Der OGBL-Präsident nimmt Stellung zu den Parlamentswahlen vom 20. Oktober und den Sozialwahlen vom 13. November

Réception rentrée OGBL - FNCTTFELAnlässlich des Empfangs zur Rentrée am 2. September im Casino syndical in Bonneweg, hat OGBL-Präsident, Jean-Claude Reding, eine Rede sowohl zu den kommenden Landeswahlen am 20. Oktober als auch den Sozialwahlen am 13. November gehalten. Wir veröffentlichen nachstehend die integrale Rede in luxemburgischer Sprache. (…)

Sozialwahlen vom 13. November 2013: OGBL hat Listennummer 1

Am heutigen 16. August fand um 10 Uhr im Arbeitsministerium die Ziehung der Listennummern der einzelnen Gewerkschaften für die Sozialwahlen am 13. November statt. Bei dieser Ziehung entfiel die Listennummer 1 auf den OGBL. Bei den Sozialwahlen sind an die 400.000 Arbeitnehmer aufgerufen ihre Vertreter in der Arbeitnehmerkammer und in den Betrieben zu wählen. Genau wie jetzt werden die im November Neugewählten die Interessen und Errungenschaften des Salariats auf allen Ebenen verteidigen. Deshalb gilt es Liste Nr. 1 zu wählen!
Bei der von dem Präsidenten des Wahlbüros Joseph Faber und dem Vizepräsidenten Carlo Clemens vorgenommenen Auslosung war der OGBL durch seinen Vizepräsidenten Henri Bossi und Carlos Pereira als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands vertreten.

Aufruf des OGBL an die politischen Parteien. Verteidigt das luxemburgische Lohnmodell!

Wer neu anfangen will, der muss das Bewährte mitnehmen.

Im Herbst soll politischer Frühling sein. Dieser kommt nicht zu früh, nachdem in den letzten Jahren die sozialen Beziehungen stark gelitten haben. Gleich zweimal, 2010 und 2011, scheiterte die Tripartite, weil die Regierung vergeblich die Zustimmung des OGBL für strukturelle Verschlechterungen des Index und für andere sozialen Einschnitte haben wollte.

Sollten jene politischen Parteien, die nach dem 20. Oktober die neue Regierung stellen werden, diese Politik fortsetzen wollen, werden sie weder „neu beginnen“, noch unser Sozialmodell festigen und entwickeln helfen.

Wer neu beginnen will, der muss vielmehr einkommens-, sozial- und steuerpolitische Wege beschreiten, die das Langbewährte des luxemburgischen Sozialmodells wieder zum leitenden Prinzip der Politik machen.

In diesem Zusammenhang spielt unser nationales System der Lohnfindung eine zentrale Rolle. Sein originelles Zusammenspiel von gesetzlichem Mindestlohn, Index und Kollektivvertragswesen wahrt seit langem den sozialen Frieden und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Luxemburg.

Zu keinem Moment hat es die internationale noch nationale Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftskraft der Luxemburger Betriebe in Frage gestellt. Den Arbeitnehmern hat es lange Zeit Lohn- und Kaufkraftentwicklungen gesichert, die wenngleich nicht ganz, so doch annähernd der Produktivitätsentwicklung der Betriebe entsprochen haben.

Der OGBL fordert, den Index ohne Abstriche wiederherzustellen. Wer noch?

Seit 2006 gibt es von seiten der Regierung Angriffe auf das Indexsystem. Und seit 2006 steht der OGBL synonym für Gegenwehr und für die führende gesellschaftspolitische Kraft, die sich konsequent für die Zukunft des bewährten luxemburgischen Systems der Lohnfindung einsetzt. Auch nach dem 20. Oktober wird der OGBL diese Linie nicht verlassen.

Und wie sieht die Antwort der politischen Parteien auf dieses wichtige Thema aus? Sie sind aufgefordert den Wählerinnen und Wähler in den kommenden Wochen konkret, d.h. nicht oberflächlich oder schwammig ausweichend zu sagen, ob und wie sie zu unserem nationalen System der Lohnfindung stehen.

