“Die Stahlindustrie ist ein Teil von Luxemburg und das soll auch so bleiben”

Auch der den ganzen Tag andauernde strömende Regen konnte die Solidarität, die sich in kürzester Zeit mit den von Schließungen und Entlassungen bedrohten Stahlarbeitern der ArcelorMittal-Werke gebildet hatte, nicht brechen. So fanden sich an den vier Hauptstandorten Esch/Belval, Schifflingen, Rodange und Differdingen neben Gewerkschaftern, Militanten und Sympathisanten, zahlreiche Politiker, aktive und pensionierte Stahlarbeiter sowie hunderte von Beschäftigten der Südgemeinden ein, um gegen die Strategie der ArcelorMittal-Direktion Werke hierzulande zeitweise stillzulegen oder zu schließen, zu protestieren. Insgesamt nahmen etwa 3.000 Personen an den vier Kundgebungen teil.
Ziel des Warnstreiks war die Absicherung der Zukunft der Luxemburger Stahlindustrie und all ihrer Standorte.

Investitionen in die Luxemburger Stahlindustrie statt Stilllegungen

“Die Stahlindustrie ist ein Stück Luxemburg. Sie ist ein Stück von uns allen. Und das soll so bleiben”, lautete der Tenor aller Redner bei den verschiedenen Kundgebungen. Viel Applaus, kämpferische Zwischenrufe, Forderungen nach staatlichem Druck auf ArcelorMittal, Unverständnis auf den Gesichtern der Menschen, die sich Luxemburg ohne Stahlindustrie nicht vorstellen können, Zorn gegen Besitzer und Aktionäre, die den Hals nicht voll genug bekommen können, das alles charakterisierte die Atmosphäre bei den Protestversammlungen vor den Portalen der “Schmelzen”.

Ja, nicht nur die Stahlarbeiter kämpfen für ihre Arbeitsplätze. Mit ihnen kämpft ein ganzes Land. So ist es dann ein Kampf der Stahlarbeiter für Ihre Arbeitsplätze, doch auch für die Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftszweigen. Denn die Stahlindustrie ist ein unverzichtbares Standbein der luxemburgischen Industrie und Wirtschaft. Tausende Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt von ihr abhängig. Und sie trägt maßgeblich zum allgemeinen Wohlstand Luxemburgs, seiner Bevölkerung  und dem der Gemeinden bei.

Die Regierung muss alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Schließungen zu verhindern

“Dieser Warnstreik war ein starkes Zeichen an die ArcelorMittal-Direktion “, so Jean-Claude Bernardini, Zentralsekretär des Syndikats Hüttenindustrie und Bergbau des OGBL. “Uns freut besonders, dass der Streik zu fast 100 Prozent  befolgt wurde, die Produktion also stillstand und mehr Leute als gedacht zu den Kundgebungen gekommen sind. Und die große Solidarität, die sowohl zahlreiche Südgemeinden, Geschäftsleute, Studenten, Arbeitnehmer aus dem Gesundheitssektor und viele andere mehr an den Tag legten, stärkt natürlich unsere Aktion. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen bedanken. Unser Druck auf ArcelorMittal wird nun schärfer werden und im Rahmen der nächsten Stahltripartite am 14. Dezember unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden. Doch auch die Luxemburger Regierung ist gefordert.  Sie muss alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Standortschließungen zu verhindern.  Wir verlangen eine Zukunft für die Luxemburger Stahlindustrie”.

Auch in den so genannten Betrieben des Stahlperimeters ArcelorMittal Bettembourg, ArcelorMittal Bissen, ArcelorMittal Dudelange (Ewald Giebel-Galvalange), AMCLE in Differdingen und Circuit Foil in Wiltz setzten die Arbeitnehmer zusammen mit ihren Personalvertretern und ihrer Gewerkschaft Zeichen indem Sie vor den Werken Protestkundgebungen organisierten.

Der vom OGBL  in Luxemburg organisierte Warnstreik  – der LCGB folgte erst später dem Aufruf –reihte sich in einen von der EMB geplanten europaweiten Aktionstag zur Verteidigung der europäischen Stahlindustrie ein.

