Keine Index-Manipulation mit dem OGBL

In der Nacht vom 30. auf den 31. März 2022, nach neun Tagen zäher Verhandlungen, weigerte sich der OGBL, seine Zustimmung zu dem inakzeptablen Vorschlag zu geben, den die Regierung im Rahmen der Tripartite, die aufgrund des Anstiegs der Energiepreise einberufen wurde, unterbreitet hatte. Der OGBL hat sich nämlich geweigert, seine Unterschrift unter ein Abkommen zu setzen, das nichts anderes als Sozialabbau in Luxemburg bedeutet, und er hat sich somit geweigert, die Arbeitnehmerschaft in Luxemburg zu verkaufen.

Der OGBL ist in diese Tripartite mit dem Ziel hineingegangen, angesichts der Preisexplosion die Kaufkraft der Arbeitnehmer, der Rentner und ihrer Familien zu stärken und nicht zu schwächen. Das von der Regierung vorgeschlagene Abkommen war in diesem Zusammenhang für den OGBL schlichtweg inakzeptabel und dies aus vier Hauptgründen.

Erstens weigerte sich der OGBL zu unterzeichnen, weil er der Regierung keinen Blankoscheck für eine Indexmanipulation bis 2024 ausstellen konnte, zumal die Preise derzeit extrem volatil sind. Der Vorschlag der Regierung sah nämlich vor, neben der achtmonatigen Verschiebung der Indextranche, die laut Statec normalerweise im August 2022 ausgelöst werden soll, auch eventuelle zusätzliche Indexauslösungen, die noch in den Jahren 2022 und 2023 erfolgen könnten, jeweils um mindestens ein Jahr zu verschieben.

Zweitens hat der OGBL die Unterschrift verweigert, weil er nicht akzeptiert, dass massive Hilfen für die Unternehmen – von denen die massivste absolut nicht zielgerichtet und undifferenziert ist, nämlich die Verschiebung mehrerer Indextranchen – durch die Kaufkraft praktisch aller Arbeitnehmer, Rentner und ihrer Familien finanziert werden – und diese somit schmälern. Es handelt sich hierbei um nichts anderes als eine groß angelegte Umverteilung von unten nach oben.

Drittens muss man feststellen, dass ein Großteil der konstruktiven Vorschläge, die der OGBL in diesen Verhandlungen gemacht hat, von der Regierung mit einem Handstreich vom Tisch gewischt wurden (siehe unten). So war es in diesen Verhandlungen nicht möglich, andere Wege als die im Vorfeld der Tripartite von der Regierung und dem Patronat gewählten in Betracht zu ziehen. So konnte insbesondere nicht über eine Anpassung der Steuertabelle an die Inflation oder über andere Steuereinnahmequellen für den Staat diskutiert werden, wie sie der OGBL gefordert hatte.

Viertens blieben die von der Regierung vorgeschlagenen finanziellen Maßnahmen, um die Verschiebung (um acht Monate) der Indextranche, die normalerweise im August 2022 ausgelöst werden sollte, zu kompensieren, weit hinter jedem denkbaren Kompromiss zurück. Der OGBL betont hierbei, dass – im Gegensatz zu den Behauptungen der Regierung – für die meisten Arbeitnehmer und Rentner diese niedriger ausfallen werden, als wenn die Indextranche im August ausgelöst worden wäre. So wird es für 40% der Bevölkerung (laut Regierung die „Reichen“) bereits überhaupt keinen Ausgleich (0) geben, und für etwa 20% der Bevölkerung wird der „Ausgleich“ im Vergleich zu dem Einkommensverlust, der durch die Verschiebung der Indexstufe verursacht wird, anekdotisch sein. Selbst für einen großen Teil der Quintile 1 und 2 (d.h. die untersten 40% der Einkommen) riskiert der vorgesehene Ausgleich den realen Einkommensverlust nicht zu decken, der durch die Verschiebung der Indexstufe für acht Monate verursacht wird, da das Bruttojahreseinkommen in vielen Fällen neben dem Grundgehalt auch Prämien, Zuschläge für Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Überstunden, Bereitschaftsdienste usw. umfasst. Nicht zu vergessen, dass kein Ausgleichsmechanismus beim Kindergeld vorgesehen ist, obwohl dieses erst kürzlich wieder indexiert wurden!

