18. Februar 2015: Weltweiter Aktionstag für die Aufrechterhaltung des Streikrechts

droit_de_greve_vignetteDie Gewerkschaften OGBL und LCGB haben sich dem Appell des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) angeschlossen, der den 18. Februar 2015 zum „Weltweiten Aktionstag für die Aufrechterhaltung des Streikrechts“ erklärt hatte.

Das Streikrecht, das Organisationsrecht sowie das Recht auf kollektive Lohnverhandlungen gehören zu den Grundfreiheiten und zu den Menschenrechten. Diese Rechte sind in der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), in den Konventionen Nr. 87 und 98 der IAO, in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung sowie im Internationalen Pakt der Vereinten Nationen, der sich auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bezieht, festgehalten.

Doch ist die Internationale Arbeitskonferenz der IAO seit Juni 2012 in ihren Arbeiten blockiert, weil die Arbeitgeberorganisation es nachdrücklich ablehnt, dass das Streikrecht Teil der Konvention Nr. 87 der IAO ist. Die Arbeitgeber hindern die Konferenz der IAO daran Fälle von schwerwiegenden Verfehlungen zu analysieren, bei denen, in verschiedenen Fällen das Leben der Arbeitnehmer aufs Spiel gesetzt wurde. Sie bringen hierbei juristische Argumente vor, die gegen dieses jahrzehntelang anerkannte Grundrecht in den Schlussfolgerungen der IAO vorgehen.

Im März 2015 muss das Führungsorgan der IAO einen Entschluss fassen, um diesen Konflikt zu schlichten, der einen abschreckenden Einfluss auf den Überwachungsmechanismus der IAO seit Beginn des Konfliktes 2012 hatte. Wenn sie sich nicht einigen können, dann unterstützen OGBL und LCGB, dass der Internationale Gerichtshofs (IGH) um eine Meinung in dieser Affäre gebeten wird, wie dies von der Verfassung der IAO vorgesehen ist. Wenn eine Streitsache zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern oder Regierungen nicht bei der IAO beigelegt werden kann, muss der IGH damit befasst werden, und sollte den Streitfall schlichten. Jedoch ist es so, dass die Arbeitgebervereinigung es ablehnt, den IGH anzurufen. Sie wird dabei von einer Reihe von Regierungen unterstützt.

In diesem Zusammenhang haben OGBL und LCGB über ihr gemeinsames Europasekretariat am 3. Februar an die luxemburgische Regierung sowie an die luxemburgische Unternehmensvereinigung (UEL) geschrieben, um ihnen ihre ernsthaftesten Sorgen mitzuteilen, bezüglich der Konsequenzen einer In-Frage-Stellung des Streikrechts für die Arbeitnehmer. Sie haben die Regierung darum gebeten die Forderungen der Arbeitnehmervereinigung zu unterstützen, indem sie sich öffentlich dazu verpflichtet, das Streikrecht zu schützen, und im Streitfall den IGH anzurufen.

OGBL und LCGB warteten am vergangenen Dienstag immer noch auf eine Antwort sowohl von den Arbeitgebern als auch von der Regierung.

Andeutung eines Sozialdialogs

20150203 Tripartite gouvernement partenaires sociaux-AF

Die national repräsentativen Gewerkschaften, angeführt vom OGBL sowie die „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL), haben sich am 3. Februar 2015 auf Einladung der Regierung mit derselben getroffen, um zusammen die Abkommen vom 28. November 2014 mit den Vertretern der Arbeitnehmer und des Öffentlichen Dienstes sowie vom 14. Januar 2015 mit der UEL zu analysieren.

Im Vorfeld dieses Treffens hatte der OGBL die Regierung davor gewarnt, jeglichen Versuch zu unternehmen, um das am 28. November mit den Gewerkschaften abgeschlossene Abkommen zu verzerren. Der OGBL hatte ebenfalls in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es sich bei diesem Abkommen einfach nur um einen Kompromiss handele, und dass dafür nicht die geringste zusätzliche Gegenleistung zu erwarten sei.

