Für eine kohärente Reform der Ausbildung im sozioedukativen und im Gesundheitsbereich

Am 1. Juni 2021 demonstrierte der OGBL zusammen mit allen anderen Organisationen, die die Arbeitnehmer im Gesundheits- und Pflegesektor vertreten, vor der Abgeordnetenkammer, um ihre Opposition gegen das Reformprojekt der Regierung bezüglich der Ausbildungen der Gesundheitsberufe zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig wurde vom Bildungsminister ein Pilotprojekt vorgestellt, das die Ausbildungszeit von angehenden Erziehern, die eine 1re GO abgeschlossen haben, erheblich verkürzt und damit den gesamten Beruf abwertet.

Die Regierung hört also nicht auf, Teile eines weitgehend veralteten Modells in seiner Gesamtheit zu reformieren, und das ohne Sozialdialog mit den betroffenen Parteien und ohne die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die gesamte Ausbildung und die Realitäten vor Ort zu berücksichtigen.

Da diese Aktionen deutlich zeigen, dass die Regierung ohne Gesamtüberblick, ohne konkrete Pläne und vor allem ohne jeglichen Willen, die Fachleute vor Ort in ihrer Expertise anzuhören, arbeitet, hat das OGBL-Syndikat Gesundheit und Sozialwesen beschlossen, ihnen zu Hilfe zu kommen und hat ein umfassendes Forderungspaket bezüglich der Ausbildungsreform der Gesundheits- und Sozialpädagogikberufe verfasst.

Seit Jahren prangert der OGBL einen zunehmenden Personalmangel in den sozio-edukativen Sektoren, im Gesundheits- und Pflegebereich an. Im Jahr 2018 hat die von Marie-Lise Lair auf Initiative des Gesundheitsministeriums durchgeführte Studie diesen Alarmruf deutlich unterstrichen und aufgezeigt, dass in diesem Sektor ein eklatanter Mangel an qualifiziertem Personal besteht. Verbunden mit der zunehmenden Arbeitsintensität vor Ort, der Anhäufung von Überstunden und der harten Schichtarbeit verlieren die Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen stetig an Attraktivität. Heute und vor allem in Krisenzeiten besteht die Gefahr, dass die Qualität der Leistungen darunter leidet.

In diesem Zusammenhang fordert der OGBL, als größte organisierte Kraft der Arbeitnehmer im Gesundheits- und Sozialwesen, seit Jahren eine grundlegende Reform der Ausbildung für die Gesundheitsberufe in Luxemburg.

Dennoch ist es von entscheidender Bedeutung, dass eine solche Ausbildungsreform kohärent ist und die Realität aller in diesem Sektor tätigen Berufsgruppen berücksichtigt.

Es ist unannehmbar, dass die Regierung einen Reformentwurf vorlegt, ohne das Fachwissen der in der Praxis tätigen Personen zu berücksichtigen.

Außerdem erinnert der OGBL daran, dass es nicht ausreichen wird, die Ausbildung der Gesundheitsberufe zu überdenken, um sie attraktiver zu machen. Es ist dringend notwendig, parallel zu dieser Reform eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie eine Aufwertung der Aufgaben der Gesundheitsberufe umzusetzen.

Die neuen Ausbildungsgänge sowie die Übergangsmöglichkeiten, die den Beschäftigten vor Ort angeboten werden, müssen so zugänglich wie möglich sein. Die Ausbildungen müssen sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch angeboten werden und es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die Ausbildungen berufsbegleitend zu absolvieren. Darüber hinaus ist es wichtig, ein offenes, modulares System zu schaffen, das berufliche Umschulungen ermöglicht.

Die Reform wird nur dann erfolgreich sein, wenn die beteiligten Ministerien den Gesundheitsfachkräften, die Tag für Tag vor Ort arbeiten, zuhören.

Der Gesundheits- und Pflegesektor in Luxemburg braucht verschiedene Akteure mit klaren Zuständigkeiten und Aufgaben sowie qualifizierte Arbeitnehmer an den Betten der Patienten. Am wichtigsten ist es, die bestehenden Abschlüsse und Berufe zu reformieren und aufzuwerten, statt neue zu schaffen.

