Nationalvorstand

Sozialer Mindestlohn: der OGBL verlangt eine Aufwertung von 10%

comite_national_24_03_15_1Der Nationalvorstand traf sich wieder in der Maison du Peuple in Esch/Alzette am Dienstag, dem 24. März 2015 zu einer Sitzung. Über seine traditionelle Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Situation hinaus, hat er eine Zwischenbilanz der Verhandlungen mit Regierung und UEL gezogen und hat zur Reform des „Chèque service-accueil“ Stellung genommen. Der Nationalvorstand hat auch noch beschlossen in den kommenden Wochen, eine Kampagne zur Aufwertung des sozialen Mindestlohns zu starten und nahm die zurzeit bestehenden Probleme im Handels- und Reinigungssektor zur Kenntnis.

Doch ist der Nationalvorstand zu allererst auf die Forderung der griechischen Regierung zurückgekommen, die die Annullierung eines Teiles ihrer öffentlichen Schulden im Rahmen der Verhandlungen fordert, die sie zurzeit immer noch mit den andern Mitgliedstaaten der Eurogruppe führt. Der OGBL bestand in diesem Zusammenhang darauf, daran zu erinnern, dass 1953, auf Anfrage des deutschen Kanzlers, der Verzicht auf einen großen Teil der deutschen Schulden von den anderen westlichen Ländern akzeptiert worden war. Genauso wie heute im Falle Griechenlands, handelte es sich damals um eine reine politische Entscheidung. Die Aufhebung eines Teils der griechischen Schuld würde heute nichts anderes bedeuten, als einen politischen Kurswechsel in Europa, den der Kontinent doch so benötigt. Die aktuelle Behandlung Griechenlands, sowie dessen soziale und wirtschaftliche Situation sind schlicht skandalös. Außerdem wird sicherlich niemand ignorieren, dass dieses Land nie in der Lage sein wird, seine gesamte Schuld zurückzuzahlen. Die Aufrechterhaltung dieser Schuld verschlimmert nur den Krisenzustand mit dem das Land zu kämpfen hat, sowohl auf sozialer – um nicht zu sagen humanitärer – als auch auf wirtschaftlicher Ebene. Der OGBL hat also einen dringenden Appell an die luxemburgische Regierung gerichtet, damit sie sich, in allen Instanzen in denen sie vertreten ist, die legitime Forderung der griechischen Regierung nach einem Teilnachlass ihrer öffentlichen Schulden unterstützt.

Investitionen die der Wirtschaft in entscheidendem Maße fehlen

Anschließend hat der OGBL-Nationalvorstand nochmals unterstrichen, indem er die wirtschaftliche und soziale Lage der EU betrachtete, dass die Austeritätspolitiken, die zurzeit ausgeübt werden, unerbittlich in eine Sackgasse führen werden. Der OGBL hat ebenfalls in diesem Zusammenhang den zwanghaften Versuch angeprangert, die öffentlichen Schulden auf europäischer Ebene unter Kontrolle zu bekommen, mit dem Ergebnis, dass es vorwiegend zu einem allgemeinen sozialen Absturz kommt und zu einem Unsicherheitsgefühl bei der Bevölkerungen. Die EU ist zurzeit wahrhaftig mit einem Defizit konfrontiert, doch handelt es sich vorwiegend um ein Defizit, sowohl im Bereich der öffentlichen wie der privaten Investitionen.

Der OGBL hat es demnach nicht verpasst, den wenig ambitiösen „Juncker-Plan“ der europäischen Kommission zu kritisieren, nach dem für drei Jahre 300 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, obwohl diese Summe an Investitionen jährlich fehlt. Dieses Manko an Investitionen bedeutet ganz konkret, dass die öffentlichen Dienstleistungen abgebaut werden, und dass die Zukunft der EU schwer belastet wird. Die Investitionen bleiben notwendig, um nicht zu sagen lebenswichtig, auch wenn sie über öffentliche Schulden getätigt werden müssen. Der OGBL betrachtet demnach die Regeln, die in den vergangenen Jahren auf europäischer Ebene aufgestellt wurden, um die öffentlichen Schulden abzubauen, als katastrophal, und fordert ihre Überarbeitung.

Doch die öffentlichen Investitionen sind nicht die einzigen, an denen es mangelt. Die Unternehmen investieren auch nicht genug, obwohl das Geld dafür vorhanden ist. Für den OGBL ist es ziemlich klar, dass dieses Defizit in Verbindung ist mit der miesen Stimmung, die zurzeit vorherrscht, und die von einer mangelnden Nachfrage geprägt ist. Wenn man aber weiß, dass 83% der europäischen Wirtschaft von der Binnennachfrage abhängen (Binnenmarkt), so wird der Weg des Aufschwungs nur über eine Verbesserung der Kaufkraft der Haushalte führen können.