 

 

OGBL-Exekutive nimmt Stellung zu den Tripartite-Verhandlungen, dem Warnstreik in der Stahlindustrie und der Bildungsreform

Anlässlich seiner Sitzung vom 5. Dezember 2011 befasste sich der Exekutivausschuss des OGBL u.a. mit den Tripartite-Verhandlungen, der Situation in verschiedenen Wirtschaftssektoren, dem Warnstreik in der Stahlindustrie und der Bildungsreform.

Tripartite-Verhandlungen

Die Exekutive stellt fest, dass die europaweite Austeritätspolitik droht, den zaghaften Wirtschaftsaufschwung zu ersticken und dass dies sich auch negativ auf Luxemburg auswirken könnte. Gerade deshalb ist es wichtig die trotz allem günstige haushaltspolitische Lage Luxemburgs zu nutzen, um die wirtschaftliche Aktivität durch konjunkturbelebende Maßnahmen auf einem hohen Niveau zu halten. Dazu gehören auch Maßnahmen zum Erhalt der Kaufkraft der Arbeitnehmer und Rentner. Deshalb lehnt der OGBL jede Form von struktureller Veränderung des Indexsystems wie z.B. eine Veränderung des Warenkorbs ab. Das Indexsystem ist ein wichtiger Faktor des Kaufkrafterhalts und des sozialen Friedens in Luxemburg und dies soll auch so bleiben. Zusätzliche Maßnahmen auf steuerlicher und sozialpolitischer Ebene sind notwendig und möglich. Deshalb begrüßt der OGBL die Rücknahme der Krisensteuer zum 1. Januar 2012.

Im Rahmen der Tripartite-Verhandlungen fordert der OGBL ebenfalls eine längst überfällige Anpassung der Familienleistungen an die Preisentwicklung.

Was den Sozialversicherungsbereich anbelangt, begrüßt der OGBL die Abschaffung der Polyklinikgebühr von 2,50€ zum 1. Januar 2012, verlangt aber, dass der Leistungskatalog im Gesundheitswesen gezielt verbessert wird. Dies sollte insbesondere im zahnmedizinischen Bereich geschehen, da das derzeitige System so teuer geworden ist, dass sich viele Menschen bestimmte Behandlungen gar nicht mehr leisten können. Hier könnte die Krankenversicherung ihrem neuen Namen „Gesundheitskasse“ gerecht werden, indem sie stärker präventive Maßnahmen fördert und die Kosten dafür übernimmt.

Um dem Kaufkraftverlust der pensionierten Menschen abzusichern, darf die zweijährige Anpassung der Renten an die allgemeine Lohnentwicklung, das so genannte „Rentenajustement“ nicht angetastet werden.

Beschäftigungspolitik

Die OGBL-Exekutive begrüßt es ausdrücklich, dass Staatsminister Juncker die Beschäftigungspolitik zum ersten Tripartite-Thema gemacht hat und es damit nicht zugelassen hat, dass die Patronatsvertreter wie 2010 die Tripartite-Verhandlung einzig und allein auf das Indexsystem und die Löhne fokussieren.

Der OGBL plädiert insbesondere für eine konkrete betriebsbezogene Beschäftigungspolitik, um den Jugendlichen einen besseren Start ins Berufsleben zu ermöglichen. Flexibilisierungen im Arbeitsrecht sprich mehr Zeitverträge wie sie der Arbeitsminister ins Gespräch gebracht hat, sind kontraproduktiv und würden die jungen Arbeitnehmer noch mehr in ihren Zukunftsperspektiven verunsichern.

Für den OGBL muss die betriebliche Weiterbildungspolitik im Sozialdialog mit den Personalvertretungen und den Gewerkschaften verbessert werden. Individuelle Weiterbildungsinitiativen von Arbeitnehmern müssen gefördert werden.

Des Weiteren brauchen wir in Luxemburg dringend eine betriebliche Beschäftigungspolitik zugunsten älterer Arbeitnehmer. Anstatt ältere Arbeitnehmer aus der Arbeitswelt hinauszudrängen, sollten die Unternehmen dafür sorgen das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen an die älteren Arbeitnehmer anzupassen. Auch dies kann nur im Sozialdialog gelingen.

