Es war keine Demonstration, es war eine Massendemonstration.
Der 4. Juni 2016 hat im luxemburgischen Gesundheits- und Sozialwesen Gewerkschaftsgeschichte geschrieben. Es waren keine 1000, 2000 oder 3000, die vom Geesseknäppchen zum Rousegärtchen defilierten. Nein, es waren über 9000! Ob Gesundheits- und Sozialberufler, ob administratives und technisches Personal, sie alle haben ein sehr klares Signal der Kampfbereitschaft an die Arbeitgeberverbände FHL und COPAS gerichtet.
Die Arbeitgeber sind vom Personal dazu aufgefordert worden, dringlichst den wichtigsten Artikel der beiden Kollektivverträge des Sozial- und Gesundheitswesens, nämlich den Artikel 28, zu respektieren und in einem neuen Kollektiv-vertrag umzusetzen. Konkret bedeutet die Umsetzung des Artikels 28 die Aufwertung der Berufslaufbahnen der Sozial- und Gesundheitsberufler und die allgemeine Anpassung der Löhne in Höhe von 2,2% im FHL-Vertrag und von 3,7% im SAS-Vertrag. Jede weitere Hinhaltetaktik oder Infragestellung der legitimen Forderungen des Personals wird unausweichlich zur weiteren Eskalierung des Konflikts führen.
Die Arbeitgeber haben viel Zeit verstreichen lassen und sie tragen die Verantwortung für die Unzufriedenheit des Personals. Das war völlig unnötig, nachdem sich die Regierung bereits am 28. November 2014 im Abkommen mit dem OGBL und den anderen national repräsentativen Gewerkschaften über den „Zukunftspak“ dazu verpflichtete, den besagten Artikel 28 zu respektieren. Warum sollte die Regierung sich zu einem Vertragsbruch mit hohen politischen Konsequenzen hinreißen lassen? Dafür gibt es zurzeit keine Anzeichen. Der Ball liegt eindeutig bei der COPAS und bei der FHL.
Der OGBL war und ist die absolut treibende Kraft der Kollektivverträge im luxemburgischen Gesundheits- und Sozialwesen. Und zusammen mit dem Personal wird er die Kollektivverträge als wichtigstes Instrument für die Gestaltung der Arbeits- und Lohnbedingungen in diesem für die gesamte Bevölkerung wichtigen Bereich der öffentlichen Dienstleistungen Luxemburgs verteidigen und absichern. Der OGBL steht für ein starkes öffentliches Gesundheits- und Sozialwesen im Dienst aller Bürger. Und ein solches kann nicht auf ein gut qualifiziertes Personal mit gerechten Lohn- und Arbeitsbedingungen verzichten.
Der OGBL – die Gewerkschaft für die Zukunft Unter diesem Motto findet am kommenden 2. Juli in Luxemburg/Kirchberg ein außerordentlicher Kongress des OGBL statt. Die Kongressdelegierten, die alle Strukturen des OGBL vertreten, werden über eine Reform der allgemeinen Statuten zu entscheiden haben. Die Vorbereitungsdiskussionen, an denen viele Mandatsträger der Regionalen, der Berufs-syndikate und der Abteilungen des OGBL sich beteiligt haben, begannen bereits im März des vergangenen Jahres. Wie es unserem Anspruch der innergewerkschaftlichen Demokratie entspricht, wurden sie lebhaft, konstruktiv mit Pro und Contra geführt, stets mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen. Nämlich der Aufstellung des OGBL im Sinne einer zukunftsfähigen und modernen gewerkschaftlichen Vertretung der Interessen des Salariats.
In ihrer 100-jährigen Geschichte haben es die Vorgängerorga-nisationen, zuletzt der LAV, und der OGBL stets verstanden, zum guten Zeitpunkt die richtigen Weichen für die Zukunft der freien Gewerkschaftsbewegung zu stellen. Immer wieder musste sich unsere Gewerkschaft an die neuen Gegebenheiten der Entwicklung von Produktion und Arbeit anpassen. Neue Wirtschaftsbereiche, neue Arbeitsmethoden und Arbeitsinhalte, neue Arbeitsbedingungen, neue Berufe, Ausbildungen und Qualifikationen und sich wandelnde soziale und gesellschaftliche Lebensbedingungen lösen beim Salariat neue Bedürfnisse und Interessen aus. Sie stellen die Gewerkschaft nicht nur vor neue programmatische Herausforderungen, sondern ebenfalls vor neue Aufgaben der gewerkschaft-lichen Aktion, der gewerkschaftlichen Bewusstseinsbildung und Information, sowie der Betreuung und Unterstützung des einzelnen Mitglieds. Und dabei darf keine Generation außen vor gelassen werden. Eine Gewerkschaft, die sich mit ihrer eigenen Funktionsweise und ihres Aufbaus nicht kritisch auseinandersetzt und sich nicht den neuen gesellschaftlichen Realitäten stellt, wird ihre Stärke nicht halten können. Diese Wahrheit gilt auch für den OGBL. Der OGBL braucht keinen radikalen Umbruch. Was er braucht, ist Wandel in der Kontinuität. Unter diesem Zeichen steht der kommende außerordentliche Kongress und seine Statutenreform. Ganz im Sinne seiner 100-jährigen Existenz, die in Luxemburg Sozialgeschichte geschrieben hat.
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