Fristen für den Versand von Arbeits­unfähigkeitsbescheinigungen aus dem Ausland: der OGBL sucht nach Lösungen

Eine OGBL-Delegation, bestehend aus Jean-Luc De Matteis, Jacques Delacollette und Christian Simon-Lacroix, traf sich am 3. April 2023 mit Nadine Welter, Erste Beraterin im Arbeitsministerium, assistiert von Armin Skrozic und Linda Dioniso, um über die Frage der Fristen für den Versand von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu sprechen. Angesichts der Verlängerung der Postlaufzeiten infolge der Neuorganisation der Postdienste in Frankreich, aber auch in Belgien und Deutschland, wird die Verpflichtung des Grenzgängers, seinem Arbeitgeber oder seinem Vertreter spätestens am dritten Tag seiner Abwesenheit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, auf dem Postweg in der Praxis immer komplizierter.

Um vielen Grenzgängern die Möglichkeit zu geben, ihrer Pflicht zur Meldung und Übermittlung des Krankenscheins in gutem Glauben nachzukommen, hat der OGBL vorgeschlagen, die geltende Gesetzgebung zu ändern.

Um dem Arbeitgeber jedoch eine Garantie zu geben und damit er nicht im Ungewissen über die Dauer der Abwesenheit des Arbeitnehmers bleibt, wurde insbesondere vorgeschlagen, die Pflicht des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber (oder seinen Vertreter) persönlich zu benachrichtigen und ihm die Bescheinigung auf andere Weise, wie beispielsweise per E-Mail, zu übermitteln, zu verschärfen.

Der OGBL informierte die Vertreter des Ministeriums auch darüber, dass sich die Frage der Postlaufzeiten auch im Rahmen der Gespräche im Vorfeld von Entlassungen stellt, da in diesen Fällen die Frist zwischen dem Brief und dem Gesprächstermin so kurz ist, dass das Gespräch bereits vor Erhalt des Briefes stattfinden kann – was dem Arbeitnehmer natürlich nicht einmal die Möglichkeit gibt, daran teilzunehmen.

Die Delegation des Ministeriums war sich dieser Probleme bewusst und erklärte, dass sie diese Fragen im Hinblick auf einen möglichen Vorschlag zur Änderung des Arbeitsgesetzbuchs untersuchen werde.

Neue Rahmenvereinbarung zum anzuwendenden Sozialversicherungsrecht bei gewöhnlicher grenz- überschreitender Telearbeit ab dem 1. Juli 2023

Der physische Arbeitsort ist ein entscheidendes Kriterium im Hinblick auf das anzuwendende Sozialversicherungsrecht. Wenn Sie nicht im Staat des Arbeitgebersitzes wohnen, kann daher die Ausübung von Telearbeit zu Hause („Homeoffice“) zu einem Wechsel des Sozialversicherungsrechts führen. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die (Tele-)Arbeit im Wohnstaat einen Anteil von 25% übersteigt.

Wegen Covid-19 wurde vereinbart, dass Grenzgänger*innen trotz einer Tätigkeit von mehr als 25% Homeoffice im Wohnstaat im eigentlichen Beschäftigungsstaat sozialversichert bleiben. Diese mehrmals verlängerten Sonderregelungen werden zum 30.06.2023 auslaufen. Da sich Telearbeit inzwischen europaweit etabliert hat, wurde auf europäischer Ebene eine Nachfolgeregelung mit dem Ziel verhandelt, Grenzgänger*innen auch weiterhin Homeoffice in einem größeren Umfang zu ermöglichen, ohne dass es zu einem Wechsel des Sozialversicherungssystems kommt.

Ergebnis dieser Beratungen ist eine multilaterale Rahmenvereinbarung auf Grundlage von Artikel 16 Absatz 1 der EG-Verordnung 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Diese Rahmenvereinbarung ist freiwillig und tritt am 01.07.2023 in Kraft, sofern sie von mindestens zwei Staaten unterzeichnet wird. Sie gilt dann für zunächst fünf Jahre und soll allerdings nur eine Übergangslösung sein, da die europäischen Koordinierungsregeln an die veränderte Arbeitswelt (u.a. grenzüberschreitende Telearbeit) längerfristig angepasst werden sollen. Deutschland, Belgien und Luxemburg haben diese Rahmenvereinbarung bereits unterzeichnet

Voraussetzungen, um unter die neue Regelung zu fallen

Für eine Person, die eine abhängige Beschäftigung

  • für einen Arbeitgeber (oder mehrere Arbeitgeber, die jedoch nur in einem Staat ansässig sind)
  • sowohl in dem Staat, in dem sich die Geschäftsräume des Arbeitgebers oder dessen Betriebsstätte befinden,
  • als auch in ihrem Wohnstaat – insbesondere in der häuslichen Umgebung – in Form von Telearbeit unter Einsatz von Informationstechnologie ausübt und auf diese Weise die ihr zugewiesenen Aufgaben erfüllt, sind die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Staates anzuwenden, in dem der Arbeitgeber ansässig ist bzw. dessen Betriebsstätte liegt.