Der OGBL möchte auch die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu einem Tripartite-Thema machen. Für moderne erfolgreiche Unternehmen ist es unumgänglich auf Innovation zu setzen und eine besonders gewinnbringende Innovation ist die Einbeziehung der Mitarbeiter in die betriebliche Entscheidungsfindung. Für den OGBL ist Demokratie am Arbeitsplatz auch ein Produktivitätsfaktor. Wir benötigen mehr und bessere Mitspracherechte für die Arbeitnehmer, ihre Vertreter und ihre Gewerkschaften. Die Vorschläge des OGBL sind bekannt – wir brauchen dringend und endlich ein diesbezügliches Gesetzesprojekt.

Solidarität mit den Stahlbelegschaften

Die OGBL-Exekutive begrüßt die außergewöhnlich große Solidarität, die sich in kürzester Zeit in der Bevölkerung mit den von Abbau und Arbeitsplatzverlust bedrohten Luxemburger Stahlbelegschaften gebildet hat. Die Gemeinden, die Geschäfte, die Jugendlichen sowie die Beschäftigten aus anderen Wirtschaftszweigen wie dem Gesundheitswesen und dem Finanzsektor sowie die FNCTTFEL-Kollegen bei der Bahn haben ihre Solidarität in verschiedenster Form zum Ausdruck gebracht.

Der OGBL ruft die Regierung auf, sich endlich einzumischen und nicht tatenlos zuzusehen wie die Produktionsanlagen eingemottet werden, anstatt dass in Zukunftsprodukte investiert wird.

Die OGBL-Exekutive hat sich auch mit der Situation im Bausektor und im Bauhandwerk befasst und seine Unterstützung für die Aktionen der Beschäftigten in diesem Bereich zugesagt. Es kann nicht sein, dass hier versucht wird die Wochenarbeitszeit auf 52 Stunden zu erhöhen. Dies würde uns im Arbeitsrecht um hundert Jahre zurückwerfen!

Bildungsreform

Abschließend befasste sich die OGBL-Exekutive mit der Bildungsreform. Der OGBL versteht den Sinn dieser Reform dahingehend, dass es hier in erster Linie um mehr Chancengerechtigkeit geht. Möglichst viele junge Menschen sollen in Zukunft qualitativ hochwertige berufliche und allgemeinbildende Schulabschlüsse erreichen, die ihnen die nötigen Berufschancen bieten bzw. sie darauf vorbereiten hochwertige Hochschulstudien zu absolvieren.

Vieles deutet allerdings darauf hin, dass die seit ein paar Jahren durchgeführten Reformen diese Ziele nicht erreichen werden, sondern im Gegenteil in eine bildungspolitische Sackgasse führen.

Die Berufskammer der Arbeitnehmer hat beispielsweise vor Monaten ein Reformmoratorium bei der Umsetzung der Reform des Berufsunterrichts angeregt, da die Reform die angestrebten Ziele einer Qualitätsverbesserung so nicht erreichen wird und zu Desillusionierung und Chaos führen wird.

Ähnlich negative Echos kommen aus dem Grundschulbereich. Im Sekundarschulbereich warnen die Lehrer in unzähligen motivierten Gutachten vor den Reformvorschlägen des Ministeriums. Aber auch ihre Einwände werden nicht berücksichtigt.

Die Demonstration von mehr als dreitausend Lehrern am 1. Dezember hat eindrucksvoll unterstrichen, dass die Ministerin auf dem falschen Weg ist. Genausowenig wie man eine Gesundheitsreform gegen die Ärzte und die übrigen Gesundheitsberufler machen kann, genauso wenig kann man eine Bildungsreform gegen die Lehrer machen. Die Ministerin muss sich mit den Gewerkschaften des Lehrpersonals an den Tisch setzen und Bereitschaft zeigen, ihre Reformpläne grundlegend zu überdenken. Sie muss auch zur Kenntnis nehmen, dass die geplante Dienstrechtsreform in weiten Teilen von den Lehrern aller Schulstufen abgelehnt wird und sie gefordert ist zusammen mit ihrem Kollegen aus dem Beamtenministerium, auch in diesem Bereich im Interesse einer zukunftsorientierten Bildungspolitik Alternativen auf den Verhandlungstisch zu legen.

