Wer für Lohn arbeiten geht, verkauft nicht nur seine Arbeit, sondern auch seine Zeit, einen wesentlichen Teil seiner Lebenszeit. Jede Lohnverhandlung ist gleichzeitig eine Verhandlung über die Zeit. Die Begrenzung der Dauer der täglichen und der wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Einführung von Ruhe- und Urlaubszeiten sind zentrale Momente der Verhandlung zwischen Arbeit und Kapital. Gestern wie heute.
Der Interessengegensatz bei der Arbeitszeit ist eine objektive Realität. Er kann aber durch gesetzliche und vertragliche Regelungen im Rahmen der sozialen Beziehungen entschärft werden. Wie in den meisten Ländern Europas geschieht dies in Luxemburg über das Arbeitsrecht und über die Kollektivverträge. Wie konfliktorisch sich allerdings die Auseinandersetzung über die Arbeitszeiten gestalten kann, beweisen die aktuellen Diskussionen über ein neues Arbeitszeitgesetz.
Die Arbeitgeberseite, vertreten durch die UEL, versucht ein Gesetz über die Arbeitszeiten durchzusetzen, das eine stark erhöhte Flexibilisierung der Arbeitszeiten im einseitigen Interesse der Arbeitgeber zu Lasten des Salariats einführen soll. Die UEL will im Sinne des Wortes eine weitestgehend entregelte Organisation der Arbeitszeiten, ohne wirksame Schutzbestimmungen und Begrenzungen, ohne eine transparente Definition der Überstunden und ohne Mitbestimmung des Salariats.
Der OGBL widersetzt sich den Absichten des Patronats und er hat seinerseits Vorschläge für eine Modernisierung des zweifellos stark reformbedürftigen PAN-Gesetzes auf den Tisch gelegt. Variable Arbeitszeiten verlangen nach guten Regeln und erfordern als Ausgleich der Arbeitsbelastung die Verkürzung der Arbeitszeit.
Für die am kommenden 18. Februar angesetzten Verhandlungen gibt es allerdings zurzeit wenig Optimismus. Die kursierende Patronatsdevise „Entweder wie WIR es wollen, oder WIR belassen es beim alten Gesetz“ zeugt nicht nur von fehlendem Reformwillen, sondern auch von einer verzerrten Begriffswahrnehmung über den Inhalt und die Aufgabe des sozialen Dialogs und des Arbeitsrechts.
Der OGBL fordert die UEL auf, ihre angekündigte Verweigerungshaltung aufzugeben und ein gemeinsames Abkommen anzustreben. Falls sie dies nicht tut, käme dies, nach der Ablehnung der UEL des von der Regierung im Jahre 2014 vorgeschlagenen Indexabkommens, einer weiteren Belastung der sozialen Beziehungen in Luxemburg gleich.
Die UEL unterlässt außerdem nichts, um die Regierung unter Druck zu setzen. Da ist beispielsweise die Rede von „Vorleistungen“, die die Arbeitgeberseite erbracht habe. Gemeint ist zum einen der Gesetzesvorschlag über den Elternurlaub, den die Regierung auf den Instanzenweg gebracht hat und der einen realen Fortschritt darstellt und vom OGBL voll und ganz unterstützt wird. Dieser hat allerdings überhaupt nichts mit einer „Vorleistung“ seitens der UEL zu tun. Die Verbesserung des Elternurlaubs reiht sich neben dem allseitigen Ausbau der Betreuungseinrichtungen und –angebote in die Liste jener Prioritäten ein, die die europäische Kommission in der Strategie EU2020 festgelegt hat, mit dem Ziel, den Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt zu erhöhen, weil die europäische Wirtschaft im Interesse der Unternehmen auf dieses Potential an Arbeitskraft nicht länger verzichten kann. Was die UEL ebenfalls verschweigt, ist die Tatsache, dass der Elternurlaub über den öffent-lichen Haushalt finanziert wird. Also weitestgehend von den Beschäftigten selbst, deren Steuerlast sich in all den letzten Jahren überproportional im Vergleich zu den Betriebssteuern entwickelt hat.
Zum anderen beruft sich die UEL auf das Abkommen, das die UEL mit der Regierung im Januar 2015 abgeschlossen hat. Das darin beschriebene Programm „Entreprises partenaires pour l’Emploi“, besser bekannt durch die medienwirksame Ankündigung der Arbeitgeber 5.000 Arbeitssuchende im Verlauf von drei Jahren zusätzlich einzustellen, entpuppt sich zusehends als leeres Versprechen. Die Zahlen und Interpretationen des STATEC sprechen eine klare Sprache. Obwohl die Wirtschaft im Jahre 2015 ein starkes Plus zu verzeichnen hat (+4.8% in den ersten neun Monaten), hat sich die Zahl der Arbeitssuchenden zwischen Dezember 2014 und Dezember 2015 nur geringfügig um 497 von 19.362 auf 18.865 verringert. Zieht man hiervon noch die gestiegene Zahl jener ab, die sich in den sogenannten Beschäftigungsmaßnahmen befinden, reduziert sich die Zahl auf magere 324. Bei der gesetzlichen Anmeldungspflicht von offenen Stellen an die ADEM ist ebenfalls keine Besserung eingetreten. Die Arbeitslosenquote, die gegenwärtig bei 6,7% liegt, ist 50% höher als 2008, dem Jahr des Krisenausbruches, und 300% höher als die Arbeitslosenquote im Jahre 2001. War es das mit der Offensive der UEL im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit?
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