Für die große Mehrheit der Haushalte werden diese „Kompensationen“ also nicht den Kaufkraftverlust ausgleichen, der durch die Manipulation der August-Indextranche entstanden ist. Ganz zu schweigen von den möglichen zusätzlichen Tranchen, die in den Jahren 2022 und 2023 noch fällig werden könnten und für die die Regierung daher bereits beschlossen hat, dass sie zeitlich verschoben werden. Die Unterzeichner des 2-½-Partite-Abkommens haben sich nämlich sehr wohl auf eine Mindestfrist von 12 Monaten zwischen zwei Indextranchen geeinigt und es besteht somit ein wahres Risiko, dass eine Indextranche definitiv verloren geht, wenn die Inflation auf dem aktuellen Niveau bleibt oder sogar noch weiter ansteigt.

Der OGBL bedauert zutiefst, dass die Regierung vor dem Patronat eingeknickt ist, dass sie dieses so wichtige Instrument der Tripartite instrumentalisiert hat, um einen Sozialabbau und eine Manipulation des Indexsystems der Löhne und Renten zu orchestrieren, das doch eine der Garanten für den sozialen Frieden in Luxemburg ist.

Der OGBL möchte im Übrigen betonen, dass er während der gesamten Verhandlungen offen für Diskussionen war und immer wieder Vorschläge für ein ausgewogenes Abkommen unterbreitet hat, aber man muss leider feststellen, dass alle Diskussionen immer wieder auf die Frage des Index und seiner Manipulation zurückkamen. In Wirklichkeit handelte es sich nicht um eine Tripartite, die Antworten auf den Anstieg der Energiepreise geben sollte, sondern um eine Tripartite, die ausschliesslich auf eine Indexmanipulation abzielte.

Schließlich verurteilt der OGBL entschieden den Versuch der Regierung, die Arbeitnehmerschaft in Luxemburg zu spalten, sei es zwischen Ansässigen und Grenzgängern (einer der Vorschläge, die die Regierung während der Verhandlungen machte, zielte schlichtweg darauf ab, die Grenzgänger vom Ausgleichsmechanismus auszuschließen – ein skandalöser Vorschlag, der von allen Gewerkschaften am Tisch rundweg abgelehnt wurde) oder zwischen kleinen und mittleren Löhnen im Rahmen des schließlich zurückbehaltenen Ausgleichsmodells.


Die gewerkschaftlichen Forderungen während der Tripartite

icone_remplieerfüllt | icone_partiellement_remplieteilweise erfüllt | icone_rejetee abgelehnt

icone_rejeteeAnpassung der Steuertabelle an die Preisentwicklung bei gleichzeitiger Erhöhung der Progressivität der Besteuerung durch zusätzliche Stufen am oberen Ende der Tabelle

Maßnahmen zur Verlangsamung der Inflation:

icone_rejetee

    • Vorübergehende Senkung der Besteuerung (Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuern, CO2-Steuer) auf Benzin, Diesel, Gas und Heizöl auf das von der EU-Gesetzgebung erlaubte Mindestniveau –Einsparungen zwischen 140€ und 218€ pro Haushalt/Monat

1

    • .)

icone_rejeteeEinfrieren der administrierten Preise, zum Beispiel der Tarife in den Pflegeheimen.)

icone_remplieEinen vorübergehenden Mietpreisstopp vorsehen.

icone_rejeteeÜber das vorübergehende Einfrieren hinaus eine echte Begrenzung der Mietpreise einführen (Mietpreisbremse).)

icone_rejeteeDen Pauschalabzug für Fahrtkosten anheben und die ersten vier Kilometer wieder berücksichtigen.)

icone_rejeteeDen Kilometersatz wieder auf den alten Satz von 0,40 ct./km anheben.)
icone_rejeteeDas Kindergeld rückwirkend anpassen, um seine Desindex­ierung im Zeitraum 2014-2021 auszugleichen (+7,7 %).)

icone_remplieDie Steuergutschrift zur Kompensation der CO2-Steuer an die kürzliche Erhöhung der Steuer2 anpassen.)

icone_partiellement_remplieDie Prämien für die Steigerung der Energieeffizienz sozial gerechter gestalten, damit auch weniger wohlhabende Haushalte davon profitieren können3.)

icone_rejeteeDie Teuerungszulage anpassen, um sozial schwachen Haushalten zu helfen: den Betrag verdoppeln, den Kreis der Anspruchsberechtigten vergrößern, eine regelmäßige Anpassung der Höhe der Zulage an die Preisentwicklung vorsehen.


1 Stattdessen schlug die Regierung einen Rabatt von 7,5 Ct. pro Liter auf Benzin, Diesel und Heizöl vor, der für die ersten beiden bis zum 31. Juli bzw. für den letzten bis zum 31. Dezember befristet ist und im Vergleich zu den Einsparungen für die Haushalte weit unter dem Gewerkschaftsvorschlag lag (bei 200 Litern Einsparungen von 15€ im Vergleich zu einem Maximum von 218 € im Gewerkschaftsvorschlag)
2 Die Regierung hat dieser Forderung zugestimmt,, es scheint jedoch, dass diese Erhöhung in die neue Steuergutschrift für Energie einbezogen wurde, die den Kaufkraftverlust bzw. die Verschiebung der nächsten Indextranche ausgleichen soll.
3 Wenn dieser Punkt in die 2 ½-Partite-Vereinbarung aufgenommen wird, handelt es sich eigentlich nur um die beschleunigte Umsetzung eines bereits eingebrachten Gesetzesentwurfs, der bei weitem nicht ausreichend ist..


Die Indexierung der Löhne in Luxemburg Einige historische Anhalts-­punkte

1921
Die Indexierung der Löhne und Gehälter wird für Eisenbahner und Beamte eingeführt. Damals basierte der Preisindex auf einem Warenkorb von 19 Waren (heute: über 40.000).
1965
Das Gesetz vom 12. Juni 1965 führt die Verpflichtung ein, in alle Kollektivverträge eine Klausel über die Anpassung der Löhne an die Preisentwicklung aufzunehmen.
1975
Die DP-LSAP-Regierung weitet die Lohnindexierung auf alle Löhne und Renten aus, unabhängig vom Wirtschaftssektor oder dem Statut des Arbeitnehmers.
1982
Auf Initiative des OGBL organisiert eine gemeinsame Gewerkschaftsfront am 29. März einen nationalen Mobilisierungstag, gefolgt von einem Generalstreik am 5. April. Trotz der weitgehend befolgten Mobilisierung beschließt die CSV-DP-Regierung eine massive Manipulation des Index. Die LSAP-Abgeordneten verlassen bei der Abstimmung aus Protest die Kammer. Der OGBL hält den Druck in der Folgezeit aufrecht und erhebt die Drohung eines zweiten Generalstreiks im Jahr 1983. Die normale Funktionsweise des Index wird 1984 wiederhergestellt.
2006
Erneute Manipulation des Index durch die CSV-LSAP-Regierung, die dieses Mal von den Gewerkschaften im Rahmen der Tripartite akzeptiert wurde. Die Gegenleistung ist jedoch beträchtlich: die Einführung des Einheitsstatuts, das die Ungleichbehandlung zwischen Arbeitern und Privatangestellten beendet und die Arbeitnehmerkammer und die Nationale Gesundheitskasse schafft.
2011/12
Ende 2011 verlassen die Gewerkschaften die Tripartite, die ohne Ergebnis abgeschlossen wird, während die CSV-LSAP-Regierung erneut den Index manipulieren will. Der betreffende Gesetzentwurf wird am 26. Januar 2012 in aller Eile mit den Stimmen der Parteien CSV, LSAP, DP und déi Gréng verabschiedet. Anzumerken ist, dass der OGBL, im Gegensatz zu dem, was heute bisweilen behauptet wird, diese Manipulation nie akzeptiert hat. Die normale Funktionsweise des Index wurde nach einer Vereinbarung zwischen der neuen Regierung DP-LSAP-Gréng im Juni 2014 wiederhergestellt – eine Vereinbarung, die dieselbe Regierung heute mit Füßen tritt.


>> Rückblick auf den genauen Ablauf der Tripartite
>> « Paquet de solidarité »: le storytelling du gouvernement commence à s’effriter