Der OGBL nimmt Stellung zu den Entscheidungen des Regierungsrats vom 3. April 2020

The good, the bad and the ugly

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Bei seiner Sitzung vom 3. April 2020 hat der Regierungsrat 7 neue großherzogliche Verordnungen (und zwei Gesetzentwürfe) im Rahmen des Ausnahmezustands angenommen, nur zwei Tage nach der Annahme von 15 weiteren großherzoglichen Verordnungen am 1. April. Diese Verordnungen enthalten eine ganze Reihe von Ausnahmeregelungen zum Arbeitsrecht, und in geringerem Maße zum Sozialgesetzbuch. Der OGBL besteht darauf Stellung zu nehmen gegenüber den vier von der Regierung gefassten Entscheidungen vom vergangenen 3. April, die für die ArbeitnehmerInnen, die RentnerInnen und deren Familien von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Es muss bemerkt werden, dass das schnelle Aufeinanderfolgen von neuen Verordnungen, die durch die Tatsache erklärt werden kann, dass auf die letzten Entwicklungen der Verbreitung des Coronavirus reagiert werden muss,  eine Analyse mit kühlem Kopf der Folgen jedes einzelnen Entschlusses nicht einfache wirdr. Die fast täglichen Veränderungen des Verordnungsrahmens, begleitet von der Tatsache, dass verschiedene großherzogliche Verordnungen, die seit Anfang des Krisenzustands am 18. März verabschiedet wurden, schon mehrmals umgeändert wurden, tragen zur Unsicherheit sowohl bei den Bürgern wie bei den Unternehmen bei. Es ist zu hoffen, dass sich in den kommenden Wocheneine gewisse Beruhigung bei neuen Reglementierungen einstellen wird, umso mehr man weiß, dass die Gefahr besteht, dass die Zeit der Isolierung noch eine Weile dauern wird.

The good

Der OGBL begrüßt die Einführung eines „Urlaubs zur Unterstützung der Familie“ mit rückgreifender Wirkung zum 18. März 2020, um den ArbeitnehmerInnen und den FreiberuflerInnen zu ermöglichen, sich zu Hause um eine volljährige Person mit Behinderung oder um eine ältere Person zu kümmern, mit der sie zusammenwohnen. Wenn diese Maßnahme zum Ziel hat, die Schließung der Behinderten- und Seniorenheime durch die Regierung zu kompensieren, so geht die Existenz eines solchen Urlaubs in Richtung der Forderung des OGBL, den „Sozialurlaub“ der bereits heute in einer gewissen Zahl von Kollektivverträgen besteht, zu verallgemeinern.

Die Situationen in denen der/die ArbeitnehmerIn frei nehmen muss, um sich um ein Kind mit Behinderung oder um eine ältere Person im gleichen Haushalt zu kümmern, werden auch noch weiterhin nach Ende der aktuellen Krise bestehen. Der OGBL fordert in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber die Existenz dieses neuen außerordentlichen Urlaubs auch nach der Covid-19-Krise beibehält, mit den noch zu bestimmenden Modalitäten.

Der OGBL begrüßt auch, dass die Regierung beschlossen hat, während der Dauer des Krisenzustands die Abwesenheitsperioden bedingt durch Krankheit oder Unfall außerhalb der Arbeit aus der Berechnung der 78-Wochen-Schwelle, nach der der Arbeitsvertrag zu normalen Zeiten zu Ende geht, herauszunehmen. Es muss jedoch bedauert werden, dass die Regierung nicht gleichzeitig die Entscheidung getroffen hat, die gleiche Periode für die Berechnung der 26 Wochen Entlassungsschutz im Fall einer Krankheit zu neutralisieren.

The bad

Wenn der OGBL auch die Aussetzung der verspäteten Zinsen für Nicht-Zahlung der Sozialbeiträge von den ArbeitgeberInnen akzeptiert, so drückt er jedoch seine Ablehnung der Regierungsentscheidung aus, die Last der finanziellen Entschädigung während der 77 ersten Tage von der Arbeitgebermutualität auf die Krankenversicherung zu übertragen, und dies rückwirkend zum 1. April und voraussichtlich bis zum 30. Juni 2020. Es muss daran erinnert werden, dass die Arbeitgebermutualität schon über einen Finanztransfer von 33,6 Millionen Euro für das Jahr 2019 verfügt, und das im Rahmen der Erhöhung der gesetzlichen Schwelle von 52 bis 78 Wochen, der für 2020 gültig bleibt.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsrat der CNS beschlossen, Vorschüsse für eine Zeitspanne von 5 Wochen ab dem 16. März 2020 zu gewähren, und das bis zu einem Maximalbetrag von 230 Millionen Euro, um der Arbeitgebermutualität zu ermöglichen schneller an, ihre Mitglieder zurückzuzahlen. Man muss sich also fragen, was diesen neuen umfangreichen Transfer rechtfertigt.

