Die letzten Wirtschaftsprognosen deuten auf einen wirtschaftlichen Aufschwung hin, zaghaft zwar, aber immerhin. Dies gilt auch und sogar in besonderem Maße für Luxemburg. Das Bruttoinlandsprodukt ist laut Statec im Jahr 2013 um 2,2% gestiegen und soll dieses Jahr um 3,1% steigen. Die Inflation liegt niedrig und wird voraussichtlich in den nächsten Jahren niedrig bleiben. Die Beschäftigungsquote wird weiter steigen. Die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Zahlen nicht schlecht sind.
Statt Lohndumping brauchen wir eine Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive im Interesse der Betriebe und der Beschäftigen
Dennoch machen die Arbeitgeberverbände, insbesondere die UEL, weiter in Katastrophismus. Der Industriellen-verband (Fedil) klagt über Wettbewerbsverluste und führt dies auf die Lohnentwicklung zurück. Mit Blick auf die Tarifabschlüsse in der Industrie ist diese Kritik zumindest mehr als übertrieben, um es gelinde zu sagen. Es wird auch geflissentlich verschwiegen, dass die luxemburgische Industrie im europäischen Vergleich an 9. Stelle bei den Lohnstückkosten liegt, hinter Schweden, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Finnland und Österreich.
Die schwierige Situation im Finanzsektor findet ihre Ursache ebenfalls nicht in den Personalkosten, sondern in dem tiefgreifenden Umstrukturierungsprozess in dem sich der Sektor befindet. In beiden Bereichen brauchen wir eine differenzierte Politik, um den Standort Luxemburg und damit die Arbeitsplätze nicht nur zu verteidigen, sondern weiter zu entwickeln. Dazu gehören Maßnahmen zur Förderung der Innovationsfähigkeit und eine Qualifizierungsoffensive, um Qualität und Produktivität zu steigern. Das geht am besten im sozialen Dialog im Betrieb und in der Branche. Das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium sind in beiden Bereichen gefordert, diesen Dialog zu gestalten. Das ist nicht nur nötig, weil sich die
Arbeitgeberverbände bislang schwer damit tun in diesen Dialog einzusteigen, sondern auch weil die Regierung aktiv in diesen Prozess der Stärkung, der Umgestaltung und der Weiterentwicklung unseres Industriestandorts und unseres Finanzplatzes eingreifen muss. Zusammen mit allen Betroffenen, und das sind die Unternehmer und ihre Verbände, zusammen mit den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften, allen voran dem OGBL. Gute Arbeit braucht einen guten und fairen Lohn
Während der letzten Jahre hat sich die Reallohnentwicklung auf Grund von zahlreichen Null- oder Quasinullrunden bei den Tarifverhandlungen im privaten und im öffentlichen Bereich, auf Grund der verspäteten Auszahlung der Indexanpassung, auf Grund negativer Entscheidungen bei den Familienzulagen und in der Steuerpolitik und insbesondere der kalten Progression der Steuerlast zu Ungunsten der Mehrheit der Arbeitnehmer, verschlechtert. Dies hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Kaufkraft vieler Arbeitnehmer und Rentner gehabt, sondern wirkt sich entsprechend auch negativ auf die Wirtschaftszweige aus, die vom lokalen und regionalen Konsum leben, in concreto, Handel und Handwerk. Deshalb bleibt es auch unverständlich, dass die Spitzenfunktionäre der Handels- und Handwerksverbände in das Lamento der Arbeitgeberverbände aus der Industrie und dem Finanzsektor über die angeblich zu hohen Löhne einstimmen, anstatt sich bspw. über die übertriebenen Miet- und Grundstückkosten zu ärgern, die besonders Klein- und Mittelbetriebe schwer treffen.
