Leitartikel

Rentenreform oder Rentenkürzung?

Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL
Jean-Claude Reding, Präsident des OGBL

Laut den Angaben des Sozialpanoramas der Arbeitnehmerkammer sind die sozialen Ungleichheiten bei den Rentnern geringer als bei der aktiven Bevölkerung. Auch das Armutsrisiko liegt niedriger. Dies ist eigentlich ein positives Zeichen für das luxemburgische Rentensystem. Bei den anstehenden Diskussionen über unser Rentensystem gilt es dafür zu sorgen, dass diese Vorteile erhalten bleiben. Eine Reform muss unser Rentensystem stärken, es an die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen anpassen.

Viele Menschen fragen sich angesichts der hohen Reserven unseres Rentensystems, ob eine Reform notwendig ist. Tatsache ist, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Rentner stark ansteigen wird. Bei gleichbleibenden Einnahmequellen und gleichbleibenden Leistungen wird die Pensionskasse je nach Hypothese über die wirtschaftliche Entwicklung zwischen 2024 und 2028 auf die angehäuften Reserven

zurückgreifen müssen, die dann Mitte 2030 oder Anfang 2040 aufgebraucht sein würden. Aufgrund dieser vergleichsweise günstigen Ausgangslage müsste es möglich

sein unser Rentensystem auch über diese Termine hinaus im Interesse der zukünftigen Generationen zu stabilisieren und abzusichern ohne auf Leistungskürzungen zurückzugreifen.

Unserer Meinung nach ist dies möglich, wenn die Einnahmen der Pensionskasse durch leichte und über die Jahre gestreckte Beitragserhöhungen, sowie durch neue zusätzliche Einnahmequellen, die nicht ausschließlich auf dem Lohn sondern auch beispielsweise auf den Einnahmen aus Kapital beruhen, verbessert werden (siehe hierzu auch die Vorschläge und Berechnungen der Arbeitnehmerkammer von Januar 2010). Darüber hinaus müssen positive Maßnahmen getroffen werden damit eine Frühverrentung vermieden werden kann. Es könnten flexible Übergänge zwischen dem Arbeitsleben und der Rente geschaffen werden, bspw. durch ein Recht auf Teilzeitarbeit bei gleichzeitigem Bezug einer Teilrente. Notwendig ist auch eine konsequente Politik, die auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen setzt und damit dem körperlichen und geistigen Verschleiß, dem viele Menschen durch ihre Arbeit ausgesetzt sind Einhalt bietet. Wir brauchen ebenfalls wirksame arbeitsrechtliche Maßnahmen, die ältere Arbeitnehmer besser vor wirtschaftlich motivierten Entlassungen schützen, die verhindern, dass ältere Arbeitnehmer regelrecht aus dem Arbeitsleben gedrängt werden.

Wichtig ist es auch zu berücksichtigen, dass es ein politisches Ziel der Regierung ist, dass 40% der Jugendlichen nach dem klassischen oder dem technischen Abitur weiter studieren sollen, d.h. ihre Berufslaufbahn erst mit 22, 23, 25 Jahren beginnen werden. Es ist kaum anzunehmen, dass all diese jungen Menschen später Großverdiener werden. Was bieten wir ihnen an, dass sie zumindest das Rentenniveau ihrer Eltern halten können?

Die Orientierungen, die den Gewerkschaften vorgestellt wurden, behandeln diese Fragen nicht oder nur am Rande.

Die Frage der Beiträge und/oder zusätzlicher Einnahmequellen wird im Text nicht behandelt. Im Gespräch wurde gesagt, Beitragserhöhungen wären nicht ausgeschlossen, würden aber frühestens in 10 Jahren anstehen. Neue zusätzliche

Einnahmequellen sind bislang kein Thema. Warum eigentlich? Auf diese Weise könnte unsere Rentenversicherung noch länger abgesichert werden.

Zentraler Vorschlag der Regierung ist eine Kürzung der Rentenleistung bei 40 Beitragsjahren, die der Versicherte durch zusätzliche Beitragsjahre ausgleichen könnte, wenn er länger arbeiten würde. Auf Grund der vorgesehenen Änderungen

bei den Steigerungssätzen, geht diese Rechnung aber in den wenigsten Fällen auf – in den meisten Fällen erreicht man auch mit 45 oder mehr Beitragsjahren nicht die Rentenleistung auf die man heute mit 40 Beitragsjahren Anrecht hat.

Besonders betroffen wären unserer Berechnung nach Arbeitnehmer, die 20 Jahre und mehr Nachtschicht leisten müssen, Invaliden, Witwen und Waisen sowie Menschen, die früh anfangen zu arbeiten oder länger studieren.

Sicherlich die Regierungsvorschläge beinhalten Schutzmaßnahmen für diejenigen, die ihr Leben lang nur den Mindestlohn oder leicht mehr verdienen. Positiv ist, dass niemand direkt gezwungen wird länger zu arbeiten, dass das gesetzliche Rentenalter im Gegenteil zu vielen anderen Ländern nicht verlängert werden soll.

Positiv ist auch, dass die aktuellen Renten nicht gekürzt werden sollen, obwohl die Regierungsvorhaben in punkto Rentenajustement kritisch hinterfragt werden müssen. Die vor dem Votum eines Gesetzes erworbenen Rechte sollen ebenfalls nicht angetastet werden. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass die negativen Maßnahmen sich desto stärker auswirken je jünger man ist. Ist dies das Zukunftsbild, das die politisch Verantwortlichen den jungen Generationen vermitteln wollen.

Wir verlangen, dass unsere Kritiken und unsere Alternativen objektiv diskutiert werden.

In der aktuellen Form sind die Orientierungen der Regierung auf jeden Fall für den OGBL nicht akzeptabel.