Mitgeteilt vom OGBL
am 5. Dezember 2011

Die Stresstests machen die Atomkraftwerke nicht sicherer und lassen viele Fragen offen

Die Europäische Kommission hat am letzten Donnerstag ihren Zwischenbericht zum EU-Stresstest für die Atomkraftwerke in der Europäischen Union vorgelegt. Dieser Zwischenbericht ist in vielen Punkten noch unkomplett, doch es zeigt sich bereits, dass der EU-Stresstest die Atomkraftwerke auch nicht sicherer machen wird und dass er nicht einmal eine zuverlässige und EU-weit vergleichbare Risikobewertung liefern kann, da wichtige Parameter und Risikoszenarien nicht analysiert werden.

Die Tests analysieren zum Beispiel nicht, was bei einem Flugzeugabsturz passieren wird, und die Risiken eines Unfalls durch Altersschäden und Materialabnutzung im Normalbetrieb werden auch nicht analysiert. Zentrale Fragen für die Bürger, wie z.B. zum Katastrophenschutz (Was ist, wenn in Europa eine Katastrophe wie in Fukushima passiert? Wie kann die Bevölkerung geschützt werden? Wie sieht es mit Notfallplänen aus? Wie wird die Bevölkerung unterstützt werden?), bleiben ebenfalls unberücksichtigt.

Die seit dem 11. September 2001 verstärkt ins Auge gefasste Bedrohungen durch Terrorismus, Sabotage oder Cyberattacken wurden bei diesem Test ausgeklammert und werden in einer getrennten, geheimen Arbeitsgruppe diskutiert.

Die Stresstests analysieren folglich nur einen Teil der technischen Probleme in AKWs: Was passiert bei einem Erdbeben und einer Überschwemmung und wo liegen die Schwachstellen bei einem Stromausfall bzw. einem längeren Ausfall der Reaktorkühlung? Die Tests liefern damit zwar nützliche, aber leider unvollständige Informationen über den Zustand aller AKWs der EU und den Stellenwert der Nuklearsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten.

Eine wichtige Information aus dem Zwischenbericht ist zum Beispiel die Tatsache, dass die EU-Kommission zugeben muss, dass es noch immer keine gemeinsamen EU-Kriterien für eine vergleichbare Analyse der Sicherheit der AKWs gibt, was die Aussagekraft der Stresstest-

Resultate bereits vorab sehr stark in Frage stellt. Zudem erfüllen auch heute noch viele EU-Staaten die bereits im Vorfeld der Fukushima-Katastrophe gültigen EU-Bestimmungen nicht.

Das Nationale Aktionskomitee gegen Atomkraft weist darauf hin, dass 39 der europäischen Reaktoren weniger als 30 Kilometer von Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern entfernt liegen. Auch Luxemburg wäre bei einem Unfall in den französischen Atomzentralen Cattenom (im Süden) oder Chooz (im Westen) oder in der belgischen Atomzentrale Tihange (im Norden) stark betroffen, und im Falle eines GAUs in Cattenom wäre das Land Luxemburg sogar in seiner Existenz bedroht.

Das Nationale Aktionskomitee gegen Atomkraft fordert von der Luxemburger Regierung, dass auch die Frage der externen Notfallpläne in der Europäischen Union diskutiert werden muss.

Das Aktionskomitee hat ein Treffen mit den zuständigen Ministern sowie den Experten der Regierung angefragt, um über den Zwischenstand der Stresstests und über die weitere Vorgehensweise der Luxemburger Regierung betreffend die Laufzeitverlängerung der Atomzentrale in Cattenom informiert zu werden.

