Die Wohnungskrise – eine soziale Krise, die gelöst werden kann…

… wenn die Politik sich von der Illusion befreit, dass das freie Spiel der Marktkräfte sie lösen wird.

Die eklatante Diskrepanz zwischen der Lohn- und der Preisentwicklung im Wohnbereich hat enorme Auswirkungen auf die Situation und die Perspektiven des sozialen Lebens vieler Bürgerinnen und Bürger, die jedes Jahr einen größeren Teil ihrer Kaufkraft für das Wohnen aufwenden müssen.

Die Zahl der akuten Wohnungsnotfälle nimmt zu. Gleichzeitig nimmt das Phänomen der Gentrifizierung zu und verdrängt die einkommensschwächsten Haushalte aus immer mehr Stadtvierteln und Orten.

Doch das Tempo und die Tiefe der politischen Gegenmaßnahmen stehen in offenem Widerspruch zur Entwicklung der Wohnungskrise.

Der durch das Angebotsdefizit verursachte Preis- und Wertanstieg und die Aussicht auf eine langfristig anhaltende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage haben zu einer Spekulationsdynamik geführt, die in der Geschichte des Immobilienmarktes beispiellos ist.

Der sogenannte freie Markt wird die Wohnungskrise nicht lösen, da er zu einem großen Teil für die Entstehung und Verschärfung der Krise verantwortlich ist.

Das Eingreifen des Staates und des Gesetzes in das Funktionieren des Marktes ist nicht nur vertretbar und legitim, sondern aus der Perspektive der Verfolgung des allgemeinen Interesses der Gesellschaft auch notwendig und alternativlos.

Massive Investitionen in den Bau und den Erwerb von öffentlichen Wohnungen

Seit Jahrzehnten entwickeln sich der Bau und Erwerb von öffentlichem Wohnraum und die Aneignung von Grundstücken und Bauland durch den Staat oder die Gemeinden auf einem sehr niedrigen Niveau. Im Vergleich zum gesamten Wohnungsmarkt ist er sogar stark rückläufig. Der OGBL fordert massive Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau, vorrangig in Mietwohnungen.

Steuern: ein Grundstein bei der Bekämpfung der Wohnungskrise

Die Steuergesetzgebung muss zu einem Hebel im Kampf gegen die Spekulation, gegen die Preisexplosion und gegen die Zunahme der sozial ungerechten Verteilung im Bauland- und Immobiliensektor werden.

Alle Bereiche des Grundstücks-, Bau- und Immobilienmarkts, die der spekulativen Nachfrage ausgesetzt sind, müssen einer neuen Steuerregelung unterzogen werden.

Dabei muss, und das ist sehr wichtig, zwischen spekulativer Nachfrage und der Nachfrage zu Wohnzwecken unterschieden werden. Eine höhere Besteuerung des Eigenheims ist in der Tat kontraproduktiv und angesichts der allgemeinen Entwicklung der Wohnkosten sozial nicht vertretbar.

1) Alle Steuervorteile, die die Spekulation in der Bau- und Immobilienbranche anheizen, müssen abgeschafft werden. Kontraproduktive Steuerbestimmungen wie großzügige Abschreibungsmöglichkeiten, eine niedrige Besteuerung von Kapitalgewinnen („Wertzuwachs“) und Steuervorteile, die an die Aufnahme eines Kredits geknüpft sind, müssen abgeschafft oder auf Einfamilienhäuser beschränkt werden.

2) Nationale Steuergesetze sind auch erforderlich, damit der luxemburgische Staat Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, Rechten oder Beteiligungen an ausländischen Körperschaften besteuern kann, die ihren Wert hauptsächlich aus in Luxemburg gelegenen Immobilien beziehen.

3) Neben der Problematik des spekulativen Kaufs und der Hortung von Grundstücken bzw. der Zurückhaltung von Bauland und des Leerstands von Wohnungen spielt der spekulative Kauf von Immobilien eine immer größere Rolle. Die übermäßige Anhäufung von Immobilien als Kapitalanlage mit hohen Gewinnaussichten muss durch die Besteuerung verhindert werden.

Um die übermäßige Akkumulation einzudämmen und die Freisetzung von Eigentum an Grundstücken und Bauland zu fördern, bedarf es daher eines gestaffelten steuerlichen Eingriffs, der unten Steuererleichterungen und oben eine progressive Wirkung vorsieht.

Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten, wie die Einführung einer progressiven Vermögensbesteuerung oder die Einführung einer progressiven Steuer auf Erbschaften in direkter Linie. Aufgrund der krisenbedingten Dringlichkeit scheint die progressive Vermögensbesteuerung im Vergleich zur Erbschaftssteuer der effektivste Weg zu sein.

Die Reform der Grundsteuer könnte in dieser Hinsicht ein Ansatz sein.

Neben der Anpassung der steuerlichen Grundwerte sollte die Regierung die Gelegenheit nutzen, um ein regulierendes Element gegen die spekulative Nachfrage und die übermäßige Hortung von Grundstücken, Bauland und Immobilien in die Reform einzubauen.

Und zwar in Form eines progressiven Steuersatzes, der auf der Grundlage eines Freibetrags progressiv ansteigt, wenn der Gesamtwert des bebauten und unbebauten Grundbesitzes eines Steuerzahlers steigt.

Der progressive Teil der Grundsteuer sollte von einem nationalen Verteilungstopf absorbiert werden. Dieser Topf könnte den Gemeinden und dem Staat für den Kauf von Grundstücken und den Bau von Wohnungen im Rahmen des öffentlichen Wohnungsbaus gemäß gesetzlich festgelegten Verteilungsbestimmungen zur Verfügung gestellt werden. In diesem Sinne würde die Grundsteuer einen wesentlichen Beitrag zur ebenfalls dringend notwendigen massiven Förderung des Baus und Kaufs von Wohnungen in öffentlicher Hand leisten.

