Die Abgeordnetenkammer hat mit 53 Ja- gegen 6 Neinstimmen dem von der CSV/LSAP-Regierung vorgeschlagenen Indexklau zugestimmt. Die Konsequenzen sind bekannt:
– die Inflationshöhe der Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 wird darüber entscheiden, wie hoch der wirkliche Lohn-, Renten- und Kaufkraftverlust sein wird. Im günstigsten Fall wird es ein halber Monatslohn sein. Schlimmstenfalls kann es zu der Streichung einer ganzen Indextranche kommen. Die Löhne und die Renten würden dann definitiv um 2,5% gekürzt werden.
– ab 2014 wird der Zeitpunkt der Indexberechnung definitiv nach hinten geschoben. Es wird also noch mehr Zeit vergehen zwischen dem Zeitpunkt der realen Erhöhung der Preise bzw. dem Kaufkraftverlust und dem Erfall einer Index-tranche, dem Wiederherstellen der Kaufkraft.
Die Arbeitgeber und die Aktionäre werden um 500, 600, 700 Millionen und vielleicht sogar um über eine Milliarde Euro entlastet. Und das, ohne dass ihnen irgendwelche Gegenleistungen gesetzlich abverlangt werden! Den 350.000 Lohnabhängigen und ihren Familien, den 150.000 Rentnern werden diese Millionen Euro für ihren Lebensunterhalt fehlen.
Warum diese Austeritätspolitik vor dem Hintergrund einer drohenden wirtschaftlichen Rezession in Europa? Warum diese Schwächung der Kaufkraft gegen unseren Binnenmarkt und gegen seine Arbeitsplätze? Warum dieser Schlag gegen das Luxemburger Modell der Lohnverhandlungen, das nur auf der Grundlage eines intakten gesetzlichen Indexmechanismus funktionieren kann? Warum dieser Lohnabbau, der die Schieflage bei der Verteilung zwischen Kapital und Arbeit in Luxemburg zuungunsten des gesamten Salariats vergrössert?
Und warum diese enorme politische Verletzung des Tripartitegesetzes von 1984, das solche Indexmodulationen nur in Betracht zieht, wenn es eine exzessive Inflationshöhe im Vergleich zu den Haupthandelspartnern und einen Verfall der wirtschaftlichen Kompetitivität mit entsprechendem Arbeitsplatzabbau gibt?
53 Abgeordnete sind anscheinend der Meinung, dass ein Unterschied von 0,1% bei der Inflation im Vergleich mit der gesamten Eurozone1 solch eine exzessive Inflation darstellt!
53 Abgeordnete sind der Meinung, dass ein Land, dessen Bruttoinlandprodukt sich in den letzten 11 Jahren durchschnittlich um 3,1% bewegte – im vom luxemburgischen Patronat bevorzugten Vergleichsland Deutschland waren es 0,9% – in einer Kompetitivitätskrise steckt.
Und 53 Abgeordnete setzen sich ohne mit der Wimper zu zucken über die Tatsache hinweg, dass die Lohnquote in Luxemburg nicht nur in der Tendenz weiter gefallen, sondern bei weitem die niedrigste im Ländervergleich ist.
Das „es reicht“, das Staatsminister Jean-Claude Juncker anlässlich des Neujahrsempfangs der FEDIL an die Adresse des Patronats gerichtet hat, kam zu spät, um glaubhaft zu sein. Wäre es nicht an ihm gewesen, die Tripartite im Dezember mit demselben „es reicht“ zu unterbrechen, als es offensichtlich wurde, dass die Patronatsorganisation UEL die Tripartiteverhandlungen mit ihrem extremistischen Forderungskatalog absichtlich boykottierte und ihr jegliche Verhandlungsgrundlage versagte? Die LSAP-Minister und 12 LSAP-Abgeordnete ihrerseits haben die Kongressresolution ihrer eigenen Partei vom 31. April 2010 regelrecht übergangen. Diese besagt, dass die LSAP am bestehenden automatischen Indexsystem festhält! Das tut sie seit dem 26. Januar 2012 nicht mehr.
Dieses Indexgesetz muss wieder weg! Und diese Forderung wird nicht erst mit Blick auf die nächste Regierung gestellt, sondern der OGBL richtet sie an jene Regierung, die seit 2010 durch Indexmanipulationen und durch öffentliche Subventionen oder Entlastungen, dem Patronat bereits über eine Milliarde Euro zugeschustert hat.
Die Tripartite ist abgeschaltet. Neben dem unmittelbaren Indexklau ist das Luxemburger Modell der Lohnverhandlungen ernsthaft in Frage gestellt. Der soziale Friede ist allem Anschein nach kein Argument mehr. Anstelle ausgleichender Familien- und Sozialleistungen und der Verbesserung der Gesundheitsleistungen rückt der sogenannte „sozial selektive“ Armutsstaat voran. Wo bleibt die Reform der Mitbestimmungsgesetzgebung für mehr Demokratie im Wirtschaftsleben, die im Koalitionsprogramm steht? Die Bestimmungen des befristeten Arbeitsvertrags sollen verschlechtert werden. Die Ladenöffnungszeiten sollen ohne entsprechende Kompensation für das Personal verlängert werden. Im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen sollen die Löhne und die Gehälter zurückgeschraubt und das Personal mit neoliberalen Bewertungsmethoden diszipliniert werden.
Doch damit nicht genug. Eine rückschrittliche Pensionsreform kündigt sich an. Auch in diesem Zusammenhang werden die gewerkschaftlichen Einwände und Gegenvorschläge weitgehend von dieser Regierung ignoriert. Die so genannten Stellschrauben sollen nur in eine Richtung gedreht werden. Außer länger arbeiten für weniger Rentenleistung hat der jetzt vorliegende Regierungsvorschlag nichts anzubieten. Die Jahresendzulage für Rentner soll abgeschafft werden. Der Ajustement steht ebenfalls zur Disposition. Wo bleibt ein neues Finanzierungsmodell für die Zukunft, das nicht einseitig auf eine reine Kosteneindämmung, sondern ebenfalls auf ein Mehr an Einnahmen ausgerichtet ist? Wo bleibt das vom OGBL geforderte Finanzierungsmodell, das die Entwicklung der paritätischen Rentenbeitrage harmonisch mit einer neuen zusätzlichen Finanzierungsquelle gesetzlich vernetzt, um vor allem der Jugend ein starkes öffentliches Rentenwesen abzusichern und die jungen Generationen des Salariats vor kostspieligen leistungsschwächeren privatkommerziellen Zusatzversicherungen zu bewahren?
Die Zeit des gewerkschaftlichen Widerstands gegen diese Politik ist gekommen. Der OGBL wird diesen Weg beschreiten. Das luxemburgische Salariat hat keine andere Wahl mehr.
1 Zeitraum 2000-2010
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