An präzisen Fragen, die nach klaren Antworten verlangen fehlt es nicht.

Wollen sie, wie der OGBL es fordert, den normalen Index ohne weitere Manipulationen wiederherstellen oder wollen sie es nicht? Im negativen Fall müssen sie der Wählerschaft jetzt darlegen, wie sie ihn manipulieren bzw. strukturell verschlechtern wollen.

Der „gedeckelte“ Index: der populistische Schein ist in Wirklichkeit eine Umverteilung von unten nach oben.

Lehnen sie, wie es der OGBL tut, den von Staatsminister Jean-Claude Juncker angekündigten „gedeckelten“ Index kategorisch ab und werden sie den Populismus dieses Angriffs auf den Index entlarven ? Beim OGBL besteht volle Klarheit über die desaströsen Folgen für die Arbeitnehmer: der „gedeckelte“ Index entwertet erstens die Löhne der Mittelverdiener, er setzt zweitens die Löhne der Kleinverdiener und den gesetzlichen Mindestlohn massiv unter Druck, drittens bahnt er den Weg für die totale Abschaffung des Index und viertens lässt er die Hoch- und Spitzenverdiener als einzige ungeschoren, weil diese sich auf ihre gewohnte Art und Weise mit ihrem Arbeitgeber arrangieren werden. So einfach ist der Unterschied zwischen dem populistischen Schein und der Realität im Porte-monnaie der meisten Arbeitnehmer.

Und wie halten es die Parteien mit anderen Optionen struktureller Verschlechterungen, wie beispielsweise mit den Manipulationen des Warenkorbs (z.B. Entfernen der Erdölprodukte) oder mit solchen, die den Nichterfall oder das Hinauszögern von Indextranchen an politisch zu jeder Zeit leicht zu deklarierenden wirtschaftlichen „Schwierigkeiten“, oder „Wachstumsschwächen“ oder „Wettbewerbsnachteile“ u.a.m. koppeln wollen?

Hände weg vom gesetzlichen Mindestlohn.

Neben dem Index ist der Mindestlohn der zweite gesetzliche Pfeiler unseres Lohnsystems. Seit 2010 fahren bestimmte Arbeitgeberkreise, von der OECD dazu ermutigt, Angriffe gegen den gesetzlichen Mindestlohn und gegen dessen periodischen Anpassungsmechanismus. Trauriger Höhepunkt dieser Attacken war die skandalöse und absurde Behauptung eines Sprechers der Arbeitgeber, dass der Wert der geleisteten Arbeit der Mindestlohnsverdiener nicht der Höhe des Mindestlohns gerecht werden würde.

Der OGBL fordert die politischen Parteien auf, sich von solchen ideologischen Verirrungen zu distanzieren und sich unmissverständlich zum gesetzlichen Mindestlohn für unqualifizierte und qualifizierte Arbeit zu bekennen. Der gesetzliche Mindestlohn muss weiterhin periodisch an die allgemeine Lohn- und Einkommensentwicklung angepasst werden. Strukturelle Aufweichungen des aktuellen Anpassungsmechanismus sind inakzeptabel.

Das luxemburgische Kollektivvertragswesen: was es ist und was es nicht ist.

Und wie steht es mit dem Kollektivvertragswesen, dem dritten Element des nationalen Lohnsystems? Auch diesbezüglich ist es an der Zeit, an grundsätzliche Fakten zu erinnern, denn es häufen sich in letzter Zeit Verwirrung stiftende Aussagen über das luxemburgische Kollektivvertragswesen.