Der OGBL hätte akzeptiert, dass die Vorschüsse an die Arbeitgebermutualität gezahlt würden, um die ärztlichen Atteste zurückzuzahlen, die in Verbindung mit der Covid-19-Krise sind. Eine Übernahme der finanziellen Entschädigung für jegliche Art von Krankheit, auch ohne Zusammenhang mit der aktuellen Krise, und ohne Rückzahlungsbedingung bis zum Ende der Krise ist unannehmbar.

Die Regierung hat allerdings dem OGBL versichert, dass bei der Endabrechnung eine Anhebung der Staatsbeteiligung vorgesehen ist, um mögliche Verluste auszugleichen. Der OGBL wird darauf achten, dass dies geschieht, doch ändert das nichts an seiner Kritik.

The ugly

Schließlich prangert der OGBL die Regierungsentscheidung an, in den als „wesentlich“ definierten Sektoren vorzusehen, dass der Arbeitgeber nicht nur neue Urlaubsanfragen ablehnen kann (wie das seit dem 18. März der Fall ist), sondern dass er jetzt auch Urlaub streichen kann, der dem Arbeitnehmer schon gewährt worden war. Dies verstößt gegen jegliche Jurisprudenz auf dem Gebiet sowie gegen das Prinzip des gemeinsamen Einverständnisses zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn. Dieser Entscheid der Regierung kommt zum Entscheid der Ausnahmeregelung hinzu, der es den Unternehmen der gleichen Sektoren erlaubt, auf ministeriellen Beschluss hin, die Arbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche zu erhöhen.

Wir befinden uns demnach in einer paradoxalen Situation in der die Regierung alle aufruft zu Hause zu bleiben, und wo gleichzeitig ein nicht zu unterschätzender Teil der Wirtschaft auf Kurzarbeit gesetzt ist, während sie gleichzeitig von den ArbeitnehmerInnen der betroffenen Sektoren verlangt, bis zur Erschöpfung und ohne die notwendigen Ruhezeiten zu respektieren, zu arbeiten. Vergessen wir nicht, dass es sich bei diesen Sektoren oft um jene handelt, die am schlechtesten bezahlt sind (Handel, Reinigung, Wachdienste).

In einem Kontext von totaler Ungewissheit bezüglich der Dauer der Krisenmaßnahmen, können solche Strategien langfristig nicht gesund sein, um das reibungslose Funktionieren dieser entscheidenden Sektoren zu gewährleisten. Ganz im Gegenteil werden sie eine Zunahme der krankheitsbedingten Abwesenheiten zur Folge haben, die aufgrund der Pandemie ohnehin bereits höher sind als zu normalen Zeiten.

Der OGBL erwartet, dass die ArbeitgeberInnen sich verantwortungsvoll zeigen, dass sie in diesem schwierigen Kontext darauf achten, dass die ArbeitnehmerInnen ihre Kräfte wieder sammeln können, und dass sie das Prinzip des gemeinsamen Einverständnisses bezüglich der Urlaubsplanung respektieren. Maßnahmen, die es ermöglichen andere Kompensationsmittel in Erwägung zu ziehen, wie zum Beispiel steuerfreie Prämien, müssen eingeführt werden, statt die Arbeitnehmer der genannten Sektoren zu bestrafen. Diese ArbeitnehmerInnen begeben sich weiterhin, nicht ohne Angst, zu ihrer Arbeit und setzen sich dabei täglich der Gefahr aus, angesteckt zu werden. Sie haben Besseres verdient. Ihre Aktivität ist für unsere Gesellschaft entscheidend.

Der OGBL bedankt sich herzlich bei all diesen ArbeitnehmerInnen.

Mitgeteilt vom OGBL
am 6. April 2020