In seinen Gesprächen mit der Regierung hat der OGBL unterstrichen, dass es sowohl aus sozialen wie aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus notwendig ist zu einer Trendwende in Sachen Kaufkraftentwicklung zu kommen. Deshalb forderte der OGBL, dass das Gesetz über die Indexmanipulation nicht verlängert wird. Deshalb fordert der OGBL, dass die Steuertabellen an die Inflation angepasst werden und dass die Steuerprogression so gestaltet wird, dass der sogenannte Mittelstandsbuckel ausgeglichen wird.
Gute Sozialleistungen sind ein Garant für sozialen Zusammenhalt und damit auch eine Zukunftsinvestition
Der OGBL unterstrich auch die Bedeutung der Leistungen der Sozialversicherungen für die soziale Absicherung, aber auch für die soziale Gerechtigkeit in unserem Land. Ohne die Sozialleistungen wäre das schon zu hohe Armutsrisiko noch viel höher. Die Desindexierung des Kindergelds und seine Begrenzung auf 18 Jahre haben negative Folgen für viele Familien. Zudem steht diese Politik am Ursprung des politischen Schlamassels über die Studienbeihilfen. Eindrucksvoll hat die luxemburgische Jugend gegen die geplante Reform der Studienbeihilfen demonstriert. Die Regierung wäre gut beraten jetzt nicht wieder vorschnell das Gesetz über die Studienbeihilfen zu ändern, sondern eine solche Reform in Zusammenhang mit der angekündigten Kindergeld- und Steuerreform zu diskutieren. Die Handlungsweise der letzten Regierung hat gezeigt, dass Schnellschüsse teuer werden können. Es gilt daraus zu lernen.
Es gilt die Folgen der Sparpolitik zu beachten – Sparen darf kein Selbstzweck sein!
Es gibt viele gute Gründe eine Politik zu machen, die die Kaufkraft der Menschen erhält, die ihre soziale Absicherung erhält und die in die Zukunft investiert. Deshalb gilt es bei der Aufstellung des Staatshaushaltes für 2015 Augenmaß zu behalten und Abstand von einer Politik zu nehmen, die aus Sparen eine Ideologie macht. Steuergelder effizient ausgeben, effizient investieren ist eine Sache, Sozialabbau, Lohn- und Rentenklau sind eine andere. Deshalb muss es jetzt Schluss sein mit den Indexmanipulationen, deshalb müssen der Mindestlohn und die Renten systematisch angepasst werden, wenn die Lohnentwicklung nach oben zeigt, deshalb brauchen wir eine sozial gerechte Steuerreform. Wir brauchen Reformen für eine bessere, eine menschlichere Arbeitswelt
Es wäre jetzt an der Zeit positive Reformen voranzubringen, beziehungsweise vorzuschlagen, besonders im Bereich des Arbeitsrechts. Die Reform des Personalvertretungsgesetzes muss endlich zu einem positiven Abschluss gebracht werden. Wir brauchen Reformen im Bereich des Kündigungsschutzes, der Gesetzgebung über Maßnahmen zum Erhalt der Beschäftigung, des Schutzes der Arbeitnehmer bei Konkursen. Wir brauchen Reformen, um den Trend zur Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse einzudämmen und umzukehren. Dies ist besonders wichtig für die jungen Menschen, die am meisten unter dieser Entwicklung leiden. Wir brauchen Verbesserungen im Arbeitsrecht, um Arbeit und Familienleben besser vereinbaren zu können. Wir brauchen eine Reform-diskussion über die Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeitswelt auf das Leben des einzelnen Arbeitnehmers. Wir brauchen Reformen, um es älteren Menschen zu erlauben in der Arbeit zu bleiben, wenn sie es wollen und nicht aus der Arbeitswelt herausgedrängt zu werden. Wir brauchen flexible Übergänge aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand. Wir brauchen Reformen, um die Gesundheit auf dem Arbeitsplatz besser zu schützen und hier geht es um mehr als nur um Sicherheit auf dem Arbeitsplatz, hier geht es um den Respekt vor der Arbeit des Einzelnen, um die Qualität der Arbeitsbedingungen und Arbeitsbeziehungen.
Jean-Claude Reding Präsident des OGBL
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