Die 31 Mitgliedsorganisationen des Aktionskomitees fordern auch, dass die Ergebnisse des Stresstests und insbesondere der Cattenom-Bericht von Dieter Majer, dem gemeinsamen Stresstestbeobachter der saarländischen, der rheinland-pfälzischen und der luxemburgischen Regierung, in Luxemburg öffentlich vorgestellt werden.

Nationalen Aktiounskomitee géint Atomkraaft*
Pressemitteilung vom 30.11.2011

Kontakt:
Roger Spautz – roger.spautz@greenpeace.org
Dan Michels – dmichels@chd.lu


* Mouvement Ecologique, Greenpeace, OGBL, FNCTTFEL-Landesverband, LSAP, déi gréng, Forum, ADR, déi jonk gréng, DP, FGFC, JSL – Jeunesses Socialistes Luxembourgeoises, Luxemburger Kommission Justitia et Pax, KPL, LCGB, Lëtzebuerger Guiden a Scouten, Transfair-Minka asbl, déi Lénk, attac Luxembourg, Klima-Bündnis Lëtzebuerg, Eurosolar, Syprolux, FNCTTFEL-Jugend, natur&ëmwelt; Adrenalin-déi jonk ADR; Friddensinitiativ asbl, Association Luxembourgeoise de Médecine de l’Environnement (A.L.M.E.N.), CSV, Ligue CTF, Biolabel Lëtzebuerg.

Abschaffung der Poliklinik-Gebühr von 2,50€: Dem Antrag des OGBL wird stattgegeben

Seit ihrer Einführung im Januar 2011 hat sich der OGBL gegen die Zahlung einer Eintrittsgebühr in die Polikliniken von 2,50€ gewehrt und den verwaltungstechnischen Unsinn sowie den geringen Impakt dieser Maßnahme auf die Einnahmen der nationalen Gesundheitskasse (CNS) hervorgestrichen. Der OGBL zeigt sich demzufolge erfreut darüber, dass das Direktionskomitee der CNS diese Gebühr anlässlich seiner Sitzung vom vergangenen 9. November abgeschafft hat. Die Entscheidung zur Abschaffung fiel mit den Ja-Stimmen der Versichertenvertreter sowie der des Regierungsbeauftragten während die Patronatsvertreter gegen eine solche Rücknahme stimmten.

Der OGBL fordert ebenfalls die Abschaffung der halben Krankenhaus-Tagespauschale von momentan 9,72€. Diese Beteiligung wird insbesondere für Aufenthalte in psychiatrischen Tageskliniken erhoben. Der Gesundheitsminister hat kürzlich gelegentlich einer OGBL-Konferenz verlauten lassen, dass er geneigt ist diese Beteiligung ebenfalls abzuschaffen.

Der OGBL bittet letztgenannten Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Direktionskomitees der CNS zu setzen.

Mitgeteilt vom OGBL
am 10. November 2011

Arbeit darf nicht arm machen!

André Roeltgen, OGBL-Generalsekretär
André Roeltgen, OGBL-Generalsekretär

Laut STATEC fällt fast die Hälfte der Bevölkerung Luxemburgs unter die Armutsschwelle. 257.000 Menschen sind betroffen. Dank der staatlichen Sozialtransfers senkt sich diese Zahl auf 83.000. Besonders alarmierend ist dabei die Tatsache, dass im Verlauf der letzten 8 Jahre, das Armutsrisiko nach Sozialtransfers durchschnittlich um +2,7% pro Jahr angestiegen ist! Das ist jährlich ein Plus von 15.000 Menschen!

Die Armut im reichen Luxemburg schreitet voran! Und es trifft immer mehr Menschen, die einer normalen Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Grund hierfür ist einfach: der gesetzliche Mindestlohn liegt unter der Armutsschwelle!

Dass das Einkommen von sage und schreibe 45% der Bevölkerung nur noch durch den Einsatz abfedernder staatlicher Sozialleistungen über die Armutsschwelle gehoben werden kann, hindert weder die Patronatsverbände noch das Wirtschaftsministerium daran weiterhin zu behaupten, dass die Löhne in Luxemburg zu hoch seien bzw. zu schnell anwachsen würden!