Dies gilt, sofern

  • eine entsprechende Vereinbarung in ihrem Interesse liegt und beantragt wird,
  • kein dritter Staat involviert ist (z.B. ein weiterer Staat, in dem gewöhnlich gearbeitet wird) und
  • die Telearbeit im Wohnstaat zwischen 25% und weniger als 50% der gesamten Beschäftigung ausmacht.

Sie haben also eine Wahlmöglichkeit, ob Sie die neue Regelung nutzen möchten oder nicht.

Was müssen Grenzgänger*innen tun, um unter die neue Regelung zu fallen?

Die Rahmenvereinbarung gilt für grenzüberschreitende Telearbeit zwischen 25% und 49,9% der Gesamtarbeitszeit. Wenn Sie die neue Regelung nutzen möchten und sowohl Ihr Wohnstaat und der Staat Ihres Arbeitgebers diese Rahmenvereinbarung unterzeichnet haben, müssen Sie Ihre A1-Bescheinigung beantragen, und zwar in dem Staat, dessen Rechtsvorschriften für Sie weiterhin gelten sollen, d.h. beim zuständigen Träger des Staats, in dem Ihr Arbeitgeber seinen Sitz hat. Es wird grundsätzlich das übliche Antrags-verfahren für Ausnahmevereinbarungen gemäß Artikel 16 Absatz 1 der EG-Verordnung 883/2004 gelten.

Bei Antragstellung bis zum 30.06.2024 findet das beantragte Sozialversicherungsrecht rückwirkend ab dem 01.07.2023 Anwendung, sofern Sie durchgängig der Sozialversicherung des Staates unterlegen haben, welcher gemäß Rahmenvereinbarung zuständig ist.

Grenzüberschreitende Telearbeit bis zu 25% (maximal 24,9%) ist ohne Auswirkungen auf die Sozialversicherungen möglich.

Beachten Sie bitte, dass dieses Rahmenabkommen nur die soziale Versicherung betrifft und nicht die Besteuerungsregeln für Grenzgänger.

Delhaize: Belgien-Luxemburg, der gleiche Kampf!

Nach der jüngsten Ankündigung der Delhaize-Gruppe, alle 128 integrierten Verkaufsstellen in Belgien in Franchisebetriebe umzuwandeln, hat der OGBL mehrere Initiativen ergriffen.

So traf sich am 13. März eine Delegation des OGBL-Syndikats Handel mit der Direktion von Delhaize Luxemburg, um die Situation und das Schicksal der Filialen in Luxemburg zu besprechen. Die Direktion versicherte, dass die finanzielle Situation der Filialen in Luxemburg gut sei, ohne jedoch garantieren zu können, dass die Entscheidung, die der Konzern bezüglich der Niederlassungen in Belgien getroffen hat, nicht auch auf Luxemburg ausgeweitet werden könnte.

Das Syndikat Handel des OGBL traf sich daraufhin am 15. März mit Françoise Malherbe, der hauptamtlichen Sekretärin für den Handelssektor bei der FGTB, der belgischen Gewerkschaft, die in den Kampf bei Delhaize eingebunden ist. Ziel dieses Treffens war es, sich über die Situation in den Delhaize-Filialen in Belgien und Luxemburg auszutauschen und ein Bündnis zwischen den beiden Gewerkschaften in diesem Konflikt zu schließen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Beschäftigten seit der Ankündigung des Konzerns ununterbrochen Streikposten in rund 100 Filialen in Belgien aufrecht erhalten haben.

Es muss betont werden, dass Delhaize, wie alle Einzelhandelsunternehmen, als großer Gewinner aus der Krise hervorgegangen ist. Der Konzern, der beschlossen hat, die Zukunft von 9.000 belgischen Arbeitnehmern zu gefährden, befindet sich also nicht in Schwierigkeiten.

Der OGBL verurteilt die Entscheidung des Konzerns aufs Schärfste und ist alles andere als überzeugt, dass dieser sich nicht eines Tages zu einem ähnlichen Schritt in Luxemburg entschließen wird. Darüber hinaus befürchtet der OGBL, dass diese organisierte Sozialrazzia andere Handelskonzerne inspirieren könnte.

Der OGBL hat mit der Unterstützung der Beschäftigten im Rahmen der Streikpostenaktion begonnen, insbesondere in der Delhaize-Filiale in Arlon. Der OGBL wird die Arbeitnehmer weiterhin begleiten, indem er an zukünftigen Aktionen der belgischen Gewerkschaften teilnimmt und auch in Luxemburg Sensibilisierungsaktionen durchführen wird.

