Sie war in den vergangenen Jahren Präsidentin des Syndikats Handel. Suzi Haentges hat während 41 Jahren bei Cactus gearbeitet. Sie war dort während 12 Jahren Delegierte und ist immer noch Vizepräsidentin der Arbeitnehmerkammer. Eine Mission, die sie mehr denn je in Anspruch nimmt, seit sie, vor acht Monaten, in Rente gegangen ist. Begegnung mit einer jungen Rentnerin, die dafür bekannt ist, dass sie nicht auf den Mund gefallen ist – und die Verantwortlichen bei Cactus können ein Lied davon singen.
Aktuell: Wie fühlt man sich, wenn man plötzlich im Ruhestand ist? Du hast bestimmt viel mehr Zeit für Dich wie vorher! Suzi Haentges: Es ist nicht unangenehm! (lacht) Ich muss aber dazu sagen, dass ich noch sehr viele Beschäftigungen habe. Und ich bin übrigens sehr froh darüber.
Aktuell: Du meinst damit die Aufgaben, die Du noch in der Arbeitnehmerkammer (CSL) erfüllst, wo Du ja noch Vizepräsidentin bist?
Suzi Haentges: Ja, in der Tat. Vorher, als ich arbeitete, konnte ich nicht an allen Sitzungen teilnehmen, was ich jetzt aber tue. Ich vertrete auch die CSL in der Kommission, die vom Ministerium geschaffen wurde, um die integrierten Projekte zu beurteilen, die von den Auszubildenden im Rahmen ihrer Schulung zum „diplôme d’aptitude professionnelle (DAP)“ (Facharbeiterbrief) vorgelegt werden. Ein Diplom, das dem früheren CATP entspricht. Darüber hinaus vertrete ich als Vizepräsidentin die Institution regelmäßig bei offiziellen Zeremonien.
Aktuell: Hast Du Deine ganze berufliche Laufbahn bei Cactus absolviert?
Suzi Haentges: Nein, ich habe ebenfalls vorher bei der Librairie Diderich gearbeitet. Anschließend bin ich dann erst zu Cactus gewechselt, wo ich dann aber immerhin während 41 Jahren geblieben bin. Insgesamt habe ich 47 Jahre gearbeitet. Bei der CNAP wurde mir gesagt, dass sie noch nie eine Frau gesehen haben, die solch eine lange Berufskarriere hatte. Und dabei bin ich sogar noch im Vorruhestand. Tja, was viele Leute vergessen, ist, dass es nicht ausreicht während 40 Jahren gearbeitet zu haben. Das gesetzliche Rentenalter in Luxemburg ist auf 65 Jahre festgelegt.
Aktuell: In 2003 wurdest Du zum ersten Mal zur Personaldelegierten gewählt. Diese Funktion hattest Du während 12 Jahren inne, während denen Du auch 5 Jahre lang Delegationspräsidentin warst. Dabei ist nicht zu vergessen, dass Du auch Präsidentin des OGBL-Syndikats Handel warst. Was hat Dich dazu bewogen, Dich gewerkschaftlich zu engagieren?
Suzi Haentges: Die sozialen und politischen Fragen haben mich immer sehr interessiert. Schon vor 2003, nahm ich, wenn Wahlen waren, an sämtlichen von den Parteien organisierten Treffen teil, und interpellierte dort die Redner. Mein Mann hat mir sogar einmal gesagt, bevor ich zu einem dieser Treffen ging: „Ich kenne Dich und ich warne Dich, ich werde Dich nicht im Gefängnis abholen“. Ich hatte sogar einmal eine Diskussion mit Jean-Claude Juncker, als er Arbeitsminister war. Schon damals waren die Geschäftsöffnungszeiten auf der Tagesordnung. Ich hatte ihn bei einem dieser Treffen darauf angesprochen, weil ich seine Meinung zu diesem Thema wissen wollte. Ich sagte ihm, dass ich in einem der betroffenen Sektoren arbeite. Er hat mich dann gefragt wo ich arbeite. Ich habe ihm darauf geantwortet, dass ich beim drittgrößten Arbeitgeber des Landes arbeite. Daraufhin fragte er mich: „Aber wer ist das?“ Ich antwortete: „Herr Juncker! Wer ist Arbeitsminister, Sie oder ich?“ Danach hat er mir gesagt was ich hören wollte, und zwar, dass die Leute auch an die denken müssten die arbeiten, während sie einkaufen. Ich habe mich bei ihm für seine Antwort bedankt und fügte hinzu, dass ich mir jedoch nicht so sicher sei, dass er diese Position wirklich noch verteidigen würde, wenn er wiedergewählt ist.
Aktuell: Kommen wir auf Dein gewerkschaftliches Engagement zurück. Wie kam das zustande?
Suzi Haentges: Sagen wir, dass ich von einem OGBL-Personaldelegierten bemerkt worden war, der in der gleichen Elternvereinigung war wie ich. Er hat meinem zukünftigen Zentralsekretär über mich erzählt. Daraufhin hat Letzterer mich angesprochen, um mich zu fragen, ob ich nicht bei den kommenden Sozialwahlen bei Cactus kandidieren wollte. Dies interessierte mich natürlich. Dies entsprach ebenfalls meinem Temperament. Schon zu der Zeit machte es mich verrückt zu sehen, wie meine Arbeitskollegen sich nicht verteidigen konnten. Ich hatte immer ein Problem mit solchen Sachen, wenn man sieht, dass ein Chef sich maßlos über die Leute lustig macht. Das konnte ich nie vertragen. Als ich jedoch gefragt wurde, Kandidatin zu werden, habe ich zuerst gedacht, ich sei dafür zu alt. Ich war schon 50. André (Anm. der Red.: André Sowa, Zentralsekretär des Syndikats Handel) hat nicht locker gelassen, und ich habe schließlich ja gesagt. Das bedauere ich nicht. Wenn ich etwas bedauere, dann ist es, dass ich mich nicht eher engagiert habe.
Aktuell: Was behälst Du heute aus dieser Erfahrung zurück?
Suzi Haentges: Diese Erfahrung hat mir sehr viel gebracht. In verschiedenen Bereichen übrigens. Ich habe zuerst sehr viel gelernt. Ich kenne jetzt das Arbeitsgesetzbuch ziemlich gut. Ich habe zahlreiche Ausbildungen absolviert, während denen ich beispielsweise einige hohe Funktionäre kennengelernt habe. Ich habe gelernt, wo man die Informationen findet, die man braucht. Und das hat mir auch den Respekt der Cactus-Verantwortlichen gebracht: man konnte sehen, dass sie mich respektierten, und ich weiß auch was in den oberen Etagen über mich geredet wurde. Insgesamt würde ich sagen, dass diese zwölf Jahre mein Leben sehr bereichert haben.
Aktuell: Gibt es etwas, was Dich besonders während dieser ganzen Zeit geprägt hat?
Suzi Haentges: Ich würde vielleicht sagen, die ganze Affäre bei der unser Delegationspräsident Patrick Ourth zwischen 2009 und 2013 vom Dienst ausgeschlossen wurde. Die ganze Delegation war bestraft worden, obwohl wir nur unsere Aufgabe als Delegierte erfüllten. Patrick wurde skandalös vom Dienst ausgeschlossen, weil er Delegationspräsident war. Was Sabine und mich betrifft, die die beiden anderen Mitglieder der Delegation waren, so bekamen wir eine Verwarnung und einen Gehaltsabzug auferlegt. Das war ebenso lächerlich wie beschämend. Mein Gefühl sagt mir, dass wir der Direktion als Delegation nicht genehm waren, weil wir uns nicht alles gefallen ließen. Wenn sie ihr Arbeitsgesetz richtig gelesen hätten, dann hätten sie gewusst, dass wir nur unsere Aufgabe als Delegierte erfüllten. Diese 41 Monate waren natürlich für Patrick sehr hart. Für uns bei Cactus waren sie auch nicht sehr einfach. Wir mussten während dieser ganzen Zeit alleine durchhalten.
Frauenehrenwort „Ich denke, wenn die Gehälter heute im Handel so sind, wie sie sind, so ist das, weil es sich heute immer noch um einen Sektor handelt, in dem mehrheitlich Frauen arbeiten. Die Firmenchefs sind noch von einem gewissen Macho-Benehmen geprägt, nach dem sie glauben, dass Frauen nicht mehr zu verdienen brauchen.“
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