Von welcher Wettbewerbsfähigkeit reden sie eigentlich? Soll jenes Land in Europa zum Sieger gekürt werden, das den höchsten Stand an sozialer Armut produziert?

Der OGBL fordert die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Es ist ebenfalls an der Zeit, dass die Politik die Gleichbehandlung von Mann und Frau vor dem qualifizierten gesetzlichen Mindestlohn herstellt. Nur ein Beispiel zu diesem Thema. Warum wird der Reinigungstätigkeit, in der mehrheitlich Frauen arbeiten, weiterhin die Anerkennung des qualifizierten Mindestlohns nach 10-jähriger Berufstätigkeit verwehrt?

Sozialpolitisch fordert der OGBL, dass bei den Familienzulagen die Indexierung wieder eingeführt wird. Seit 2006, dem Jahr ihrer Desindexierung, haben die Familienzulagen und die Zulage beim Elternurlaub über 13% an Wert verloren. Seit seiner Einführung im Jahre 2009 hat der Kinderbonus ebenfalls an Wert verloren. Auch tut eine allgemeine Aufbesserung der Zulagen not, da sie seit langem nicht mehr  an die allgemeine Lohn- und Gehälterentwicklung angepasst wurden.

Armut an der Wurzel bekämpfen und insgesamt mehr soziale Gerechtigkeit schaffen setzen stets eines voraus: die Schieflage bei der wirtschaftlichen Verteilung zwischen Kapital und Arbeit so klein wie nur möglich zu halten.

Mit ihren ständigen Provokationen gegen den Index und gegen die kollektivvertraglich ausgehandelten Löhne und Arbeitsbedingungen trachten die Patronatsverbände danach, dem Salariat einen noch höheren Teil der Produktivitätsgewinne vorzuenthalten.

Der OGBL wird diesen Weg nicht mitgehen. Lohn- und Sozialdumping werden Europa nicht aus der Krise führen. Und was für Europa gilt, gilt auch für Luxemburg.

Die wirtschaftliche Zukunft des Standorts Luxemburg scheitert weder am Index noch an den in Luxemburg bezahlten Löhnen. Im Gegenteil. Bau, Bauhandwerk, Handel und viele andere Dienstleistungsbereiche sind allesamt auf eine kontinuierliche Lohn- und Einkommenspolitik der Bevölkerung Luxemburgs und der Großregion angewiesen.

Die Zukunft des luxemburgischen Banken- und Finanzplatzes hängt von sehr vielen Faktoren ab. Der Index und die kollektivvertraglichen Löhne zählen nicht zu diesen Faktoren.

Und was die Industrie anbelangt, hat vor kurzem die EU-Kommission Luxemburg eine hohe Arbeitsproduktivität  bescheinigt. Doch das verhindert nicht, dass die partikularen Profitinteressen der Mittal-Familie im Begriff sind, große Teile der europäischen Stahlindustrie, die Luxemburgs inbegriffen, kaputtzumachen.

Lakshmi Mittal sind nicht nur die Arbeitsplätze der Stahlbelegschaften egal. Ihm ist auch der Index egal. Er verfolgt andere Ziele. Wann begreift das endlich die FEDIL? Wann stoppt sie endlich das überflüssige, den sozialen Frieden im Land gefährdende  Sperrfeuer gegen die Löhne des Salariats und gegen die Einkommen der Bevölkerung? Wo bleibt der konsequente Kampf der Industriellenföderation für den Erhalt der luxemburgischen Stahlindustrie? Für den Standort Schifflingen. Für den Standort Rodingen. Und für all die anderen Betriebe und Arbeitsplätze, die von der Stahlaktivität abhängen. Und was macht ihrerseits die Regierung gegen die desaströse Strategie der Mittal-Familie? Der OGBL verlangt, dass alle luxemburgischen Stahlstandorte überleben. Mittal muss investieren!

Der OGBL lehnt die Index- und Lohnangriffe der Patronatsorganisationen als überflüssige Provokation ab

Anlässlich seiner Sitzung vom 17. Oktober 2011 befasste sich die Exekutive des OGBL u.a. mit dem Staatshaushalt für 2012, mit der Situation in verschiedenen Großunternehmen wie ArcelorMittal, Dexia-Bil, Luxair-Cargocenter sowie mit der Vorbereitung auf die nächste Tripartiterunde.