Dazu nur ein Beispiel, das sich der Wiederholung erfreut: „Für viele Arbeitnehmer, die keinen Kollektivvertrag haben, stellt der Index die einzige Lohnerhöhung dar.“

Unabhängig von der Tatsache, dass der Index keine „Erhöhung“ der Löhne, sondern lediglich eine Anpassung der Löhne und der Kaufkraft an die vorausgegangene Preisentwicklung ist, und unabhängig von der sozialen Ungerechtigkeit, dass es für viele Arbeitnehmer keine realen Lohnerhöhungen gibt, was ja nichts anderes bedeutet, dass in ihren Betrieben die Produktivitätssteigerungen integral in die Taschen ihrer Arbeitgeber fliessen, vermittelt das gut gemeinte Argument für den Erhalt des Indexsystems leider ein falsches Bild über das luxemburgische Kollektivvertragswesen. Es legt nämlich nahe, dass die Kollektivverträge einen Indexverlust auffangen oder „kompensieren“ könnten.

Diese Darstellung ist falsch. Das luxemburgische Gesetz über die Kollektivverträge und seine Verhandlungen ist nämlich grundsätzlich so aufgestellt und konzipiert, dass es von einem intakt funktionierenden gesetzlichen Indexmechanismus ausgeht, diesen als allgemeine Rahmenbedingung voraussetzt. In seiner Struktur und Funktionsweise ist es überhaupt nicht auf die Verhandlung der Anpassung der Löhne an die Inflation ausgerichtet, sondern ausschliesslich auf die reale wirtschaftliche Situation und Produktivität der einzelnen Betriebe bzw. Betriebsbereiche.

Mit anderen Worten: Bei den Kollektivvertragsverhandlungen geht es um die reale Entwicklung der Löhne und der Arbeitsbedingungen – die übrigens je nach Lage der Dinge positiv oder negativ sein kann.

Diese dezentrale Tarifpolitik ist übrigens nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern vor allem auch für die Betriebe in vielerlei Hinsicht von grossem Vorteil.

Wollen wir wirklich diese dezentrale Tarifpolitik abschaffen, einen Schritt, der im Übrigen eine grundlegende Reform der Kollektivvertragsgesetzgebung voraussetzen würde?

Wollen wir allen Ernstes ein Tarifmodell aufgeben, das kombiniert mit dem gesetzlichen Indexmechanismus seit Jahrzehnten dem Land den sozialen Frieden, eine hohe Stabilität der sozialen Beziehungen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes absichern hilft?

Wollen wir durch blinde Attacken gegen den Index das gesamte System der nationalen Lohnfindung unterwandern und den Weg von gefährlichen sozialen Abenteuer einschlagen?

Die Brüsseler „Vorschläge“: Gefährliche Experimente, die nicht im Interesse Luxemburgs sind.

Der OGBL wird diesen Weg nicht mitgehen. Er fordert deshalb alle Parteien und alle Kandidaten, die sich am 20. Oktober zur Wahl stellen und Regierungsverantwortung übernehmen wollen, auf, sich unmissverständlich für die Absicherung unseres nationalen Modells der Lohnfindung auszusprechen.

Und sie sind aufgerufen, sich bei den Wählern und Wählerinnen zu engagieren, dass sie den sogenannten „Vorschlägen“ der Brüsseler Kommission und des Europäischen Rats, die gegen unser Indexsystem und gegen unser nationales Modell der Lohnfindung gerichtet sind, eine ebenso konsequente Absage erteilen.

Vor den Wahlen und nach den Wahlen.

André Roeltgen
Generalsekretär des OGBL

Studienbeihilfen: Unterredung des OGBL mit Ministerin Martine Hansen

Eine Delegation des OGBL, angeführt von Generalsekretär André Roeltgen, hat kürzlich die Ministerin für Hochschule und Forschung, Martine Hansen, zu einem Meinungsaustausch über die Problematik der finanziellen Hochschulstudienbeihilfen getroffen.

Einleitend nannte André Roeltgen die Gründe, die zur aktuellen Lage führten und insbesondere die durch die Abänderung des Gesetzes von 2010 hervorgerufenen Probleme. Durch die Abschaffung der Familienzulagen und die Einführung der Bedingung auf dem nationalen Territorium ansässig sein zu müssen, hat der Luxemburger Staat eine indirekte Diskriminierung der Kinder von Grenzgängern geschaffen.

