Deutsch-französischer Wettbewerbspakt

Koordinierter Angriff auf unsere Löhne, Pensionen und sozialen Errungenschaften?

Anlässlich des europäischen Gipfels vom 4. Februar 2011, standen die Vorschläge der bundesdeutschen Kanzlerin Merkel und des französischen Präsidenten Sarkozy den Mitgliedsländern der Eurozone strikte Regeln betreffend die öffentlichen Finanzen und Schulden aufzuerlegen im Mittelpunkt der Diskussionen. Die umstrittensten Punkte betrafen die Abschaffung von Lohnindexierungssystemen, die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre, die Lohnpolitik sowie die Festlegung einer maximalen Obergrenze für die öffentlichen Schulden in der Verfassung der Mitgliedsstaaten. Wenn auch der OGBL die Stellungnahme des Luxemburger Staatsministers begrüßt, der insbesondere die Indexierung der Löhne und die Tarifautonomie zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verteidigte, so ist die Gewerkschaft keineswegs davon überzeugt, dass sich das deutsch-französische Tandem so schnell in seinen Bemühungen, eine Politik durchzusetzen, die den Parlamenten und Regierungen der betroffenen Länder kaum noch demokratische Freiheiten zugesteht, geschlagen gibt.

Gemeinsam mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), stellt der OGBL fest, dass das Thema Wettbewerb wieder einmal als Alibi herhalten muss, um überall in Europa Eingriffe in die Tarifverhandlungen zu rechtfertigen, um Lohnsenkungen herbeizuzwingen, um die Indexsysteme in Luxemburg, Belgien und Portugal zu Fall zu bringen und die auf dem Solidarprinzip basierenden Rentensysteme zu schwächen. Dieser Pakt würde im Fall einer Umsetzung zu einer Verarmung eines großen Teils der europäischen Bürger führen.

Angriff auf die demokratische Souveränität

Die Merkel-Sarkozy-Initiative betreffend die Wettbewerbsfähigkeit geht Hand in Hand mit der Einführung des europäischen Semesters, einem neuen, im Januar 2011 umgesetzten europäischen Koordinierungsinstrument der Wirtschafts- und Haushaltspolitiken. Hier geht es darum die Orientierungen der Staathaushalte der Eurozonenmitgliedsländer für das darauffolgende Jahr unter die Brüsseler Lupe zu nehmen, dies noch bevor in den nationalen Parlamenten darüber debattiert wurde. Der OGBL hat diese Praxis bereits in der Vergangenheit als Angriff auf die demokratische Souveränität der Parlamente angeprangert.

Für den OGBL ist es klar, dass all diese Maßnahmen darauf hinzielen die Löhne, d.h. die durch die Arbeit erwirtschafteten Einkommen, schrittweise nach unten anzugleichen – zuerst in der Eurozone, dann in der gesamten Europäischen Union -, die kollektiven Verhandlungssysteme auszuhöhlen und ein auf ein Minimum beschränktes System der Sozialen Sicherheit einzuführen, das nur noch gegen extreme Formen von Prekarität und Armut Schutz gewährt.

Wenn die Löhne herabgesetzt werden und das Rentenalter auf 67 Jahre angehoben wird, ist eindeutig vorhersehbar, dass große Segmente der Bevölkerung nach und nach in zunehmende Prekarisierung und Armut abrutschen werden. Die europäischen Entscheidungsträger, das heißt die europäischen Staats- und Regierungschefs und ihre Minister scheinen von einer Logik des Sozialabbaus getrieben zu sein, einem Willen in kürzester Zeit alles zu beseitigen, was die Eigenart der Marktwirtschaft nach europäischer Art ausmachte und somit ein System zu vernichten in dem die politisch Verantwortlichen über eine gerechte Verteilung des erwirtschafteten Reichtums wachten.

Der OGBL appelliert an die politisch Verantwortlichen

Es sieht so aus als ob die europäischen Politiker sich nur noch der Lobby des Großkapitals unterwerfen und sich nicht mehr von Zielen wie sozialer Fortschritt oder Arbeitnehmerschutz leiten lassen würden. Der Aspekt Sozialpolitik scheint in der europäischen Politik völlig abhanden gekommen zu sein. Anstatt sich für Arbeitszeitverkürzungen einzusetzen – die Wochenarbeitszeit liegt weiterhin in der EU bei 48 Stunden und mehr – attackieren die Politiker überall in Europa das Arbeitsrecht, den Kündigungsschutz. Das Problem der Massenarbeitslosigkeit ist keinesfalls gelöst. Die betroffenen Menschen werden einfach in Niedrigstlohnbeschäftigung gedrückt beziehungsweise werden von Systemen minimalen Einkommens wie in Deutschland Hartz IV über Wasser gehalten.

Der OGBL richtet einen dringenden Appell an alle luxemburgischen Politikverantwortlichen, an die Parteien und ihre Parlamentsfraktionen und fordert, dass diese sich klar und öffentlich gegen die von Deutschland und Frankreich diktierte Politik wehren. Die Arbeitnehmer Luxemburgs möchten weiterhin von dem von ihnen in ihren jeweiligen Unternehmen geschaffenen Reichtum profitieren und nach 40 Beitragsjahren in Rente gehen können. Und die Arbeitnehmer und Pensionierte Luxemburgs möchten weiterhin gegen die inflationsbedingte Wertabnahme ihres Einkommens geschützt sein!


Mitgeteilt vom OGBL
am 7. Februar 2011