Eine Regierung, die ihren eigenen Zielen völlig widerspricht

Die Sozialversicherung ist weit mehr als nur ein soziales Sicherheitsnetz. Sie ist das Erbe der Kämpfe der Arbeiterschaft und ist eine der Grundlagen für eine gerechte und solidarische Gesellschaft, die die Wirtschaft in den Dienst der Menschen stellt und nicht umgekehrt.

Seit den 1980er-Jahren versucht die neoliberale Ideologie jedoch, die Grundlagen dieses Modells schrittweise zu untergraben. Auch heute noch versucht die aktuelle Regierung, getrieben von diesem Neoliberalismus à la Thatcher und Reagan, unsere sozialen Errungenschaften zu schwächen, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit erneut zur absoluten Priorität der Wirtschaftspolitik macht und dabei alles andere vernachlässigt.

Die Debatte um die Renten, die in der Presse ungeschickt von einer Regierung ausgelöst wurde, die im Wahlkampf nicht davon gesprochen hatte, in Kombination mit den beispiellosen Angriffen, die unsere Kollektivverträge schwächen sollen, zeigt, dass wir heute mehr denn je unsere sozialen Errungenschaften gegen jeglichen progressiven Abbau verteidigen müssen.

Und der OGBL warnt: Der Kreuzzug gegen die sozialen Errungenschaften kann sich als fatal erweisen, gerade auch für die viel beschworene Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.

Es wird immer offensichtlicher, dass die Arbeitgeber sowie die Regierung an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Während sich die wirtschaftlichen und sozialen Krisen häufen, sollte die Reform und vor allem die Stärkung unseres Sozialversicherungssystems die oberste Priorität für eine Gesellschaft sein, die widerstandsfähiger werden will und muss.

Denn angesichts eines zunehmend internationalen und wettbewerbsorientierten Arbeitsmarktes, auf dem die berufliche Mobilität stetig zunimmt, kann ein robustes und integratives System der Sozialversicherung zu einem entscheidenden Vorteil werden, wenn es darum geht, Arbeitnehmer anzuziehen und zu binden.

Wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht, wäre es daher schädlich, ein so entscheidendes Element wie die Sozialversicherung zu unterschätzen. Für die Arbeitnehmer verkörpert sie ein Versprechen der Stabilität angesichts der Unwägbarkeiten des Lebens: Krankheit, Unfälle, Arbeitslosigkeit und Alter. Durch die Stärkung seines verlässlichen und umfassenden Pflichtversicherungssystems würde Luxemburg Unsicherheiten reduzieren, ein Gefühl der Sicherheit schaffen und damit die Attraktivität des Landes steigern. Die Arbeitnehmer von heute suchen in der Tat nach Arbeitsumgebungen, die ihnen im Falle eines Schicksalsschlags Schutz bieten.

In ihrer Studie „Welches OECD-Land bietet die besten Bedingungen für internationale Talente?“ untersuchte die OECD die Faktoren, die die Entscheidung von qualifizierten Arbeitskräften, in ein anderes Land zu ziehen, beeinflussen. Die Studie hebt gerade hervor, dass Unternehmen, die in einem Umfeld mit starker sozialer Sicherheit tätig sind, nicht nur bei der Einstellung attraktiver sind, sondern auch ihre Mitarbeiter stärker an sich binden. Ein Arbeitnehmer, der weiß, dass er sich auf bezahlten Krankheitsurlaub, medizinische Versorgung oder eine solide Rente verlassen kann, wird sich weniger wahrscheinlich anderswo nach Möglichkeiten umsehen.

Leider ist die luxemburgische Regierung dabei, das Gegenteil zu tun, indem sie die rein wirtschaftlichen und engstirnigen Mantras der Arbeitgeber übernimmt, denen zufolge ein Arbeitnehmer einfach gleichbedeutend mit einer Ausgabe ist. Bei dem Versuch, einerseits die Löhne durch Kollektivverträge und andererseits die Renten anzugreifen, scheinen die Politiker vor allem zu ignorieren, dass die Hauptantriebskraft einer Volkswirtschaft die Arbeitnehmer sind, die sie in jeder Hinsicht am Laufen halten.

In diesem Zusammenhang darf auch nicht der Tiefschlag des Wirtschaftsministers in Bezug auf die vollständige Liberalisierung der Öffnungszeiten im Handelssektor vergessen werden. Es ist an Widersprüchlichkeit nicht zu überbieten, die Arbeitsbedingungen eines ganzen Sektors, der hauptsächlich von Grenzgängern getragen wird, grundlegend zu verschlechtern und gleichzeitig die Verlangsamung des Beschäftigungswachstums zu beklagen. Außerdem ist es derselbe Minister, der sich die „talent attraction“ zur Aufgabe gemacht hat, um die Attraktivität des Landes für ausländische Arbeitnehmer zu steigern.

Dabei ist das keine Hexerei. Die von den national repräsentativen Gewerkschaften in Kollektivverträgen ausgehandelten Leistungen wie Löhne, Urlaub oder Arbeitszeitregelungen spielen eine Schlüsselrolle für die Stärke unseres Wirtschaftssystems und damit für seine Attraktivität. Dieses luxemburgische Modell garantiert seit Jahrzehnten den sozialen Frieden, was insbesondere für multinationale Unternehmen von Interesse sein dürfte.

Zweitens bildet ein solides System der Sozialversicherung das Fundament, auf dem alles andere aufbaut. Deshalb muss sich das System ständig weiterentwickeln, um den sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Investitionen in ein robustes, integratives und zugängliches Sozialschutzsystem sind mehr denn je eine Notwendigkeit, um die Herausforderungen der heutigen Zeit zu bewältigen und gleichzeitig den öffentlichen und obligatorischen Charakter der Sozialversicherung zu erhalten. Private, profitorientierte Versicherungen können niemals die Gerechtigkeit und Effizienz garantieren, die unser öffentliches System auszeichnen.

Für den OGBL ist klar, dass dies der einzige Weg ist, um eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Zukunft aufzubauen. Kurzum: Gute Arbeitsbedingungen, kombiniert mit einer starken Sozialversicherung, sind eine Win-Win-Situation für alle.

Dieser Artikel wurde im Aktuell veröffentlicht (1/2025)