Verhandlungen mit Regierung und Patronat

Der OGBL-Nationalvorstand hat darüber hinaus eine Zwischenbilanz der immer noch laufenden Verhandlungen mit Regierung und Patronat zu unterschiedlichen Themen gezogen.

comite_national_24_03_15_2

Was den Elternurlaub betrifft, so gibt sich der OGBL offen gegenüber der Lockerung Letzterem, indem ermöglicht wird, sich für die kürzere Fassung zu entscheiden (4 Monate statt 6), hat jedoch angekündigt, dass er es als unannehmbar betrachten würde, wenn es zu einer Diskriminierung bezüglich der Entschädigung zwischen den Empfängern des Elternurlaubs käme, im Verhältnis zu ihrem Einkommen. Was den Arbeitsplatzschutz betrifft, so kann der OGBL die Einstellung des Patronats im Rahmen der laufenden Verhandlungen, die ein Weiterkommen in diesem Dossier verhindern, nur bedauern. Dieses Dossier bräuchte vielmehr dringend eine Reform, die die Gesetzgebung verstärkt, insbesondere um gegen die Arbeitslosigkeit anzukämpfen. Der OGBL betrachtet dann noch als ungenügend die Vorschläge der Regierung zur Reform des progressiven Vorruhestands, der die Abschaffung des Solidaritäts-Vorruhestandes kompensieren soll. Was die Arbeitszeit-organisation betrifft, obwohl die Diskussionen noch gar nicht begonnen hatten, hat der OGBL erneut bekräftigt, dass er keinerlei negative Flexibilisierung akzeptieren würde. Ganz im Gegenteil. Was anschließend die berufliche Weiterbildung betrifft, so besteht der OGBL im Rahmen der aktuellen Verhandlungen darauf, die Rechte der Arbeitnehmer zu erweitern und das Prinzip des Mitbestimmungsrechts bei der Organisation dieser Weiterbildung. Was die Praktika in Unternehmen betrifft, so möchte der OGBL, dass die Gesetzgebung dahingehend umgeändert wird, dass die Praktikanten über eine soziale Absicherung verfügen, und dass ihnen ein angemessener Lohn garantiert wird. Schließlich, was die Sozialversicherung betrifft, wofür die Gespräche ebensowenig begonnen hatten, so hat sich der OGBL klar für eine Reform der Arbeitsmedizin ausgesprochen, mit dem Ziel, eine einzige Arbeitsmedizinabteilung zu schaffen.

Die Reform des „Chèque service-accueil“ und ihre Problematik

Der OGBL-Nationalvorstand hat sich anschließend mit der angekündigten Reform des „Chèque service-accueil“ befasst, indem er diesbezüglich eine Reihe von Vorbehalten äußerte. Erstens gibt es zurzeit keine Garantie dafür, dass der „Chèque service-accueil“ den gleichen Wert wie bisher behält, was natürlich unannehmbar wäre. Zweitens, um die gebotene Qualität innerhalb der Empfangsstrukturen zu garantieren, besteht der OGBL darauf, dass der SAS-Kollektivvertrag zur allgemeinen Pflicht in all den Strukturen deklariert wird, die in Zukunft vom „Chèque service-accueil“ profitieren wollen, einschließlich der kommerziellen Strukturen, die zurzeit davon befreit sind. Drittens, auch wenn der OGBL das Vorhaben der Regierung begrüßt, den „Chèque service-accueil“ „exportfähig“ zu machen, so befürchtet er jedoch, anhand des Textes, wie er zurzeit diskutiert wird, dass neue Diskriminierungen gegen die Grenzgänger auf künstliche Art und Weise eingeführt würden.

Für eine Aufwertung von 10% des sozialen Mindestlohns

Der OGBL-Nationalvorstand hat schließlich beschlossen, in den kommenden Wochen eine landesweite Kampagne zu starten, die zum Ziel hat, den sozialen Mindestlohn um 10% aufzuwerten. Es ist absolut klar, dass dieser zurzeit viel zu niedrig ist. So kommt es, dass die Arbeitnehmer, die heute in Luxemburg diesen Lohn beziehen, heute nur knapp dem offiziellen Armutsrisiko entkommen. Außerdem hat Luxemburg im europäischen Vergleich den höchsten Prozentsatz an „Working Poor“ (Armut trotz Arbeit). Der OGBL kann es nicht akzeptieren, dass wenn ein Mensch der 40 Stunden pro Woche arbeitet, er sich so nahe an der Armutsrisikoschwelle befindet.

Ja zum fakultativen Wahlrecht ab 16
Gleichzeitig zur Frage der Zulassung der nichtluxemburgischen Einwohner zu den Wahlen, zu der der OGBL schon Stellung genommen hat, hat der Nationalvorstand am 24. März 2015 beschlossen, sich auch für das fakultative Wahlrecht der Jugendlichen ab 16 beim Referendum vom 7. Juni 2015 auszusprechen. Diese Entscheidung ist hauptsächlich dadurch begründet, dass ein Jugendlicher mit 16 zurzeit das Recht hat zu arbeiten, und demnach Steuern zu zahlen. So versteht es sich also von selbst, dass er auch das Recht hat, am demokratischen Prozess teilzunehmen.