Mit der Entscheidung der Regierung, die BTS-Ausbildung für Krankenpfleger parallel zur Einführung eines Bachelor-Studiengangs nicht abzuschaffen, wird das Ziel der Reform völlig verfehlt.

Diese Entscheidung wird unweigerlich dazu führen, dass in Luxemburg mehrere Klassen von Krankenpflegeren geschaffen werden, statt wie angekündigt den Beruf selbst aufzuwerten. Eine solche Situation würde vor Ort Verwirrung stiften, sowohl für die Arbeitnehmer selbst als auch für Patienten und Ärzte. Während eine teure Bachelor-Ausbildung eingeführt wird, wird die Präsenz dieser Fachkräfte am Patientenbett bestenfalls marginal sein. Es ist klar, dass die Einstellung von BTS-Krankenpflegern, die zu Krankenpflegern zweiter Klasse mit niedrigeren Löhnen werden, von den meisten Arbeitgebern bevorzugt wird.

Darüber hinaus ist die Entscheidung, die Ausbildung zur Fachkrankenpflegerin/zum Fachkrankenpfleger demselben Grad der Krankenpflegerin/des Krankenpflegers für allgemeine Pflege gleichzustellen, völlig unverständlich. Eines der Ziele dieser Reform bestand gerade darin, die Ausbildung von Fachkrankenpflegerinnen und -pflegern attraktiver zu machen, die von einem gravierenden Mangel an Personal und Neueinstellungen betroffen sind. Durch diese konkrete Abwertung besteht die Gefahr, dass die Fachkrankenpflegeausbildung für junge Menschen in Zukunft noch unattraktiver wird, als dies bereits jetzt der Fall ist.

Auch in Bezug auf die Erzieherausbildung hat Bildungsminister Claude Meisch am 11. Mai überraschend und unerwartet eine Reform angekündigt, die einer völligen Entwertung der derzeitigen Ausbildung gleichkommt. Das angekündigte Projekt soll es Absolventen eines sozialwissenschaftlichen Sekundarschulabschlusses (GSO) ermöglichen, ihre Ausbildung zum Erzieher in nur einem statt in drei Jahren abzuschließen. Wir erinnern daran, dass es sich hierbei um eine sehr praxisorientierte Ausbildung handelt. Durch die Verkürzung der Ausbildungsjahre werden die künftigen Generationen von Erziehern nicht alle notwendigen theoretischen und vor allem praktischen Kenntnisse erwerben können.

Das Syndikat Gesundheit und Sozialwesen, betont, dass die Bedeutung und die Relevanz der sozialen Berufe besonders im letzten Jahr deutlich geworden sind. Sie haben nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Tausende von Müttern und Vätern sichergestellt, sondern durch hochqualifizierte Arbeit auch die Schwächsten unserer Gesellschaft in diesen unsicheren Zeiten aufgenommen und betreut.

tableau_reforme_sante_deEines ist klar: Wenn ein so wichtiges Thema wie die Ausbildung in den Gesundheits- und sozialpädagogischen Berufen ohne die Einbeziehung aller Beteiligten angegangen wird, kann das Ergebnis nicht weiter von der Realität und den Bedürfnissen vor Ort entfernt sein.

Um das Schlimmste zu verhindern, fordert der OGBL, die größte Gewerkschaft Luxemburgs, nach Rücksprache mit den Berufsverbänden des Sektors und nachdem sich die Arbeitnehmer und zukünftigen Schüler bei einer Demonstration in Luxemburg-Stadt am 1. Juni 2021 bemerkbar gemacht haben, dass die beiden Reformprojekte zurückgezogen werden und endlich die Betroffenen angehört werden. Es ist von größter Wichtigkeit, die Arbeitnehmer vor Ort über den OGBL, die größte Arbeitnehmerorganisation des Sektors, in der alle vor Ort tätigen Berufe vertreten sind, in alle zukünftigen politischen Diskussionen zu diesem Thema einzubeziehen.

Aus diesem Grund hat das Syndikat Gesundheit und Sozialwesen im Rahmen einer Pressekonferenz am 29. Oktober 2021 seine Argumente und sein Forderungspaket für eine kohärente Reform der Gesundheits- und Sozialpädagogikberufe, die den Bedürfnissen vor Ort entspricht, vorgestellt.