Der OGBL hatte sich diesen Bestimmungen, die gegen europäisches Recht verstoßen, aufs Heftigste widersetzt und diesbezüglich eine Klage gegen den Luxemburger Staat bei der Europäischen Kommission eingereicht. Der europäische Gerichtshof (EUGH) hat diese Kritiken des OGBL in seinem Urteilsspruch insgesamt bestätigt und verschiedene Denkanstöße gegeben. Der Gerichtshof hat indirekt vorgeschlagen im Gesetz eine Mindestdauer festzulegen während derer der Grenzgänger in Luxemburg gearbeitet haben muss, sich auf die Direktive 2004/38 berufend, die vorsieht, dass Studienbeihilfen für Kinder eingewanderter Unionsbürger einer Residenzklausel von fünf Jahren auf bezüglichem Territorium unterworfen sind.

Die Übergangsbestimmungen werden neue Ungerechtigkeiten schaffen

Infolge des Urteilsspruchs des EUGH, hatte der OGBL vor überstürzten Entscheidungen gewarnt, allerdings vergebens.  Am 9. Juli 2013 hat die Abgeordnetenkammer in aller Eile, wie im Juli 2010, eine Gesetzesabänderung für das akademische Jahr 2013/2014 angenommen, das von nicht-ansässigen Studenten insbesondere verlangt, dass ein Elternteil zum Zeitpunkt der Anfrage ununterbrochen während mindestens 5 Jahren als Arbeitnehmer oder Selbstständiger in Luxemburg gearbeitet hat …“ und dass diese Arbeit „mindestens der Hälfte der normal vorgesehenen Arbeitszeit entsprechen muss …“.

 

Nun aber werfen diese Übergangsmaßnahmen schwerwiegende Probleme auf, und die Unterredung des OGBL mit der Hochschulministerin bezog sich hauptsächlich auf diese Sachverhalte.

Der OGBL verlangt eine sofortige Abänderung der Übergansbestimmungen

Der OGBL zeigt sich erstaunt, dass Regierung und Parlament den Vorschlag des Gerichthofs, dass der Antragsteller der erwähnten Finanzhilfen dem regulären Luxemburger Arbeitsmarkt angehören muss, auf eine so strikt und ausgrenzende Art und Weise wie nur möglich umgesetzt haben.  André Roeltgen führte an, dass man bereits jetzt eine Vielzahl von Fällen erwarten kann, wo Personen trotz einer dauerhaften und anhaltenden Zughörigkeit zum Luxemburger Arbeitsmarkt aufgrund dieser Einschränkungen kein Anrecht auf die Studienbeihilfen haben. Einige Beispiele: (1) Nach 20 Jahren ununterbrochener Vollzeitarbeit in Luxemburg wechselt ein Grenzgänger den Arbeitgeber. Aus unerfindlichem Grund kann es vorkommen, dass er während des Wechsels zwischen den Arbeitgebern an einem Tag nicht angemeldet ist. Sein Kind wird also kein Anrecht auf die finanziellen Hilfen haben obwohl er „dauerhaft“ in Luxemburg arbeitet. (2) Ein Grenzgänger, der sein ganzes Berufsleben in Luxemburg hinter sich gebracht hat, geht in dem Moment in Rente wenn sein letztes Kind seine Hochschulstudien anfängt. Ihm werden die Finanzhilfen verwehrt. Andere Fallstellungen könnten Kinder von Arbeitnehmern betreffen, die Opfer von Sozialplänen wurden, oder die aufgrund eines Arbeitsunfalls zu Invaliden wurden.

Der OGBL verlangt, dass Regierung und Parlament  – die immer noch im Amt sind – alles daransetzen, um dieses Gesetz unverzüglich abzuändern, damit neue Formen von Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen vermieden werden, noch bevor sie geschehen. In Betracht käme die Abänderung der Zeitdauer von ununterbrochenen 5 Jahren in eine „durchgehende oder unterbrochene“ wie es die Arbeitnehmerkammer vorschlägt, eine erweiterte Referenzperiode, oder ganz einfach die Berufung auf die Anmeldung bei der Luxemburger Sozialversicherung, wie dies für die Freiberuflichen der Fall ist.