Auch die Einführung einer sogenannten „Zurückbehaltungssteuer“ ist geboten. Für Grundstücke, die in allgemeinen Bebauungsplänen enthalten sind, die von den Eigentümern bewusst zurückbehalten und nicht bebaut werden, sowie für Häuser, die seit mehreren Jahren leer stehen (und oft verfallen), ebenfalls aus Gründen, die vom Willen der Eigentümer abhängen.

Eine solche Steuer ist längst überfällig und die Erfahrung hat gezeigt, dass dafür eine nationale Gesetzgebung notwendig ist.

Wie bei der oben vorgeschlagenen progressiven Grundsteuer sollte die Bemessungsgrundlage für die vom Steuerzahler im Falle einer spekulativen Zurückhaltung zu zahlende Grundsteuer gewichtet werden, je nach a) Dauer und b) Ausmaß der spekulativen Zurückhaltung von Bauland oder des Leerstands von Wohnraum.

Ebenso sollte die Grundsteuer im Falle von Zweitwohnsitzen oder der vorübergehenden Vermietung von Wohnraum, insbesondere über digitale Plattformen, besonders gewichtet werden.

Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen schnell greifen und nicht erst in 10 bis 15 Jahren.

Eine weitere sehr wichtige Frage, die sich im Zusammenhang mit der Steuerpolitik bei der Bekämpfung der Spekulation stellt, ist die Besteuerung von Kapitalgewinnen bei der Ausweitung von Baugebieten auf bisher unbebaute Grundstücke.

Die mehrfache Wertsteigerung von Grundstücken, die nicht auf eine produktive Leistung eines privaten Grundstückseigentümers, sondern auf eine öffentliche Entscheidung und öffentliche Investitionen zurückzuführen ist, muss zu einem großen Teil der öffentlichen Hand zugutekommen.

Die Einführung einer hohen Besteuerung dieses Mehrwerts in Verbindung mit einem öffentlichen Vorkaufsrecht und einer Besteuerung gegen die spekulative Zurückhaltung von Bauland ist daher nicht nur legitim, sondern unerlässlich, um den spekulativen Kauf oder die Hortung von Grundstücken wirksam zu bekämpfen.

Darüber hinaus stellt diese Maßnahme eine wichtige Einnahmequelle für die öffentliche Hand dar, um eine offensivere öffentliche Wohnungspolitik zu unterstützen und die erheblichen und kostspieligen sozialen Schäden der Wohnungsspekulation finanziell abzufedern.

Für eine gesetzliche Deckelung und Regulierung der Mieten, die die Mietpreisbremse an die Lohnentwicklung koppelt!

Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf zum Mietvertrag muss kategorisch abgelehnt werden, da er in keiner Weise zur Linderung der Krisensituation beiträgt und in einigen Punkten sogar das Gegenteil bewirken könnte.

Im Zentrum der Kritik steht das Fehlen einer Mietregulierung, die den längst überfälligen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Mieten und der Einkommensentwicklung der Mieterhaushalte herstellen würde.

Die Regierung wird aufgefordert, die derzeitige veraltete und kontraproduktive gesetzliche Bestimmung über die maximale Miethöhe durch eine Bestimmung zu ersetzen, die zumindest die seit 2015 eingetretene Scherenwirkung zwischen der Mietentwicklung und der Einkommensentwicklung der Mieterinnen und Mieter neutralisiert.

Darüber hinaus ist eine gesetzliche Regelung der Maklerkosten erforderlich, die 1) die Kosten von der Preisentwicklung im Immobiliensektor abkoppelt und 2) die Kosten den Vermietern zurechnet, wenn der Makler von den Vermietern beauftragt wird.

Auch eine Reform der Mietkommissionen ist notwendig, da diese erweiterte berufliche Möglichkeiten und Rechte zum Schutz der Mieter und zur Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen benötigen.

Sozial differenzierte Unterstützungsmodelle zur Erreichung der Klimaziele

Im Rahmen der fortschreitenden Dekarbonisierung der Gesellschaft kommt dem Wohnungsbau und der Raumplanung eine sehr große Bedeutung zu, um die auf der Klimakonferenz COP21 (Paris 2015) festgelegten Klimaziele zu erreichen.

Die Vorgaben zur Verwendung umweltfreundlicher Baustoffe, zur Energieeinsparung und – effizienz sowie zur Nutzung erneuerbarer Energien setzen eine Förderpolitik voraus, die sowohl den Neubau als auch die Modernisierung, Renovierung und Sanierung von Altbauten umfasst und dabei die soziale Lage der Eigentümer differenziert berücksichtigt.

Dieses Gebot setzt sozial gestaffelte Fördermodelle voraus, die auf die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der verschiedenen Eigentümerschichten zugeschnitten sind.

Leider ignoriert die derzeitige Konzeption von Steuererleichterungen und staatlichen Beihilfen das Kriterium der sozialen Gerechtigkeit. Diese Vernachlässigung des sozialen Aspekts erschwert gleichzeitig und unnötigerweise die Erreichung der Klimaziele.

Außerdem muss gesetzlich sichergestellt werden, dass der Teil der Investitionskosten, der durch staatliche Beihilfen gedeckt wird, sich nicht auf die Mieten überträgt. In diesem Zusammenhang sollte auch ein Klimawohngeld eingeführt werden, um Mieter bei Mieterhöhungen zu entlasten.

 André Roeltgen