Mitgeteilt vom Syndikat Handel des OGBL,
den 17. März 2023

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Automatische Lohnindexierung, wir lassen nicht locker!

Seit einem Jahr kämpft der OGBL allein für die Verteidigung unseres Mechanismus zur Anpassung der Löhne an die steigenden Lebenshaltungskosten. Dieser Kampf zur Verteidigung unserer Rechte und Errungenschaften ist ein täglicher Einsatz. Und auch wenn dank dieses unermüdlichen Kampfes im Februar und April zwei Indexanpassungen gezahlt wurden, müssen wir angesichts der wiederholten Angriffe der Arbeitgeber und der liberalen Politik, die sowohl in Luxemburg als auch in Europa verfolgt wird, um diese Errungenschaften zu zerstören, unnachgiebig bleiben.

In diesem Zusammenhang ist die gewerkschaftliche Solidarität von größter Bedeutung. In Belgien führt der FGTB den gleichen Kampf zur Verteidigung der automatischen Indexierung der Löhne und Gehälter (dieser Mechanismus existiert nur noch in Luxemburg, Belgien und Malta und wird von der OECD ständig untergraben).

Die Verteidigung des Index in Belgien bedeutet auch die Verteidigung unseres Index in Luxemburg.

Kommt alle nach Marche en Famenne am 14. Februar, um gemeinsam mit den belgischen Gewerkschaften zu demonstrieren!

ZUR VERTEIDIGUNG UNSERES INDEX!

Automatische Indexierung der Löhne, wir lassen nicht locker!

Busse ab Esch/Alzette (OGBL) um 9 Uhr, Aubange-Gare um 9.25 Uhr, Arlon Bushaltestelle gegenüber Brico (Avenue de Longwy) um 9.45 Uhr, Martelange Bushaltestelle Apotheke auf der N4 um 10 Uhr, Bastogne Place Mc Auliffe um 10.20 Uhr. Rückfahrt: Wanderung in der Famenne (13.30 Uhr)

>>> Esch/Alzette (15.20 Uhr).

Nach der Veranstaltung ist ein Imbiss vorgesehen.

Einschreibung: jacques.delacollette@ogbl.lu oder +352 621 244 825

Erneuerung des Kooperationsabkommens zwischen OGBL und FGTB

collaboration_FGTB

Am vergangenen 28. Oktober erneuerten Nora Back und Jacques Delacollette für den OGBL und Thierry Bodson und Joël Thiry für die FGTB das Kooperationsabkommen, das seit 1973 zwischen den beiden Organisationen besteht.

Beide Gewerkschaften verfolgen die gleichen Ziele:

  • die Verteidigung der Interessen ihrer Mitglieder und der Arbeitnehmer im Allgemeinen;
  • die Schaffung einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft.

Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens zielt diese Zusammenarbeit insbesondere auf die Verteidigung der Interessen der Grenzgänger ab, und zwar sowohl auf der Ebene der individuellen Mitgliederbetreuung als auch auf der Ebene einer stärkeren Rolle bei der Ausübung von politischem Druck gegenüber den Behörden und den Arbeitgebern.

Konkret wollen die beiden Organisationen ihre sozialen Beratungsdienste ausbauen und verbessern. Um dies zu erreichen, stellt die FGTB:

  • dem OGBL Empfangsbüros für die Sprechstunden zur Verfügung. Bis heute verfügt der OGBL über ein Empfangsbüro für die Sprechstunden in:
  • Bastogne: jeden Dienstagnachmittag und jeden ersten Samstagvormittag des Monats;
  • Vielsalm: am 1. und 3. Donnerstagnachmittag des Monats;
  • Aywaille:am 1. und 3. Montagnachmittag des Monats.
  • gewährleistet die FGTB die Betreuung der belgisch/luxemburgischen Grenzgänger für ihre Mitglieder, aber auch für die Mitglieder des OGBL:
  • Arlon: an allen Wochentagen gemäß den Öffnungszeiten der Büros;
  • Virton: in den Räumlichkeiten der Mutualité Socialiste am 2. Mittwochnachmittag und am 4. Samstagvormittag des Monats.

Der Begleitausschuss setzt sich aus 2 Mitgliedern der FGTB (dem Regionalsekretär und der Koordinatorin des Grenzgängerdienstes) und 2 Mitgliedern des OGBL (einem Vertreter des geschäftsführenden Vorstands und dem Verantwortlichen für die belgischen Grenzgänger) zusammen.