Der OGBL schlägt strukturierte Konsultationen zur Ausarbeitung des neuen Gesetzes vor

Bezüglich der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes, das für das akademische Jahr 2014/2015 in Kraft treten würde, hat die OGBL-Delegation die Schaffung einer strukturierten Konsultationsmethode verlangt mit dem Ziel zu einer sozialgerechten, dauerhaften Lösung zu gelangen, die im Einklang mit dem europäischen Recht ist. Der OGBL, der aktiv in diese Konsultationsarbeiten eingebunden werden will, wird keine Lösung hinnehmen, die zu direkten oder indirekten Diskriminierungen führen könnte, welche die Kriterien der sozialen Gerechtigkeit  nicht beachten würde und die sich als nachteilig im Vergleich zur Situation von vor 2010 (mit seiner Kombination aus Stipendien, Familienzulagen und Kinderbonus) erweisen würde.

Was die Auswirkungen der Hochschulstudienbeihilfen auf den Staatshaushalt betrifft, warnt der OGBL vor einer reinen Buchhaltermentalität, da Hochschulwesen und Forschung Bereiche darstellen, die von allerhöchster Bedeutung für die Zukunft unseres Landes sind.

Die Ministerin hat nicht geleugnet, dass sich mit Inkrafttreten der Übergangsbestimmungen neue Probleme ergeben werden, hat aber keinen sofortigen Handlungswillen zu deren Vermeidung erkennen lassen. Sie hat den Vorschlag des OGBL strukturierte Konsultationen zwecks Ausarbeitung einer Lösung für die Zukunft einzusetzen begrüßt und nochmals auf die Haushaltsbeschränkungen hingewiesen.

Was nun schlussendlich die Bedingung anbelangt, dass die den Grenzgängern zugestandene Finanzhilfe nicht mit gleichwertigen in den Grenzstaaten gewährten Finanzhilfen kumuliert werden dürfen, glaubt der OGBL herausgehört zu haben, dass der Student, der den Antrag stellt auf jeden Fall den schriftlichen Beweis der Zuerkennung oder Nichtzuerkennung einer solchen Beihilfe in seinem Wohnsitzland erbringen muss . Einzig in Betracht gezogen werden in Frankreich die vom CROUS zugestandenen Hilfen, in Deutschland der BAFÖG und in Belgien die Finanzhilfe.

Mitgeteilt vom OGBL
am 18. Juli 2013

Studienbeihilfen: Konzertierungssitzung zwischen UNEL und OGBL

Kürzlich fand ein Treffen zwischen der nationalen Studentenvereinigung (UNEL) und dem OGBL zu einem Meinungsaustausch über die Problematik der Studienbeihilfen statt. Beide Parteien bedauern, dass die Regierung wiederum in aller Hast eine Abänderung des bezüglichen Gesetzes durchgebracht hat, ohne die Studentenorganisationen und die Gewerkschaften ernsthaft konsultiert sowie das Gutachten der Arbeitnehmerkammer in Betracht gezogen zu haben.

Wenn auch beide Organisationen begrüßen, dass die Regierung die Residenzklausel herausgenommen hat und somit die Kinder von Grenzgängern ab nächstem Schulanfang ebenfalls von den staatlichen Beihilfen für Hochschulstudien profitieren können, sind sie dennoch der Meinung, dass die für selbige zurückbehaltenen Bedingungen unausgegoren sind und zu neuen Diskriminierungen führen werden.

Es handelt sich in der Tat um zwei Bedingungen: 1. dass ein Elternteil des die Studienbeihilfen anfragenden Studenten zum Zeitpunkt der Anfrage ununterbrochen während mindestens 5 Jahren als Arbeitnehmer oder Selbstständiger in Luxemburg gearbeitet hat und 2. dass die luxemburgische Finanzhilfe nicht mit gleichwertigen vom Wohnstaat des Studenten gewährten Finanzhilfen kumuliert werden darf.

