Wie man es mittlerweile von ihm gewohnt ist, machte Finanzminister Luc Frieden auch in diesem Jahr im Vorfeld der Rede zur Lage der Nation, die Staatsminister Juncker am 8. Mai hielt, Stimmung mit negativem Zahlenmaterial. Dem OGBL sind seit 2006 keine Prognosen über die Entwicklung der Staatsfinanzen bekannt, die sich nicht schon nach kurzer Zeit als falsch erwiesen hätten. Der Ausgangspunkt für die negativen Vorhersagen ist systematisch eine vorübergehend schlechte wirtschaftliche Lage. Es werden also zunächst konjunkturelle Gründe für die Verschlechterung ins Feld geführt, um dann zu schlussfolgern, Luxemburg habe ein strukturelles Problem auf der Ausgabenseite, insbesondere beim Sozialstaat. Obwohl in den derzeitigen Prognosen für 2013, 2014 und 2015 schon wieder ein kräftiges Anziehen der Wirtschaft vorhergesagt wird, nahm Minister Frieden ausschließlich die negativen Vorhersagen für 2012 zum Anlass, um strukturelle, d.h. dauerhafte Verschlechterungen im Bereich der Sozialleistungen ins Gespräch zu bringen. Wie man es bei dem CSV-Tandem Frieden-Juncker in der Zwischenzeit auch gewohnt ist, spielt Juncker den Barmherzigkeitspart und schwächt die beißenden Forderungen Friedens ab. Was wiederum „Pitbull“ E.W. Contzen, seines Zeichens Präsident der Bankenvereinigung, auf den Plan ruft, um mit Nachdruck die definitive Beseitigung des Luxemburgischen Sozialmodells zu fordern. Die Friedenschen „Lösungsansätze“ für die so genannte katastrophale Lage des luxemburgischen Staatshaushalts – Luxemburg ist das einzige Land des Euroraums, das immer noch die Maastricht-Kriterien erfüllt! – sollten wieder einmal zu 90% die Lohnabhängigen und Pensionierten treffen, insbesondere die kleinen und mittleren Einkommenskategorien. Am 8. Mai nahm Premierminister Juncker von den radikalen Vorschlägen Friedens Abstand indem er sie weitgehend unberücksichtigt ließ. Das was er allerdings an neuen Sparmaßnahmen vorlegte, kann trotzdem als zweiter Austeritätsplan bezeichnet werden und wird weiterhin zur Erosion der Kaufkraft in Luxemburg beitragen. Insbesondere stört den OGBL die unsinnige Entscheidung, die am 1. Januar 2013 vorgesehene Rentenanpassung an die durchschnittliche Lohnentwicklung der Jahre 2010 und 2011 zu streichen. Diese Maßnahme wird sich kaum auf die staatliche Haushaltslage niederschlagen, aber dafür sorgen, dass die Pensionsreserve weiter wachsen wird. Das was Juncker allerdings vorlegte wird wiederum die Betriebe verschonen und vor allem zu Lasten der Privatpersonen gehen. Und trotzdem klagt Bankenlobbyist Contzen es sei „zu wenig und nichts Konkretes“ (Luxemburger Wort, 9.5.2012). Die Panikmache mit der Staatsschuld Finanz- und Budgetminister Frieden hat bereits mehrfach in der Öffentlichkeit betont, es könne nicht sein, dass der Staat Schulden machen müsse, um die laufenden Kosten zu decken. Diese Idee leuchtet sofort ein, auch dem OGBL. Die Art und Weise wie Luc Frieden allerdings mit dieser Idee argumentiert, lässt seine Zuhörer glauben, es sei gegnwärtig der Fall, dass der Staat Schulden machen müsse, um die laufenden Kosten zu decken. Sogar Premier Juncker sagte anlässlich seiner Rede zur Lage der Nation am 8. Mai „aus den abgeschlossenen Haushaltsjahren 2009 bis 2011 gehe aber eindeutig hervor, dass die öffentlichen Ausgaben die öffentlichen Einnahmen übertreffen und dass an der Aufnahme neuer Staatsdarlehen vermutlich auch in Zukunft kein Weg vorbeiführe“ (Luxemburger Wort, 9.5.2012, Seite 3). Es handelt sich bei dieser Art von Darstellung eindeutig um eine Vortäuschung falscher Tatsachen, um eine Manipulierung der Öffentlichkeit! Es kann nämlich nicht sein, dass die Herren Juncker und Frieden das derzeitige Staatshaushaltsgesetz nicht kennen. Dies Gesetz lässt es gar nicht zu, Staatsanleihen aufzunehmen, um Defizite bei den laufenden Kosten auszugleichen. Artikel 5 des Gesetzes vom 8. Juni 1999 betreffend den Staatshaushalt und die Staatsbuchhaltung besagt, dass Staatsanleihen ausschließlich Investitionsvorhaben dienen dürfen (Art. 5. Les recettes provenant de l’émission d’emprunts ne peuvent servir qu’au financement de projets d’investissements de l’Etat). Die Arbeitnehmerkammer hat die Staatsschuld, Stand 2011, aufgeschlüsselt. Daraus ist nicht zu erkennen, dass auch nur ein einziger Euro Schuld mit der Finanzierung der laufenden Kosten zu tun hat. Von den 7,8 Milliarden Staatsschulden entfallen rund 3,4 Milliarden auf Investitionen, 2,3 Milliarden dienten der Rettung von zwei Banken (Fortis, Dexia), 990 Millionen sind Schulden der Gemeinden, und etwas mehr als eine Milliarde entsprechen staatlichen Garantien, insbesondere mit Bezug auf den Euroraum. (siehe Kasten).
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