Wie die neoliberale Bildungspolitik von Minister Meisch die Chancengleichheit untergräbt am Beispiel der Reform des „cycle inférieur“

Das SEW/OGBL warnte bereits mehrmals vor den desaströsen Auswirkungen, die eine unkontrollierte schulische Autonomie auf die Luxemburger Schullandschaft haben könnte. Im Fall der kürzlich eingeführten Reform des „cycle inférieur“1 im Enseignement secondaire général (ESG) lassen sich diese Auswirkungen deutlich ablesen: Mit dem Verweis auf die schulische Autonomie hat das Unterrichtsministerium die Verantwortung in Bezug auf Umsetzung der Reform weitgehend an die einzelnen Schulen abgegeben, denen es nun überlassen bleibt, die voreilig eingeführte und schlecht geplante Reform umzusetzen.

Das Unterrichtsministerium hat es vor allem versäumt, einheitliche und klare Kriterien in Bezug auf die Bewertung, Leistungsanforderungen, Promotion und Umsetzung der Reform zu formulieren. Diese Gesetzeslücken oder schwammigen Anweisungen werden je nach Schule unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt:

  • Da das Unterrichtsministerium es versäumt hat, die Leistungsanforderungen in Bezug auf die Klassenarbeiten klar zu definieren, bleibt es den einzelnen Schulen überlassen, welche Anforderungen sie pro Kurs und Fach an die Schüler stellen.
  • Obwohl der Gesetzestext einen Kurswechsel zwischen „cours de base“ und „cours avancé“ eigentlich nur nach dem ersten Trimester und nach dem Ende des Schuljahrs vorsieht, lassen manche Schulen diesen Wechsel auch nach dem zweiten Trimester zu.
  • Der Gesetzestext lässt offen, wie nach einem solchen Kurswechsel die Jahresnote in einem Fach berechnet wird.
  • Die Schulen entscheiden selbst, ob ihre Schüler des „cours avancé“ und des „cours de base“ zusammen in einem gemeinsamen Kurs oder in getrennten Kursen unterrichtet werden. In manchen Schulen unterrichtet ein Lehrer die Schüler des „cours de base“ z.B. in einer kleinen Gruppe von unter 15 Schülern, in anderen Schulen werden diese Schüler zusammen mit Schülern des „cours avancé“ von einem Lehrer in einer Klasse von etwa 25 Schülern unterrichtet.

Diese Versäumnisse des Unterrichtsministeriums führen dazu, dass die Schüler je nach Schule auf unterschiedliche Bedingungen und Anforderungen treffen und daher de facto keine Chancengleichheit herrscht.

Das SEW/OGBL warnte bereits mehrmals vor den Auswüchsen einer unkontrollierten schulischen Autonomie und fordert das Unterrichtsministerium dazu auf, endlich seiner Verantwortung nachzukommen: Reformen müssen vor ihrer Umsetzung genau durchdacht und geplant sein; Lehrer, Schüler und Eltern müssen in die Reformen einbezogen werden und im Sinne der Chancengleichheit müssen die gleichen Kriterien und Anforderungen für alle Schulen gelten. Um den Schülern des „cours de base“ im ganzen Land die gleichen Aufstiegschancen in den „cours avancé“ zu bieten, fordert das SEW/OGBL, dass Klassen, in denen Schüler des „cours avancé“ und des „cours de base“ gemeinsam unterrichtet werden, von zwei Lehrern im Team-Teaching unterrichtet werden. Des Weiteren stellt das SEW/OGBL das sehr komplexe Bewertungssystem der Reform in Frage: Viele Schüler und Eltern haben Schwierigkeiten, dieses Bewertungssystem zu durchblicken. In diesem Sinn fordert das SEW/OGBL das Unterrichtsministerium dazu auf, ein transparenteres und leicht verständliches Bewertungssystem einzuführen und Eltern und Schüler umfassend und verständlich über die Reform und ihre Konsequenzen zu informieren.

Mitgeteilt vom OGBL
am 26. Februar 2019


1 In den Fächern Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch teilt die Reform die Schüler je nach Leistung in einen Leistungskurs („cours avancé“) oder einen Aufbaukurs („cours de base“) ein.