Die erste Bedingung könnte wiederum zu Ungerechtigkeiten und folglich zu Gerichtsverfahren führen. So hätten zum Beispiel die Kinder von Grenzgängern, die eine Alters- oder Invalidenrente aus Luxemburg beziehen (und die demzufolge nicht „Arbeitnehmer“ zum Zeitpunkt der Anfrage sind), oder die Kinder von Arbeitnehmern, die eine oder mehrere Unterbrechungen in ihrer luxemburgischen Berufskarriere haben und die so zum Anfragezeitpunkt nicht ununterbrochen 5 Jahre auf dem Luxemburger Arbeitsmarkt tätig waren, kein Anrecht auf die Hilfen. Die Ausführung der zweiten Bestimmung (Anti-Kumul) wird mit Schwierigkeiten verbunden sein und könnte zu einer Art umgekehrten Diskriminierung der ansässigen Studenten führen, da die Anti-Kumul-Klausel die Familienzulagen, die in verschiedenen Ländern weiter an die Universitätsstudenten gezahlt werden, – in Luxemburg aber nicht –, nicht einschließt.

Was das neue Studienbeihilfesystem anbelangt, das die Regierung zum akademischen Jahr 2014/2015 ausarbeiten will, warnen UNEL und OGBL die Regierung und das Parlament vor einem rein buchhalterischen Ansatz. Beide Organisationen bestehen darauf, dass im genannten Fall ein breitgefächertes Konsultationsverfahren eingeleitet wird, um eine nachhaltige, sozialgerechte Lösung zu finden, die diesmal im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht ist. Beide Organisationen werden in Kontakt bleiben und sich kurzschließen, um gegebenenfalls, gemeinsame Vorschläge auszuarbeiten.

Mitgeteilt von OGBL und UNEL
am 11. Juli 2013

„Internationale Solidarität ist fester Bestandteil gewerkschaftlicher Arbeit“

Aktuell: Armand Drews, Sie wurden kürzlich zum Vorsitzenden des „Cercle de Coopération des ONG“ gewählt, eines Verbunds von nichtstaatlichen Organisationen, die im Bereich der humanitären Hilfe tätig sind. Was genau ist der „Cercle de Coopération“?

Armand Drews: In der Charta des „Cercle de Coopération“ sind die Begriffe „soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Menschenrechte“ hervorgehoben. Die derzeit rund 80 einheimischen ONGs, die Mitglied des Cercle sind, haben alle Ziele, die in diese Richtung gehen, zusammenfassend könnte man sagen, dass sie alle im Bereich der Entwicklungshilfe tätig sind.
Die Tätigkeit von ONGs, also von nichtstaatlichen Organisationen, kann in Luxemburg auf eine relativ breite Zustimmung der Öffentlichkeit zählen und findet auch weitgehende Unterstützung und Anerkennung bei staatlichen Stellen.
Es gibt große und kleine ONGs und außerdem ist ihre Diversität ziemlich groß. Was allerdings auch ein Vorteil ist, weil so alle gesellschaftlichen Strömungen im Cercle vertreten sind. Im gemeinsamen Verbund können die kleinen ONGs von der Erfahrung der größeren profitieren.

Aktuell: Was tut der Cercle für die ONGs?

AD: Unser „Bureau d’assistance technique“ leistet logistische Hilfe, hilft z. B. Projekte auszuarbeiten, Budgets aufzustellen, Antragsformulare auszufüllen und Projekte bei den zuständigen amtlichen Stellen zu präsentieren und so staatliche Unterstützung zu beantragen.
Wir vertreten die ONGs bei staatlichen Stellen, beim Parlament und der Regierung sowie der EU.
Darüber hinaus bieten wir auch Formationskurse an und arbeiten an der Sensibilisierung der Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang hat der Cercle anlässlich seiner Generalversammlung im März dieses Jahres einen Appell an die Regierung gerichtet, sich für ein Verbot der Spekulation mit Lebensmitteln an der Börse einzusetzen. Leider ist dieser Appell bis heute ohne Antwort geblieben.
Wir hatten als „Cercle de Coopération“ auch schon eine erste Unterredung mit dem neuen Ressortminister, Marc Spautz, der uns versichert hat, dass er die gute Zusammenarbeit, die wir mit seiner Vorgängerin Marie-Josée Jacobs,hatten, fortzusetzen gedenkt.
Und wir haben kürzlich einen Forderungskatalog an den Minister überreicht, in dem wir die Ziele der Entwicklungshilfe für die Zukunft aufgelistet haben. Dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Vereinten Nationen nicht mehr ausschließlich die Bekämpfung der Armut in den Mittelpunkt der Entwicklungshilfe stellen, sondern viel stärker auch die sozialen und politischen Rechte der Menschen in den Entwicklungsländern berücksichtigen wollen.

