Die letzte Tripartite brachte eine Reihe von notwendigen Antworten auf die akute Kaufkraftkrise, auf die sehr schnell reagiert werden musste. Dank der Entschlossenheit des OGBL konnte die Fehlentscheidung der vorherigen Tripartite, der zu einer massiven und inakzeptablen Indexmanipulation geführt hatte, korrigiert werden. Die sozialen Notlagen, mit denen das Land konfrontiert ist, sind jedoch immer noch sehr zahlreich. Es geht jetzt darum, dass die Regierung diese nicht vergisst.
In diesem Zusammenhang stellt der OGBL fest, dass die jüngste Rede des Premierministers zur Lage der Nation sowie der von der Finanzministerin vorgelegte Entwurf des Staatshaushalts für 2023 weit davon entfernt sind, den Herausforderungen gerecht zu werden. Die am 24. Oktober versammelte Exekutive des OGBL hielt es für völlig unverständlich, dass weder der Premierminister noch die Finanzministerin in ihren jeweiligen Reden auch nur ein Wort über die grassierende Armut und die sich verschärfenden Ungleichheiten im Land verloren haben, während immer mehr Haushalte Mühe haben, über die Runden zu kommen.
Der OGBL begrüßt natürlich die starke Betonung der Ökologie während der Rede zur Lage der Nation, kann sich aber angesichts all der anderen sozialen Notlagen, mit denen das Land konfrontiert ist, nicht damit zufriedengeben. Ja, es gibt einen Klimanotstand. Der OGBL nimmt diesen sehr ernst und unterstützt im Übrigen alle Initiativen, die darauf abzielen, die im Pariser Abkommen festgelegten Ziele zu erreichen, aber es gibt parallel dazu auch andere Prioritäten, die die Regierung nicht einfach ignorieren kann und die sie in Angriff nehmen muss. Der OGBL stellt fest, dass die Regierung in diesen Bereichen keine neuen wichtigen Initiativen vorschlägt, obwohl es noch so viel zu tun gäbe.
Angefangen beim Arbeitsrecht. Jeder ist sich bewusst, dass sich die Arbeitswelt heute in einem tiefgreifenden Wandel befindet. In diesem Kontext muss sich also auch das Arbeitsrecht unbedingt weiterentwickeln, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ein Beispiel hierfür sind die Arbeitnehmer der digitalen Plattformen (Crowdworker, Clickworker, Microworker, AppJobber…), die einen Rechtsrahmen benötigen, der an diese neuen Arbeitsweisen angepasst ist. Aber nicht nur das. Der OGBL hatte beispielsweise eine Reihe von Verpflichtungen begrüßt, die die Regierung 2018 im Rahmen ihres Koalitionsprogramms eingegangen war, die aber leider immer noch nicht umgesetzt wurden. So hat die Regierung während ihrer Amtszeit keine Gesetzesinitiative ergriffen, die auf eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben abzielt. Auch bezüglich einer notwendigen Arbeitszeitverkürzung wurde nichts unternommen. Eine Reform des Gesetzes zu den Sozialplänen ist ebenfalls noch nicht in Sicht, ebenso wenig wie eine Reform des völlig überalterten Kollektivvertragsgesetzes, obwohl 50 % der Arbeitnehmer im Land noch immer keinen Kollektivvertrag haben und selbst die Europäische Union und die OECD diese mittlerweile fördern.
Eine weitere Priorität der Regierung sollte das Thema Steuern sein. Das derzeitige System ist nach wie vor zutiefst ungerecht. Arbeitseinkommen, d. h. Löhne und Gehälter, werden bis zu viermal so hoch besteuert wie Kapitaleinkommen, d. h. Dividenden, Zinserträge, Gewinnbeteiligungen etc. Es ist daher dringend notwendig, mehr Steuergerechtigkeit herzustellen. Der OGBL fordert im Steuerbereich vor allem die Einführung eines Mechanismus zur automatischen Anpassung der Steuertabelle an die Inflation. Denn ohne einen solchen Mechanismus sind die Haushalte jedes Mal, wenn die Einkommen der Haushalte steigen, direkt von ungerechtfertigten Steuererhöhungen und somit von Kaufkraftverlusten betroffen. Dieses als „kalte Progression“ bezeichnete Phänomen trifft vor allem die unteren und mittleren Einkommensschichten. Dies ist nur eine der vielen Forderungen des OGBL. Es gibt noch viel zu tun in diesem Bereich.
Und die Liste der anderen prioritären Dossiers, die die Regierung dringend in Angriff nehmen sollte, ist lang – sehr lang sogar! Der OGBL möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass die Regierung bis zu den nächsten Nationalwahlen, d.h. bis Oktober 2023, noch genügend Zeit hat, um zu handeln! (Siehe auch unser Dossier: Vier Jahre später – Die Verpflichtungen der Regierung erneut unter die Lupe genommen)
Die Regierung verfügt auch über den nötigen Spielraum, um eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen. So haben die öffentlichen Finanzen zwar aufgrund des Covid-19 und der Maßnahmen zur Bekämpfung des Energiepreisanstiegs gelitten, wie die CSL in ihrer rezenten Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2023 dargelegt hat, aber die Lage der öffentlichen Finanzen sieht mittlerweile weitaus besser aus als angekündigt und würde eine antizyklische Finanzpolitik ermöglichen, die zur Vermeidung einer anhaltenden Rezession unerlässlich ist. Die Haushaltspolitik sollte daher vor allem die Haushalte stärker unterstützen, indem sie die Sozialausgaben erhöht und die Kaufkraft der Haushalte stärkt.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Zeitschrift Aktuell (#5 – 2022)
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