Was letzteres Thema betrifft, bedauert die OGBL-Exekutive den neuerlichen Versuch der Patronatsverbände, die Dreierrunde doch noch auf die Indexfrage zu fokussieren. Der Vorschlag einer allgemeinen Desindexierung des Landes und die einhergehende Frontalattacke gegen die Löhne müsse man als reine Provokation verstehen, so die einstimmige Meinung der OGBL-Führung. Die Abschaffung des Index würde gleichzeitig das Luxemburger Modell des Dreierdialogs abschaffen.

Beachtenswerte Unterstützungen für die Unternehmen

Der OGBL macht darauf aufmerksam, dass die Betriebe seit 2006 von staatlicher Seite eine  beachtenswerte Unterstützung in diversen Formen erhielten: die Besteuerung der Betriebe wurde 2008 um einen Prozentpunkt abgesenkt (85 Millionen €); der Droit d’apport wurde abgeschafft (100 Millionen €); der Beitrag zur Unfallversicherung wurde für die Jahre 2010, 2011 und 2012 um 0,1 % abgesenkt und der Ausfall von 20 Millionen € pro Jahr wird vom Staat an die Versicherung gezahlt (Ersparnis für die Betriebe: 60 Millionen €); der Staat bezuschusst seit 2011 während 5 Jahren die Arbeitgebermutualität in Höhe von 25 Millionen pro Jahr (125 Millionen €); die staatliche Beteiligung an den Kosten der beruflichen Weiterbildung in den Betrieben wurde 2011 von 14,5 auf 25% erhöht, was eine Ersparnis für die Betriebe von 20 Millionen € pro Jahr darstellt. Des Weiteren erreichten die Patronatsverbände, dass die Krankenversicherungsbeiträge bis 2014 eingefroren sind. Schließlich haben die Indexverschiebungen den Betrieben über 100 Millionen € an Lohnkosten erspart.

UEL setzt Tripartitegespräche aufs Spiel

Der OGBL stellt fest, dass der Arbeitgeberdachverband UEL trotz dieser großzügigen Geschenke seitens des Staates kein Verständnis für die Errungenschaften, die Mitbestimmung und die Einkommensseite der Arbeitnehmer zeigt. Diejenigen, welche die generell guten Ergebnisse und die vergleichsweise hohe Produktivität der luxemburgischen Unternehmen möglich machen, sollen verunsichert und eingeschüchtert werden, sollen Einkommensverluste erleiden, sollen flexibilisiert werden bis zum Gehtnichtmehr. Der OGBL als stärkster Vertreter der Arbeitnehmer Luxemburgs sagt stopp! Wenn die UEL auf ihrer einseitigen Vorgehenseise beharrt, wenn sie sich weiterhin gegen den Kaufkrafterhalt der schaffenden Bevölkerung, gegen Verbesserungen in Punkto Arbeitsrecht, Arbeitsbedingungen, Reform der Personaldelegationsgesetzgebung sowie gegen Verbesserungen im Sozialrecht stemmt, wenn sie sich für Sozialabbau im Rentenwesen zu Gunsten von Privatversicherungen stark macht, dann ist das Scheitern der Tripartitegespräche vorprogrammiert.

Regierung muss Klartext reden!

Der OGBL fordert die Regierung als Vertreterin der Interessen aller Bürger dieses Landes sowie der 150.000 Grenzgänger, die jeden Tag nach Luxemburg kommen und wesentlich zum Wohlstand dieses Landes beitragen, auf, kritische Bilanzen zu den folgenden Themen vorzulegen, bevor es überhaupt noch Sinn macht, weitere Dreiergespräche zu planen:

1.    Was haben die unterstützenden Maßnahmen an die Betriebe seit 2006 ergeben?
2.    In welche wirtschaftlichen Zukunftsprojekte wurde investiert und mit welchem Ergebnis?
3.    Welche Industriepolitik verfolgt die Regierung? Wie gedenkt sie Luxemburg als Industriestandort zu erhalten, weiter auszubauen und zu diversifizieren?
4.    Welche Strategie verfolgt die Regierung in Sachen Konsolidierung, Diversifizierung und weiterer Ausbau des Finanzsektors?
5.    Hat die Regierung Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, ob es Unterschiede in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität in den verschiedenen Wirtschaftssektoren gibt und was gedenkt sie zu tun, um diejenigen Wirtschaftszweige, die eventuell kränkeln, zu fördern?
6.    Wie steht es um den Logistikstandort?
7.    Inwieweit hat die Regierung dafür gesorgt, dass die Arbeitnehmervertreter und deren Gewerkschaften in strategisch wichtigen Entscheidungsprozessen im Vorfeld eingebunden sind und waren (Beispiele Cargolux; Dexia-Bil; KBL; ArcelorMittal; …)?

Der OGBL erwartet von der Regierung eine klare und verbindliche Sprache in Sachen Indexerhalt, Verteidigung der Kaufkraft, Stärkung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmen, Verteidigung und strukturelle Verbesserung des Mindestlohns, Verteidigung des Prinzips der zweijährigen Anpassung des Mindestlohns und der Renten an die allgemeine Lohnentwicklung, Kampf gegen die hausgemachte Inflation.

Index und Sozialtransfers: Schutzschild gegen Armut

Der OGBL setzt sich grundsätzlich und konsequent für den sozialen Fortschritt ein, nicht aber für den sozialen Status quo und kann auf keinen Fall mit einem solch rückschrittlichen Vorschlag, wie der Abschaffung des Indexsystems einverstanden sein. Der Index, zusammen mit dem luxemburgischen System der Sozialtransfers, sind Garant für den Erhalt der Kaufkraft der in Luxemburg lebenden und arbeitenden Menschen und bilden einen regelrechten Schutzschild gegen die Armut, wie der Statec in seiner rezenten Untersuchung über Arbeit und sozialen Zusammenhalt erneut gezeigt hat. Wer das Land heute desindexieren möchte, will morgen eine Reihe von Sozialtransfers abschaffen oder reduzieren und damit das reiche Luxemburg in zwei teilen: in Arme und Reiche. Dass hierzulande 14,5% Menschen von Armut bedroht sind ist Grund genug weiterhin auf sozialen Fortschritt zu setzen und nicht auf Rückschritt, so der Tenor der OGBL-Exekutive.

In diesem Zusammenhang fordert der OGBL angesichts der ausgezeichneten Entwicklung der Staatsfinanzen die im Jahre 2006 desindexierten Familienzulagen – der Kinderbonus inklusive – mit sofortiger Wirkung an die Preisentwicklung anzupassen und anschließend wieder zu indexieren. Auch die Entschädigung für den Elternurlaub muss wieder indexiert werden. Des Weiteren fordert der OGBL den Arbeitnehmerfreibetrag von 25 Euro auf 50 Euro zu erhöhen, verschiedene Eigenbeteiligungen im Gesundheitsbereich rückgängig zu machen, sowie die Leistungen der Gesundheitskasse insbesondere im zahnmedizinischen Bereich zu verbessern. Im Gegenzug zur staatlichen Bezuschussung der Arbeitgebermutualität verlangt der OGBL schließlich, dass ab dem 1. Januar 2012 der zusätzliche Krankenkassenbeitrag („surprime“), den die Ex-Arbeiter gegenüber den Ex-Privatangestellten zahlen müssen, aufgehoben wird.

Tripratiteabkommen kein absolutes Must

Angesichts der extrem negativen Haltung der Patronatsverbände und deren Besessenheit, alle Besonderheiten des Luxemburger Modells, dem das Land den sozialen Frieden und den ununterbrochenen Weg zum sozialen Wohlstand seit dem Zweiten Weltkrieg verdankt, abzuschaffen, ist die OGBL-Führung der Meinung, dass es nicht unbedingt zu einem Tripartitebeschluss kommen muss. Das einzige was für den OGBL zählt sind die Ergebnisse.

Mitgeteilt vom OGBL
am 18. Oktober 2011