Aktuell: Sie wurden als Vertreter der ONG OGBL Solidarité Syndicale an die Spitze des «Cercle de Coopération» gewählt. Ihre ONG ist ja eine relativ kleine und erst seit ein paar Jahren aktiv. Ist Ihre Wahl nicht auch eine Anerkennung für die Arbeit Ihrer ONG?

AD: Das ist sie in der Tat. Der OGBL ist zwar eine große Gewerkschaft, hat aber eine noch relativ kleine ONG. Wir haben unsere Tätigkeit, sozusagen aus dem Stand heraus, vor vier Jahren zusammen mit der OIT der „Organisation Internationale du Travail“ in Genf, begonnen. Die OIT hatte uns damals ein Hilfsprojekt für Ghana vorgeschlagen, das auf dem Prinzip eines „Conditional Cash Benefit Program“ basierte, das eine materielle Hilfe für Personen in Not vorsieht, die allerdings an gewisse Bedingungen geknüpft ist.
In Zusammenarbeit mit der OIT begannen wir dann 2009 mit einem Projekt, das auf Nachhaltigkeit orientiert ist und das Gesundheit, Ernährung und Erziehung von Müttern und Kindern verbessern soll. Wobei man wissen muss, dass die Kindersterblichkeit in Ghana immer noch relativ hoch ist. Sie steht derzeit in einem Verhältnis von 118/1.000 Geburten.

Aktuell: Was genau beinhaltet das Ghana-Projekt? Inwiefern handelt es sich um ein nachhaltiges Projekt?

AD: In der Praxis sieht das Hilfsprogramm, das immer noch läuft, so aus, dass wir ca. 700 schwangere Frauen, die nach Armutskriterien ausgesucht wurden, mit einer Geldprämie unterstützen. Die Bedingungen für diese Unterstützung sind, dass alle Familienmitglieder in die Krankenkasse eintreten müssen, dass alle Frauen sich vor der Geburt ärztlich untersuchen lassen, dass auch nach der Geburt ärztliche Pflege für Mutter und Kind in Anspruch genommen wird, dass die Kinder eine vorgeschriebene Reihe von Impfungen erhalten und dass sie schließlich eine Schule besuchen.
Das Hilfsprogramm, das in Zusammenarbeit mit ghanaischen Regierungsstellen funktioniert, ist auf den Distrikt Dangme West konzentriert, der in etwa die Größe Luxemburgs hat und nicht zu weit weg von der Hauptstadt Accra liegt. Diese geographische Nähe zur Hauptstadt war wichtig, weil das gute Funktionieren des Hilfsprogramms darauf aufgebaut ist, dass unsere Leute vor Ort – wir arbeiten in Ghana mit drei festangestellten Personen – alle zwei Monate in den Distrikt Dangme West fahren und den Frauen ihre Unterstützung bar auf die Hand geben.
Und das ist vielleicht auch das Außergewöhnlichste an diesem Projekt ist, dass wir an Ort und Stelle sind und die Gelder direkt an die bedürftigen Frauen geben. Auf diese Art wissen wir genau, wo die Entwicklungshilfe ankommt: nämlich da, wo sie gebraucht wird.
Ich muss allerdings sagen, dass wir, als wir unser Projekt als neugegründete ONG in Angriff nahmen, auf etwas Skepsis stießen. Man hat uns davor gewarnt, dass wir an Ort und Stelle viele Probleme haben würden, wenn wir versuchen wollten, unser Projekt, sozusagen als Außenstehende, in Ghana selbst in die Hand zu nehmen.
Wir hatten dann aber eine sehr gute Unterstützung von Seiten der ghanaischen Regierung und auch elticher Verwaltungen, so dass wir in kürzester Zeit eine Infrastruktur auf die Beine stellen konnten, die, dank auch unserer Mitarbeiter in Ghana, eine hervorragende Arbeit zu leisten imstande war.
Inzwischen gilt unser Hilfsprogramm bei internationalen Gremien wie Vereinte Nationen und EU als Vorzeige-objekt und wird gerne lobend erwähnt.