So ist es also mit Genugtuung, dass der OGBL am 3. Februar vonseiten der Regierung die Bestätigung bekam, dass das Abkommen vom 28. November 2015 nicht in Frage gestellt werden könne.

Mitgeteilt vom OGBL am 6. Februar 2015

Die Ursachen des Problems können nicht die Lösung sein

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Die national repräsentativen Gewerkschaften und die UEL sind zum ersten Mal, am Montag, dem 26. Januar, von der Regierung zu einem Gedankenaustausch im Rahmen des Europäischen Semesters eingeladen worden. Das Europäische Semester dient als Koordinierungs- und Überwachungsinstrument der Wirtschafts- und Strukturpolitik sowie der Haushalts- und Sozialpolitik, mit dem Ziel, dass die Nationalpolitik eines jeden Mitgliedstaates dazu beiträgt, dass die gemeinsamen Ziele, im Rahmen der Europäischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion, erreicht werden. Diese erste konsultative Sitzung stand unter der Schirmherrschaft des Wirtschafts- und Sozialrates (WSR).

Während die Regierung auf die mehr als zweifelhaften Analysen und Empfehlungen der Europäischen Kommission zurückgekommen ist, die an Luxemburg gerichtet wurden, so hat die UEL ihrerseits wissen lassen, dass sie vollständig zu diesen Empfehlungen stehe und, dass sie ihrerseits die sogenannte Notwendigkeit unterstützte, die „Haushaltsanstrengungen“ zu verstärken, indem sie zu einer weiteren Verschlechterung des Rentensystems aufrief und indem sie sich dafür einsetzte, dass das „Gehältersystem“ nach unten revidiert wird (die automatische Indexierung der Gehälter einbegriffen).
Die Gewerkschaften, angeführt vom OGBL, haben sich natürlich gegen diese von der Europäischen Kommission empfohlene Herangehensweise gewehrt, mit der Bemerkung, dass sie selbst anerkennt, dass die „Anstrengungen“, die bisher unternommen wurden, zu keinem Ergebnis geführt hat. Die Gewerkschaftsfront hat auf diese Weise unterstrichen, dass zahlreiche Strukturreformen, die in den vergangenen Jahren umgesetzt wurden, und die laut Kommission weiterhin durchgeführt werden sollten, Teil des Problems sind und also sicherlich nicht zur Lösung des Problems beitragen können. Indem diese Reformen die Löhne herabgesetzt und die Sozialversicherungen verschlechtert haben, haben sie in der Tat die Krise verstärkt und sind schließlich verantwortlich für die schlechte Konjunktur, die Europa zurzeit kennt.

semestre_europeen_2In der Tat, wenn die Mitgliedstaaten Austerität anwenden, indem sie die Gehälter herabsetzen, verschlimmern sie die Situation, indem sie den Export aller untergraben (die vorwiegend von der Nachfrage im europäischen Binnenmarkt abhängig sind). Dies ist eine systemische Gefahr für die gesamte EU. Anstatt einer solchen Politik braucht Europa Investments und gerechte Löhne sowie eine angemessene Sozialversicherung. Wenn die Haushalte Geld haben zum Ausgeben, dann werden sie es ausgeben und damit die Nachfrage an Gütern und an Dienstleistungen ankurbeln. Der Investmentplan der Europäischen Kommission ist insofern ein wichtiges Element, ist jedoch weit von dem entfernt, was er laut dem angekündigten und notwendigen Kurswechsel hätte sein müssen. Darüber hinaus ist es falsch, ausschließlich den Export zu fördern, der nur zu 17% zum BIP beiträgt, indem man die Binnennachfrage vernachlässigt, die ihrerseits 83% des BIP ausmacht. Dies ist natürlich kontraproduktiv, sowohl für die Nachfrage als auch für die wirtschaftliche Aktivität innerhalb der EU.

Wenn Luxemburg auch vergleichsweise gut da steht, was seine Wirtschaft und seinen Haushalt angeht, so hat es dennoch schlechte Sozialzahlen vorzuweisen, wie zum Beispiel im Bereich Arbeitslosigkeit und Ungerechtigkeit. Es scheint also absolut augenfällig, dass die Strukturreformen vorerst zum Ziel haben müssen, die Sozialleistungen des Landes zu verbessern, wobei, was die makroökonomischen Leistungen betrifft, Luxemburg seit Jahren unangefochten den ersten Platz belegt.

Jedoch berücksichtigt die aktuelle Wirtschaftsführung die sozialen Prinzipien nicht. Um hier gegenzusteuern, müssen dem System klare Grenzen auferlegt werden. OGBL, LCGB und CGFP haben sich ebenfalls dafür eingesetzt, dass mehr und bessere Sozialindikatoren im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Die europäische Wirtschaftsführung müsste es ebenfalls ermöglichen, die Entwicklung der Unternehmensgewinne und den Gebrauch, der davon gemacht wird, nachzuverfolgen, anstatt sich ausschließlich auf die Entwicklung der „Lohnkosten“ zu beschränken.

Vorrang hat die soziale Gerechtigkeit

com_nat_27_01_2015_1Der OGBL-Nationalvorstand hat am Dienstag, dem 27. Januar seine erste Sitzung des Jahres abgehalten. Auf der Tagesordnung dieser Sitzung standen unter anderem die Analyse der sozialen und wirtschaftlichen Situation des Landes, die Weiterverfolgung des Abkommens vom 28. November 2014 mit der Regierung, ein Bericht über das Treffen vom 26. Januar 2015 mit der Regierung und der UEL im Rahmen der jährlichen Überprüfung des Wachstums 2015 (europäisches Semester) sowie die Berichte der Berufssyndikate.

Doch kam der OGBL-Nationalvorstand zuerst auf einen Bericht zu sprechen, der kürzlich von der internationalen Organisation Oxfam vorgelegt wurde. Dieser Bericht, der kurz vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos veröffentlicht wurde, gibt einen alarmierenden Überblick über die aktuelle Situation: im Jahr 2014 besaßen 85 Menschen auf der Welt so viel wie andrerseits die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung. Seit dem Beginn der Krise im Jahr 2008, hat dieses Verhältnis sich um sechs Prozentpunkte weiterentwickelt (die 85 größten Vermögen der Welt besaßen zu dem Zeitpunkt so viel wie 44% der Weltbevölkerung). Nie hatten die Ungerechtigkeiten auf der Erde solche Ausmaße erreicht, und sie werden immer größer. Wie es der Nationalvorstand des OGBL unterstrich, wenn es heute eine Priorität gibt, sowohl auf internationaler wie auf nationaler Ebene, so ist das die Frage der sozialen Gerechtigkeit, so wie es deutlich aus diesem Bericht hervorgeht.

Abkommen mit den Gewerkschaften und Abkommen mit dem Patronat: zweierlei Maß

Der OGBL-Nationalvorstand hat sich anschließend im Detail mit dem Abkommen beschäftigt, das am 28. November 2014 zwischen Regierung und Gewerkschaften unterzeichnet wurde sowie mit dem Abkommen, das am 14. Januar 2015 zwischen Regierung und UEL vereinbart wurde. Während die Arbeitnehmer- und Patronatsvertreter am vergangenen 3. Februar sich mit der Regierung treffen sollten, um gemeinsam eine Analyse der beiden Abkommen durchzuführen, bestand der OGBL-Nationalvorstand darauf das offensichtliche Ungleichgewicht der beiden hervorzuheben und hat die Regierung ebenfalls gewarnt.

Die Vereinbarungen, die am 28. November mit den Gewerkschaften getroffen wurden, wurden dies im Rahmen der Vorlage des Budgetprojektes der Regierung für 2015. Ein Budgetprojekt von dem 80% der Maßnahmen direkt die Privathaushalte betraf, und das so wie es vorgestellte wurde, für den OGBL schlicht unannehmbar ist, wenn man die negativen Folgen in Betracht zieht, die es auf dem Sozialplan mit sich gezogen hätte. Nach der Mobilisierungskampagne, die vom OGBL gestartet wurde, hat die Regierung es schließlich akzeptiert, Verhandlungen aufzunehmen, die zu diesem Abkommen geführt haben. Ein Abkommen, wie der OGBL-Nationalvorstand es nochmals wiederholt hat, bei dem es sich ausschließlich um einen Kompromiss handelt, nicht mehr und nicht weniger. Dieses Abkommen hat es ermöglicht, die negativen Konsequenzen des vorgesehenen Maßnahmenpakets abzuschwächen, doch bedeutet dies keinesfalls, dass der OGBL sich mit der von der Regierung eingeschlagenen Haushaltspolitik einverstanden erklärt. Ganz im Gegenteil.

Der OGBL-Nationalvorstand hat ebenfalls unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die einzelnen Punkte dieses Abkommens nicht mehr verhandelbar sind. Da das Abkommen das Ergebnis eines Kompromisses ist, ist mit keiner Gegenleistung seitens der Arbeitnehmer mehr zu rechnen. Abschließend hat der Nationalvorstand bekräftigt, dass keiner der Punkte, die in diesem Abkommen festgehalten ist, die Interessen der Arbeitgeber berührt oder schädigt. Es wurde übrigens besonders auf diesen Punkt bei den Verhandlungen im November Wert gelegt.

Der OGBL-Nationalvorstand stellt jedoch mit Entsetzen fest, dass im Rahmen der Verhandlungen und der Vereinbarungen zwischen Regierung und UEL ganz anders vorgegangen wurde. Außer den Ankündigungseffekten, bei denen es sich um einen sogenannten „Beschäftigungspakt“ handelt, der nur so von der Abwesenheit irgendeines Engagements seitens der UEL glänzt, und so als reine Augenwischerei betrachtet werden kann. Dieses Abkommen enthält tatsächlich auch eine ganze Reihe von Punkten, die die Interessen der Arbeitnehmer direkt angreifen.

Der Nationalvorstand hat in diesem Kontext ganz besonders das Abkommen zwischen Regierung und UEL hervorgehoben, laut dem die Gesetzgebung bezüglich der „Referenzperiode“ und der Arbeitszeitorganisation, reformiert werden müsste um „die Produktivität der Unternehmen zu verbessern“. Der OGBL-Nationalvorstand hat seinerseits mitgeteilt, dass es überhaupt nicht in Frage kommt, eine Flexibilisierung der Arbeitszeit vorzusehen.

com_nat_27_01_2015_2Weiterer sehr umstrittener Punkt im Rahmen des Abkommens vom 14. Januar: die Zusage, die die Regierung zur Abänderung des qualifizierten Mindestlohns gegeben hat, unter dem Vorwand, dass ein Gerichtsurteil bestätigt hat, dass ein Arbeitgeber verpflichtet ist, den qualifizierten sozialen Mindestlohn zu zahlen, und zwar an jeden Arbeitnehmer, der zehn Jahre Erfahrung in seinem Beruf hat. Der OGBL zeigt sich entsetzt über diesen Entschluss und warnt davor, dass nicht an die geringste Verschlechterung des Gesetztes über den sozialen Mindestlohn zu denken ist. Ganz im Gegenteil müsste dieser aufgewertet werden, umso mehr, wenn man die immer größere Zahl der Arbeitnehmer in Luxemburg in Betracht zieht, die unter der Armutsgrenze oder ganz nah daran leben.

Die Mitteilungen des OGBL im Rahmen des Europäischen Semesters

Der OGBL-Nationalvorstand ist anschließend nochmals auf das Treffen vom 26. Januar 2015 mit Regierung und UEL, im Rahmen der jährlichen Wachstumsüberprüfung (Europäisches Semester), zurückgekommen. Der OGBL-Nationalvorstand hat die Regierungsinitiative begrüßt, zum ersten Mal die Sozialpartner in diese Prozedur mit einzubeziehen, und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass eine Reihe von Einwänden, die bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck kommen werden, bei der Regierung auf offene Ohren stoßen werden.

Bei diesem Treffen, unter dem Zeichen der Konzertierung, hat der OGBL, nachdem er die traurige Bilanz der Politik, die während der vergangenen Jahre innerhalb der EU betrieben wurde (schwacher Wachstum, Rekordarbeitslosigkeit, Sozialversicherungsabbau, Verstärkung der Ungerechtigkeiten) gezogen hatte, hat er sich eingesetzt für eine Neuorientierung der Politik, und zwar in Richtung Nachfrage, nicht aber in Richtung Angebot. Dies bedeutet konkret, Schluss mit der Austeritätspolitik, die Überarbeitung einer ganzen Reihe von kontraproduktiven strukturellen Maßnahmen, die jedoch weiterhin von der Europäischen Kommission befürwortet werden. Darüber hinaus bedarf es eines konsequenten Investitionsplans, der es zum Ziel hat, die Kaufkraft der Haushalte zu stärken, und so die innere Nachfrage zu fördern, einziger Garant für das Wachstum innerhalb der EU.

Immer noch sehr angespannte Situation im Flugsektor

Der OGBL-Nationalvorstand hat ebenfalls von der sehr angespannten sozialen Situation im Sektor der zivilen Luftfahrt Kenntnis genommen, und das, obwohl kürzlich eine Übereinstimmung im Rahmen der Erneuerung des Kollektivvertrags bei Luxair gefunden wurde. Der Zentralsekretär des OGBL-Syndikats Zivile Luftfahrt hat berichtet, dass außer den Fällen Cargolux und Luxairport, die sich zurzeit im Schlichtungsverfahren befinden, das Schlichtungsamt zusätzlich im Rahmen des derzeitigen Konflikts zwischen dem Verwaltungsrat der „Agence luxembourgeoise pour la sécurité aérienne“ (ALSA) und ihren Arbeitnehmern, befasst werden musste.

„Weiter so, wir sind auf dem richtigen Weg“

André Roeltgen, Président de l‘OGBL
André Roeltgen, Präsident des OGBL

Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen erreicht eine neue historische Rekordhöhe. Laut der internationalen Hilfs- und Entwicklungs-organisation OXFAM wird im Jahr 2016 die Schieflage bei der Verteilung des Gesamtvermögens in der Welt eine unglaubliche Barriere durchstossen. 1% der Weltbevölkerung wird reicher sein als die übrigen 99%! Und die 80 reichsten Menschen der Welt werden mehr besitzen als die unteren 50% der Erdenbürger. Seit dem Krisenausbruch 2009 ist ihr Vermögen um annähernd 19% (!) in die Höhe geschnellt.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt für 2015 ein weltweites Wirtschaftswachstum von 3,5% voraus. Die Frage, wie dieser durch menschliche Arbeit geschaffene wirtschaftliche Mehrwert verteilt werden wird, ist angesichts der obengenannten Statisitk beantwortet.

Europa ist Teil dieses Ganzen und bewegt sich in die gleiche Richtung. Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau, soziale Armut und Ungleichheit auf dem Vormarsch. Die europäische Wirtschaft tritt auf der Stelle oder steigt bestenfalls nur leicht an. Das Investitionsniveau liegt viel zu tief und es droht die unheilvolle Deflation der Preise. In ihrem „Examen annuel de la Croissance 2015“ stellt die Brüsseler Kommission vieles davon selber fest, nur eines macht sie nicht. Sie stellt die wichtigste Frage nicht: Könnte es nicht sein, dass die von ihr seit Jahren verfolgte Politik der Austerität, des Lohn- und Sozial-dumpings und der einseitig auf Schuldenabbau und auf Ausgabensenkung getrimmten öffentlichen Finanzen die Hauptursache für die marode Situation Europas sein könnte. Dieses Fehlen jeglicher kritischer Überprüfung des eigenen Tuns führt dazu, dass die Kommission den europäischen Menschen nichts anderes als das „Weiter so, wir sind auf dem richtigen Weg“ anzubieten hat.

Der OGBL hat am 26. Januar die luxemburgische Regierung dazu aufgefordert, konsequent für eine neue politische Orientierung zu wirken und sich für die Abänderung jener Spielregeln im sogenannten „Europäischen Semester“ einzusetzen, die gegenwärtig die finanziellen Spielräume der einzelnen Staaten ersticken bzw. viel zu stark einengen. Der europäische Binnenmarkt braucht dringend ein massives Anziehen der Nachfrage. Diese muss über zwei Wege herbeigeführt werden. Zum einen über den Schub öffentlicher Investitionen für eine zukünftige, karbonarme und ressourcenschonende wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Und zum anderen über die Ankurbelung der Kaufkraft der Haushalte. Verschlechterungen im Bereich der Sozialen Sicherheit, bei den Löhnen und bei der Verteilung der Steuerlast sind abzustoppen und umzukehren.

Was für Europa gilt, gilt ebenfalls für Luxemburg. Das Gejammere über den Zustand der öffentlichen Finanzen ist völlig fehl am Platz. Gemäß Eurostat (3. Trimester 2014) hat Luxemburg nach Estland die zweitniedrigste Staatsschuld (22,9% des BIP) in Europa (Durchschnitt: 86,6%) und hat sogar im vergangenen Jahr die Staatsschuld um 5% abgesenkt. Nur Polen und Irland waren „besser“! Der OGBL bleibt deshalb bei seiner Meinung, dass das Sparpaket der Regierung, das zu über 80% die Haushalte trifft, überflüssig ist.

Das Abkommen, das die national repräsentativen Gewerkschaften mit der Regierung am 28. November 2014 unterschrieben haben, schwächt die negativen Konsequenzen des Sparpakets ab, mehr tut es nicht. Der OGBL erwartet von der Regierung, dass sie das Abkommen respektiert und zur zügigen Umsetzung jener Punkte übergeht, die noch umzusetzen sind, wie beispielsweise die Einführung eines Rechts auf Teilzeitarbeit mit kombinierter Teilrente oder die Anhebung der Entschädigung beim Elternurlaub. Es wird vom OGBL keine Gegenleistungen für das Abkommen vom 28. November geben. Die Gegenleistung ist schon vollständig eingelöst worden. Nämlich durch die Befriedung des Konflikts im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushalts für 2015.

Deshalb lehnt der OGBL jegliche falsche Vermischung dieses Abkommens mit jenem strikt ab, das die Regierung am 14. Januar 2015 mit dem Patronat abgeschlossen hat. Und nicht nur das. Letzteres Abkommen beinhaltet Absichten, die für das Salariat in Luxemburg inakzeptabel sind. Der OGBL wird weder eine Verschlechterung der Arbeitszeiten noch des gesetzlichen Mindestlohns für qualifizierte Arbeit zulassen. Die Regierung täte besser daran, eine gesetzgeberische Vorsicht walten zu lassen, um allgemein den sozialen Dialog im luxemburgischen Kollektivvertragswesen zu fördern. Sie sollte sich ebenfalls nicht dazu hinreißen lassen, einseitig Partei für das Patronat des Reinigungssektors zu ergreifen, in dem zurzeit ein schwerer Vertragskonflikt stattfindet. Übrigens, Luxemburg ist europäischer Spitzenreiter beim Armutsrisiko für Menschen in Arbeit (working poor). Es ist deshalb an der Zeit über eine strukturelle Aufwertung des gesetzlichen Mindestlohns nachzudenken.

