcelorMittal, BGL BNP Paribas, Dupont, Goodyear, PWC, Dussmann, IEE, SES, RTL, Dexia, und morgen die liberalisierten Staatsbetriebe Enovos, P&T, CFL und Filialen froh, wenn sie auf Kosten der Lohnentwicklung ihre Gewinnspannen ausdehnen könnten, um die Dividenden für ihre Aktionäre und die Bonuszahlungen für das Management erhöhen zu können. Deshalb fordern die Spitzenvertreter des Patronats, deren Einkommen mit oder ohne Index in den letzten 10 Jahren viel stärker gewachsen sind als die Durchschnittseinkommen ihrer Arbeitnehmer, schamlos, dass während zwei Jahren keine Indextranche erfallen soll und dass danach bestenfalls noch der Mindestlohn indexiert bleibt. Und deshalb wird es mit dem OGBL keine derartige Regelung geben.

Bei der Indexdiskussion geht es nicht um soziale Gerechtigkeit, es geht darum ein System kaputt zu machen, welches dafür sorgt, dass es einen Inflationsausgleich gibt. Wenn nämlich die Gewerkschaften Steuergerechtigkeit verlangen und darauf hinweisen, dass Einkommensgerechtigkeit nicht über den Index erreicht werden kann, sehr wohl aber über eine umfassende Steuerreform, herrscht Stillschweigen in der Tripartite. Warum wurde dann eine Krisensteuer für alle eingeführt, anstatt eine Sondersteuer auf allen Einkommen über 200.000 oder 250.000 €, wie es der OGBL vorschlug?

Leider müssen wir feststellen, dass auch in vielen politischen Kreisen, quer durch alle im Parlament vertretenen Parteien, von der Linken einmal abgesehen, großes Verständnis für eine strukturelle Verschlechterung des Indexsystems besteht. Der OGBL wird trotzdem unser Indexsystem verteidigen. Seit 2006 wehren wir uns gegen die Versuche unser Indexsystem auszuhebeln, zu verschlechtern. Bislang ist uns dies gelungen, auch wenn wir Verschiebungen hinnehmen mussten. Das System blieb erhalten und wir werden es weiter verteidigen. Es ist im Interesse der Arbeitnehmer und der Rentner.

Es ist wichtig die Kaufkraft und die soziale Absicherung der Arbeitnehmer und der Rentner auf einem hohen Niveau zu erhalten. Sozialabbau und Kaufkraftverlust schaffen und erhalten keine Arbeitsplätze, sondern zerstören Arbeitsplätze.
Kaufkrafterhalt und gute Renten sowie gute soziale Leistungen bei Krankheit, Unfall, Behinderung, bei Arbeitslosigkeit sind auch eine Frage der Gerechtigkeit, denn es sind nicht die Arbeitnehmer und die Rentner, die Schuld an der Krise haben. Warum sollen sie für eine Krise zahlen, die sie nicht verursacht haben?

Kaufkrafterhalt ist ebenfalls wichtig für die luxemburgische Wirtschaft, denn ein Einbruch der Kaufkraft wird auch die Geschäftsleute, die Handwerksbetriebe und Unternehmen, die für den lokalen und den regionalen Markt arbeiten,  schwer treffen.

Deshalb darf der Index nicht ausgesetzt werden, deshalb darf der Warenkorb nicht manipuliert werden.

Deshalb ist es notwendig die gute Finanzsituation des Staates zu nutzen, um die Menschen möglichst gut gegen die Krisenauswirkungen zu schützen.

Deshalb ist es wichtig unser Rentensystem zu verteidigen, unsere Pflegeversicherung und unsere Krankenversicherung abzusichern, deren Leistungen nicht zu verschlechtern, sondern im Gegenteil zu verbessern. Hier bleibt sowohl im Pflegebereich als auch bei der Krankenversicherung noch viel zu tun.

Deshalb muss auch etwas in der Familienpolitik geschehen. Das Kindergeld kann nicht dauerhaft auf dem Niveau von 2006 eingefroren bleiben.

Deshalb gilt es auch in der Steuerpolitik Anpassungen zugunsten der Arbeitnehmer vorzunehmen zum Beispiel durch eine Anhebung der Steuerkredite und des Kinderbonus.

Wichtig sind auch qualitative Verbesserungen beim Mitspracherecht der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften auf ihrem Arbeitsplatz. Ein qualitativ hochwertiger Sozialdialog ist im Interesse der Beschäftigungspolitik, der Produktivitätsentwicklung, der Innovationsfähigkeit der Betriebe. Die Regierung muss auch in diesem Bereich kurzfristig handeln. Zu viel Zeit wurde schon verloren. Auch dies ist ein Thema für die Tripartite.