Aktuell: Wie steht es eigentlich um die Finanzierung dieses Hilfeprogramms in Ghana, und wie wurde die Tatsache, dass der OGBL eine ONG gründet und sich als Gewerkschaft auf dem Gebiet der internationalen Entwicklungshilfe betätigt, aufgenommen?

AD: Die Akzeptanz für Entwicklungshilfe ist in Luxemburg zum Glück ziemlich hoch. Die finanzielle Unterstützung des Staates für die Projekte der ONGs ist beträchtlich. Ohne die Unterstützung des Ministeriums und des BIT hätten wir unser Programm in Ghana niemals auf die Beine stellen können.
Darüber hinaus sind wir auf Spenden angewiesen. OGBL-Mitglieder, aber auch andere Menschen, können uns monatlich einen Spendenbeitrag überweisen.
Wir haben in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es innerhalb der Gewerkschaft ein Verständnis dafür gibt, dass sich der OGBL, wie es ja eigentlich als Gewerkschaft seine Pflicht ist, verstärkt auf dem Gebiet der internationalen Solidarität betätigt.
Wir wollen aber in dieser Richtung die Menschen stärker sensibilisieren und dabei die Idee stärken, dass Entwicklungshilfe heutzutage keine Form von Wohltätigkeit mehr sein darf, sondern ein Bestandteil des weltweiten Bemühens um soziale Gerechtigkeit sein muss.
Nach diesem Prinzip funktioniert auch unser Projekt in Ghana, das im nächsten Jahr ausläuft und von dem wir uns erwarten, dass es von der ghanaischen Regierung in eigener Verantwortung weitergeführt wird.

Aktuell: Welche Projekte wird die OGBL-ONG als nächste in die Wege leiten?

AD: Inzwischen haben wir ja auch schon ein weiteres Projekt auf den Kapverden begonnen, das dazu beitragen soll, das System der Sozialen Sicherheit, das dort vorhanden ist, zu verstärken. Dies u. a. mit Informationsmaterial, aber auch mit Beratungen an Ort und Stelle.
Und nachdem unser Projekt Ghana im kommenden Jahr auslaufen wird, sind wir dabei, zusammen mit unserer internationaler Organistation „solidar“ und dem BIT, neue Hilfsprogramme vorzubereiten. Diese Projekte enthalten einige pädagogische Konzepte und es wird in erster Linie darum gehen, Menschen in Entwicklungsländern, vor allem auch Frauen, die Möglichkeit zu geben, in sozialen, schulischen und gesellschaftlichen Bereichen verantwortliche Positionen übernehmen zu können.
Was die Bedeutung der ONG für den OGBL angeht, so glaube ich, sagen zu können, dass wir durch unsere gute Arbeit in Ghana und mit unseren Plänen für die Zukunft den Beweis erbracht haben, dass die internationale Solidarität in unserer Gewerkschaft nicht nur einen konkreten Ausdruck sondern auch einen festen Platz gefunden hat.
Wenn wir aber die internationale Solidarität künftig als einen festen Bestandteil unserer gewerkschaftlichen Arbeit ansehen, dann brauchen wir, so denke ich, auch eine feste Struktur der Finanzierung. Das heißt: Nur mit Spenden allein wird sich dieser wichtige Teil unserer Gewerkschaftsarbeit künftig nicht mehr finanzieren lassen.

Aktuell: Herr Drews, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch.