Nachhaltigkeit, Substanz und Kollektivverträge als Schlüsselelemente für die Gestaltung der Zukunft des Finanzsektors

Der Finanzsektor braucht Stabilität, Substanz und gute Kollektivverträge, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu meistern. Dies ist die gemeinsame Schlussfolgerung, die das OGBL-Syndikat Finanzsektor und Arbeitsminister Georges Engel nach einem kürzlich auf Antrag des OGBL organisierten Gespräch gezogen haben.

Eine Delegation des OGBL-Syndikats Finanzsektor unter der Leitung von Sylvie Reuter und Serge Schimoff wurde kürzlich vom Arbeitsminister empfangen, um über die aktuelle Situation, aber auch über die Zukunft des Finanzsektors in Luxemburg zu sprechen. Der OGBL wollte den Arbeitsminister insbesondere auf verschiedene Missstände im Finanzsektor aufmerksam machen. Der OGBL machte den Minister auch darauf aufmerksam, dass die beiden Kollektivverträge im Finanzsektor (Banken und Versicherungen) noch in diesem Jahr auslaufen werden.

Erhöhung des Deckungsgrades der Kollektivverträge

Der OGBL und der Minister waren sich zunächst über die Bedeutung von Kollektivverträgen einig, insbesondere in einem Sektor wie dem Finanzsektor, der teilweise von großen internationalen Konzernen aus dem Ausland kontrolliert wird. Der Arbeitsminister erinnerte seinerseits daran, dass es auf nationaler Ebene das Ziel der Regierung sei, dass bald mindestens 80% der Arbeitnehmer unter einen Kollektivvertrag fallen. In diesem Zusammenhang machte der OGBL den Minister auf ein großes Problem im Finanzsektor aufmerksam. Die beiden sektoriellen Kollektivverträge gelten schon heute nur noch für einen Bruchteil der Beschäftigten der Banken und Versicherungen. Viele Beschäftigte werden von ihren Unternehmen als „leitende Angestellte“ eingestuft, ohne jedoch nach den in Luxemburg geltenden Kriterien alle Voraussetzungen für diesen Status zu erfüllen, und fallen damit aus dem Geltungsbereich der Tarifverträge heraus.

Darüber hinaus gibt es für fast alle Beschäftigten im Finanzsektor, die nicht für eine Bank oder Versicherung arbeiten, keinen Kollektivvertrag. Das Problem besteht hier vor allem darin, dass die betroffenen Unternehmen offenbar nicht in einem Arbeitgeberverband zusammengeschlossen sind, der als Ansprechpartner für die Aushandlung eines Kollektivvertrags dienen könnte.

Der Arbeitsminister und der OGBL unterstrichen zudem die Bedeutung des Finanzsektors für die luxemburgische Wirtschaft und betonten, dass gute Arbeitsbedingungen für den Erhalt der Attraktivität des Finanzplatzes unerlässlich seien.

Die Frage der Arbeitszeitverkürzung liegt dem Minister in diesem Zusammenhang besonders am Herzen. Der OGBL zeigte sich offen für eine Diskussion über dieses Thema, zumal atypische Arbeitszeiten im Finanzsektor gang und gäbe sind. Der OGBL wies auch darauf hin, dass die Bankangestellten immer mehr Überstunden leisten, ohne dass diese als solche verbucht werden. Ebenso ist es heute üblich, dass Arbeitnehmer, die zu Partnern oder Muttergesellschaften ins Ausland entsandt werden, dies über ihr Kontingent an Heimarbeitstagen tun und die Unternehmen in diesen Fällen nicht auf Entsendungsverträge zurückgreifen, wie es das Arbeitsrecht eigentlich vorsieht. Schließlich bestand der OGBL darauf, dass die Arbeitszeit für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft in den Kollektivverträgen geregelt wird.

Ein weiterer Konsens zwischen dem OGBL und dem Arbeitsminister war die wesentliche Rolle der Weiterbildung und Umschulung in der digitalen Finanzwelt von heute und morgen – „Reskilling“ und „Upskilling“ sind die Schlagworte der Zukunft. Der OGBL legte Wert auf die Feststellung, dass durch die Stärkung des individuellen Rechts auf Weiterbildung die Arbeitnehmer*innen in Zukunft besser auf die neuen Realitäten, die digitalen Umwälzungen und die permanenten Umstrukturierungen, die aus rein strategischen Gründen diktiert werden, vorbereitet wären.

Gleichberechtigter Sozialdialog in den Unternehmen

Der Finanzsektor ist stark von Fusionen, Aufspaltungen und Betriebsverlagerungen betroffen. Der OGBL hat beim Minister die Tatsache angeprangert, dass zahlreiche internationale Konzerne die luxemburgische Gesetzgebung in diesem Bereich in keiner Weise respektieren. So wird zum Beispiel beim Abbau von Arbeitsplätzen infolge von Fusionen die Aushandlung von Sozialplänen von den Unternehmen umgangen („Salamitaktik“). Der OGBL beklagt auch, dass die Arbeitnehmer*innen und Personalvertreter*innen mehrerer Banken wie RBC, CACEIS, Crédit Suisse oder UBS über ihre berufliche Zukunft im Unklaren gelassen werden. Der Sozialdialog zwischen den Geschäftsleitungen und den Personalvertretungen ist dort mangelhaft oder sogar gelähmt, was natürlich zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten geht. Auch hier sind Verbesserungen notwendig.

Die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen müssen unbedingt verbessert und die bestehenden Missstände beseitigt werden, damit der luxemburgische Finanzsektor nicht weiter an Attraktivität verliert, zumal der Kollektivvertrag für das Bankwesen, wie bereits erwähnt, in den letzten Jahren enorm an Substanz verloren hat, was es unmöglich macht, Arbeitnehmer*innen und Talente für diesen für Luxemburg so wichtigen Sektor zu gewinnen bzw. zu halten.

Schließlich nutzte der Arbeitsminister die Gelegenheit, um auf die Rolle des Finanzsektors und insbesondere auf die von den Arbeitnehmer*innen während der Covid-19-Pandemie geleistete Arbeit einzugehen. Die luxemburgische Wirtschaft, mit dem Finanzsektor als Herzstück und seinen über 30.000 Beschäftigten, hat wesentlich dazu beigetragen, dass Luxemburg die Pandemie und ihre Folgen überwunden hat.

Mitgeteilt vom OGBL Syndikat Finance Sector
am 12. Juli 2023