Angriff der Regierung auf den gesetzlichen Mindestlohn

mindestlohn_vignetteDer OGBL ist empört darüber, dass die Regierung die erneute Reform der Berufsausbildung dazu ausnutzen will, um einen schweren Angriff gegen den qualifizierten Mindestlohn zu fahren. Die am 23. Dezember 2014 von der Regierung angenommene Gesetzesvorlage sieht in der Tat vor, dass Absolventen des CCP (Certificat de capacité professionnelle), sowie des ehemaligen CCM (Certificat de capacité manuelle) und CITP (Certificat d’initiation technique et professionnelle) künftig erst nach sieben Jahren Tätigkeit in ihrem Beruf Anrecht auf den qualifizierten Mindestlohn, statt wie bisher nach fünf Jahren (im Fall des CITP) bzw. nach zwei Jahren (im Fall des CCM/CCP), erhalten sollen. Die Betroffenen, die sich am unteren Ende der Lohnskala befinden, würden also zwei bis maximal fünf volle Jahre Lohnverzicht gegenüber der heutigen Gesetzgebung hinnehmen müssen. Zugleich stellt dies eine Abwertung dieser Diplome dar.

Diese Maßnahme wird nirgends in der Gesetzesvorlage begründet – weder in der Einleitung noch in den Kommentaren zu den einzelnen Artikeln. Tatsächlich gibt es auch keinen objektiven Grund für eine solche Verschlechterung des Rechts auf den qualifizierten Mindestlohn – bei einer mäßigen, phasenweise sogar rückläufigen Reallohnentwicklung, die zur Konsequenz hatte, dass der Mindestlohn um  lediglich 0,1% angepasst wurde; bei Arbeitskosten pro Stunde, die gerade in den betroffenen Sektoren aufgrund der niedrigen Lohnnebenkosten unterhalb jenen in Luxemburgs Nachbarländern liegen, beim weiterhin hohen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Es geht lediglich darum, den qualifizierten Mindestlohn abzuwerten und auszuhebeln. Als Folge wird die Lohnschere immer weiter auseinanderklaffen.

Dieser Angriff liegt ganz auf einer Linie des salariatsfeindlichen Abkommens zwischen der Regierung und der UEL, in dem u.a. das Recht auf den qualifizierten Mindestlohn nach zehn Jahren Berufsausübung als Reaktion auf eine Jurisprudenz, die im Grundsatz die Rechte der Arbeitnehmer bestätigte, als solches in Frage gestellt wird. Nicht nur ist dies ein unakzeptabler Angriff auf die Lohn- und Karriereperspektiven der betroffenen Arbeitnehmer, es ist zugleich ein direkter Eingriff in den laufenden Tarifkonflikt im Reinigungswesen, bei dem die Regierung offenbar einseitig Partei für die Patronatsseite und für dessen Profitstreben auf Kosten der Arbeitnehmer ergreift.

Die Arbeitnehmerkammer hat kürzlich dargelegt, dass Luxemburg europäischer Spitzenreiter bei den „working poor“ ist. So sind die luxemburgischen Arbeitnehmer dreimal stärker dem Armutsrisiko ausgesetzt als etwa ihre Kollegen in Belgien. Für den OGBL muss Armut trotz Arbeit ausgeschlossen sein. Es muss in Richtung einer strukturellen Aufwertung des gesetzlichen Mindestlohns überlegt werden, statt die berechtigten Ansprüche von Arbeitnehmern auf den qualifizierten Mindestlohn oder gar den Mindestlohn als solchen in Frage zu stellen.

Dieser Lohnangriff auf die einkommensschwächste Schicht der luxemburgischen Arbeitnehmer ist inakzeptabel und steht in einem flagranten Widerspruch zum Versprechen der Regierung keinen weiteren Sozialabbau betreiben zu wollen. Und wie soll auf der Grundlage eines solchen politischen Vorgehens der soziale Dialog funktionieren und gegenseitiges Vertrauen wieder aufgebaut werden?