Beschäftigungspolitik muss in erster Linie den Arbeitnehmern und nicht den Aktionären dienen!

Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL
Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL

Europaweit nehmen die sozialen Ungleichheiten, die Armut zu und die Arbeitslosigkeit steigt auf Rekordhöhe. Luxemburg bleibt nicht von dieser Entwicklung verschont, auch wenn wir im europäischen Vergleich gut gestellt bleiben.

Wir haben niedrige Staatsschulden  und  ein geringes öffentliches Haushaltsdefizit.

Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union. Für die Betroffenen ist dies aber kein Trost, die Arbeitslosigkeit bleibt für den einzelnen und seine Familie eine Katastrophe. Deshalb ist es richtig, wenn der Arbeitsminister zusammen mit den Gewerkschaften und den Arbeitnehmerverbänden darüber berät, welche Initiativen notwendig und möglich sind, um den betroffenen Menschen zu helfen und darüberhinaus zu verhindern, dass Menschen unverschuldet in Arbeitslosigkeit geraten.

Für den OGBL sind die Zielgruppen, die augenblicklich besonders geschützt werden müssen klar. Es sind die Jugendlichen, die Schwierigkeiten haben eine Arbeit zu finden oder in schlecht bezahlte, unsichere, prekäre Arbeitsverhältnisse abgedrängt werden. Es sind Arbeitnehmer ab 50, die ihre Arbeit durch Restrukturierungen, Delokalisierungen und Konkurse verlieren. Wir haben dem Arbeitsminister unsere Vorstellungen und Vorschläge zum Thema Beschäftigungspolitik zugestellt und sie allen Beteiligten am 20. Februar im „Comité permanent du travail et de l’emploi“ vorgestellt. Es ist wichtig Arbeitslose sozial abzusichern und zu versuchen ihnen über unterstützende Maßnahmen  („CAE, CIE, Mesures pour l’emploi, stages d’insertion, mesures de formation, aide au réemploi …“)  zu helfen den Einstieg oder den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu schaffen, ihnen eine fair bezahlte Arbeit mit korrekten Arbeitsbedingungen zu vermitteln. Aber all dies genügt nicht.

 

Soziale Verantwortung der Betriebe gesetzlich regeln

Es gilt Entlassungen zu vermeiden. Deshalb müssen die arbeitsrechtlichen Schutzmaßnahmen verstärkt und nicht gelockert werden, deshalb müssen die Rechte der Personalvertreter gestärkt und die soziale Verantwortung der Betriebsführungen und besonders der Kapitaleigner gesetzlich festgehalten werden. Wie steht es so schön in der deutschen Verfassung: Eigentum verpflichtet! Es gilt aber nicht nur Arbeitsplätze abzusichern, sondern auch neue zu schaffen und auch in diesem Zusammenhang ist das Mitspracherecht der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter von Bedeutung. Arbeitnehmer haben Ideen, sie wollen gute Arbeit leisten, sie sind innovativ und produktiv, wenn sie ernst genommen werden, respektiert werden und auch finanziell angemessen am Resultat ihrer Arbeit beteiligt werden. Im Vordergrund stehen aber heutzutage in der Betriebswelt nicht so sehr gute Arbeit, Ideen für sinnvolle und qualitativ gute Produkte und Dienstleistungen, sondern eher die kurzfristigen, oft übermäßigen Profiterwartungen der Kapitalbesitzer.

Hier gilt es auch im Sinne einer aktiven Beschäftigungspolitik anzusetzen und die Weichen anders zu stellen. Mitspracherecht, Mitbestimmung gehören zu einer wirksamen Beschäftigungspolitik.

Das Gesetzesprojekt zur Reform der Personalvertretungen beinhaltet etliche Fortschritte und  positive Ansätze für einen verbesserten Sozialdialog im Betrieb. In Punkto Mitbestimmung aber greift es zu kurz. Mitbestimmung kann und darf sich nicht auf ein Informations- und Konsultationsrecht der Personalvertreter und auf ein bescheidenes Mitentscheidungsrecht bei verschiedenen Themen, die die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer betreffen, beschränken.

 

OGBL fordert eine Arbeitnehmervertretung in allen Entscheidungsgremien der Unternehmen

Wirkliche Mitbestimmung bedeutet eine Arbeitnehmervertretung in den betrieblichen Entscheidungsgremien. Und genau in diesem Bereich bleibt alles beim Alten. In den Verwaltungsräten der Betriebe bleiben Arbeitnehmervertreter eine Ausnahme. Es wird zu Recht bemängelt, dass Frauen in Verwaltungsräten unterrepräsentiert sind. Arbeitnehmervertreter, gleich welchen Geschlechts sind in den Verwaltungsräten nicht nur unterrepräsentiert, sondern in den Entscheidungsgremien aller Betriebe, die nicht die Form einer Aktiengesellschaft haben und mindestens 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen, eine unbekannte Spezies.

Wäre es 40 Jahre nach der Einführung einer ersten bescheidenen Form von Mitbestimmung nicht an der Zeit ein Zeichen zu setzen und Arbeitnehmervertreter in den Entscheidungsgremien einer größeren Anzahl von Betrieben vorzusehen, egal welche Gesellschaftsform diese haben,  und die Grenze von 1.000 Mitarbeitern massiv herabzusetzen?

Sind die luxemburgischen Parteien, Parlamentarier bereit ein derartiges gesellschaftspolitisches Signal zu setzen oder bleiben sie der Meinung, dass in der Arbeitswelt die Demokratie, sprich das Mitspracherecht für die Arbeitnehmer, den Interessen der Kapitaleigner untergeordnet bleiben soll?