Die Beispiele aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe und der Gemeinschaftsverpflegung zeigen die Mängel der derzeitigen Gesetzgebung über Kollektivverträge auf – und unterstreichen die Dringlichkeit einer Reform eben dieser Gesetzgebung.
Der Befund ist bitter. Im Handelssektor sind nur 38 % der Arbeitnehmer durch einen Kollektivvertrag abgesichert. Im Horeca-Sektor sind es nur 21 %. Zwei der größten Wirtschaftszweige des Landes sorgen also dafür, dass der Deckungsgrad der Kollektivverträge in Luxemburg erheblich sinkt – er liegt in der Gesamtwirtschaft nur noch bei 59 % und allein im Privatsektor bei 53 %. Kaum einer von zwei Arbeitnehmern, und dies obwohl eine EU-Richtlinie von den europäischen Ländern verlangt, einen Deckungsgrad von 80 % zu erreichen.
„Die Gesetzgebung zu den Kollektivverträgen revidieren“ heißt ein Unterkapitel im Regierungsabkommen der scheidenden Koalition.
„Das Arbeitsrecht spielt eine wichtige Rolle, aber es kann nicht alles regeln“, heißt es dort. „Eine wichtige Rolle kommt den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Rahmen von Kollektivverträgen oder branchenübergreifenden Vereinbarungen zu. Die diesbezüglichen Rechtsvorschriften aus dem Jahr 2003 werden einer Evaluierung unterzogen, deren Ergebnisse dem CPTE im Hinblick auf mögliche Anpassungen unter Berücksichtigung von Rechtsvorschriften, die Kollektivverträgen eine wichtige Rolle zuweisen (,Tarifautonomie’), vorgelegt werden.“
Es muss jedoch festgestellt werden, dass dies nicht der Fall ist. Das Kollektivvertragsgesetz hat sich nicht geändert. Wie kann man also behaupten, ernsthaft alles tun zu wollen, um die von der EU-Richtlinie empfohlenen 80 % zu erreichen?
Ein Blick auf die am wenigsten kollektivvertraglich abgesicherten Sektoren, den Handel und das Hotel- und Gaststättengewerbe, verdeutlicht, wie sehr die derzeitige Gesetzgebung die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften beeinträchtigt und jegliche Bemühungen um eine konsequente Erhöhung des Deckungsgrades behindert.
In diesen beiden Sektoren, in denen der Anteil der Beschäftigten, die den sozialen Mindestlohn verdienen, gleichzeitig am höchsten ist, gibt es derzeit keinen Branchenkollektivvertrag außer dem für den Garagensektor.
Gleichzeitig verweisen die Arbeitgeberverbände dieser Branchen immer wieder auf den Arbeitskräftemangel, mit dem sie angeblich konfrontiert sind. Die Gründe dafür sind in ihren Augen jedoch offensichtlich nicht in unattraktiven Lohn- und Arbeitsbedingungen zu suchen, sondern in der mangelnden Motivation potenzieller Arbeitnehmer sowie in einem zu starren Arbeitszeitgesetz oder einem zu hohen Krankenstand.
Im Horeca-Sektor, der während der sanitären Kkrise – zu Recht und mit Unterstützung des OGBL, der insbesondere einen Plan zum Beschäftigungserhalt unterzeichnete – in großem Umfang von staatlichen Beihilfen profitierte, hat der OGBL Kontakt mit dem Arbeitgeberverband Horesca aufgenommen, um eine offene Diskussion über einen möglichen Branchenkollektivvertrag zu führen.
Während die Föderation Horesca, als es um die Kurzarbeit und die verschiedenen Beihilfen ging, sich mehrmals mit Vertretern des OGBL getroffen und immer auf die Dringlichkeit der Situation hingewiesen hatte, ist ihre Haltung eine ganz andere, wenn es um die Arbeits- und Lohnbedingungen geht: Sie hat sich nicht einmal dazu herabgelassen, auf die verschiedenen Briefe und Anrufe des OGBL zu antworten.
Angesichts dieser Haltung stellt sich ganz konkret die Frage, ob die verschiedenen staatlichen Beihilfen – die, wie wir uns erinnern, mit Steuergeldern bezahlt werden – an die Bedingung eines Kollektivvertrags geknüpft werden sollen.
Eine andere Frage stellt sich im Fall der Gemeinschaftsverpflegung (Catering). Diese Branche, die etwa 5000 Arbeitnehmer beschäftigt und die im Gegensatz zur Reinigung oder Bewachungsdiensten – durchaus vergleichbare Tätigkeiten – keinen Kollektivvertrag hat, hängt direkt von öffentlichen Aufträgen ab, was ihre Tätigkeiten beispielsweise in Schulkantinen, Maison-relais oder auch Betreuungseinrichtungen betrifft.
Der Sektor wird also direkt mit öffentlichen Geldern – einmal mehr vom Steuerzahler – finanziert. Der OGBL versucht seit vielen Jahren, einen sektoriellen Kollektivvertrag für die Beschäftigten im Catering auszuhandeln, ein Projekt, das immer wieder an der prinzipiellen Blockade der Patronatsseite scheitert.
Ein sektorieller Kollektivvertrag würde nicht nur endlich die Attraktivität dieses Sektors erhöhen – und das hat er auch nötig – , sondern auch die schwierige Frage des Betriebsübergangs in einem Umfeld regeln, in dem der Arbeitgeber nach einer Ausschreibung von einem Tag auf den anderen wechseln kann.
Abgesehen von der Angst vor einem möglichen großen Arbeitskonflikt, der sich langsam ankündigt, haben die Arbeitgeber in diesem Sektor bislang kein “Incentive”, ihre Blockade in den Verhandlungen aufzugeben. Die Unternehmen können weiterhin öffentliche Gelder kassieren, ohne eine Gegenleistung in Form von Arbeitsbedingungen und Löhnen erbringen zu müssen.
In den letzten Jahren hat der OGBL eine Reihe von Anstrengungen unternommen, um den Deckungsgrad der Kollektivverträge zu erhöhen: So konnte eine Reihe von neuen Kollektivverträgen, insbesondere im Handelssektor, unterzeichnet werden, die in den letzten zwei Jahren über 1.000 zusätzliche Arbeitnehmer abdeckten.
Solange das Kollektivvertragsgesetz nicht geändert wird, solange es keine kollektivvertraglichen Bedingungen für die Gewährung staatlicher Beihilfen oder die Vergabe öffentlicher Aufträge gibt, bleiben diese ermutigenden Ergebnisse weit hinter den möglichen Ergebnissen zurück, die mit einer grundlegenden Reform des Gesetzes erzielt werden könnten. Jeder, der die EU-Richtlinie über den Deckungsgrad von Kollektivverträgen ernst nimmt, jeder, der behauptet, ernsthaft etwas für einen höheren Deckungsgrad tun zu wollen, kann dies nicht ignorieren.
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