Die Mission des Begleitausschusses besteht in:

  • der Gewährleistung der Organisation der Gewerkschaftsarbeit im Rahmen dieses Abkommens;
  • der Initiierung gemeinsamer grenzüberschreitender Aktionen und die Weiterverfolgung dieser Aktion;
  • der Verfolgung der gewerkschaftlichen und politischen Aktualität in Bezug auf die gemeinsamen Probleme.

Im Alltag sind die Beziehungen zwischen OGBL und FGTB-Luxembourg eng. Die Mitarbeiter der Gewerkschaften diesseits und jenseits der Grenze teilen Erfahrungen, Ratschläge und politische Visionen in einer ganzen Reihe von Bereichen, die sie vor Ort verteidigen; insbesondere in Sachen Mobilität, Arbeitsbedingungen, Lohn und Gesundheit am Arbeitsplatz. Auf Kongressen, Kolloquien und auch auf Veranstaltungen vereinen der OGBL und die FGTB als Ganzes, einschließlich ihrer zentralen Gremien, ihre Stimmen für ein gemeinsames Ziel: die Verteidigung der Interessen ihrer Mitglieder.

Industrieller Wandel, Klimawandel und Überwindung der Krise: Welche Auswirkungen für die Großregion?

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Prominente Gäste und ein spannendes Thema prägten die 9. Remicher Gespräche im CEFOS in Remich/Luxemburg. Eugen Roth, DGB, am 9. Juni 2021 in Nachfolge von Jean-Claude Bernardini (OGBL) zum Präsidenten des Interregionalen Gewerkschaftsrats der Großregion (IGRGR) gewählt, wies bei der Begrüßung auf die besondere Bedeutung der Industrie in allen Teilregionen sowie ihre herausragende Basis für den Beschäftigungs- und Sozialsektor hin. Frédérique Massade führte aus Sicht der Interregionalen Arbeitsmarkt – Beobachtungsstelle(IBA/OIE) in die Struktur der Arbeitsplätze auf dem Industriesektor der Großregion ein.

Den inhaltlichen Input machte der Luxemburgische EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit:
Der EU-Kommissar aus Luxemburg, ein Experte für die Belange der Großregion, beschrieb die gigantisch große Aufgabe, bis 2030 bereits die CO2-Emissionen um 55 % zu verringern. Netto Null-Emissionen sollen bis 2050 erreicht werden. Zur Überwindung der Coronakrise habe die EU ein Hilfsprogramm von 100 Milliarden Euro aufgelegt, von dem alle 27 Staat partizipiert hätten. Die Industrie müsse man in Europa und in der Großregion behalten. Auf dem Automobilsektor habe die Kommission große Ziele bis 2035: Es bleiben also 14 Jahre Zeit für rund 14 Millionen Beschäftigte, d.h. 13 % der Gesamtbeschäftigten. Insgesamt gehe es um 185 Produktionsstandorte europaweit. In 51 davon werden Motoren hergestellt. Bis 2035 sollten keine Verbrennungsmotoren mehr hergestellt werden bzw. ausschließlich auf Basis anderer Kraftstoffe. Hieraus ergebe sich ein riesiger Umschulungsbedarf. In enger Abstimmung mit EU Kommissar Thierry Breton für Binnenmarkt und Dienstleistungen würden Lösungsszenarien entwickelt, die auch durch die Umsetzung der Säule der sozialen Rechte komplettiert werde.

remich2Die ökonomischen und ökologischen Ziele hin zur Elektromobilität stehen im Zentrum der Planungen, d. h. die Ladeinfrastruktur usw. Europa produziere derzeit nur ca. 3 % der Batterien, Asien den Rest. Deshalb gebe es 20 große Batterieprojekte der EU in Europa. 800.000 Fachkräfte würden benötigt – wo können wir die finden? Nicolas Schmit: „Wenn wir diesen Zug verpassen, werden alle Autos zukünftig in China hergestellt.“ Europa müsse, am negativen Beispiel der verlagerten Halbleiterproduktion, bestimmte Schlüsselbereiche wieder selbst entwickeln und produzieren.

Die Logik des Marktes alleine funktioniere nicht und falls doch, wirke sie zerstörerisch. Das Gesamtfazit von EU-Kommissar Nicolas Schmit: Europa braucht auch zukünftig eine starke Industrie mit einer starken, sozialen Dimension.

Diskussionen in 2 Podien /„Tables Rondes“:

Es folgten 2 Diskussionsrunden, moderiert von Wolfgang Wirtz–Nentwig, Saarländischer Rundfunk, und von Wolfgang Lerch, DGB.

In den Diskussionen äußerten die Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften der Großregion Kritik an den Plänen, die bisher jegliche Arbeitsplatzgarantien oder Beschäftigungsgarantien im Zuge der Transformation vermissen ließen. Hinweise auf Flexibilisierungsanforderungen und Weiterbildung seien zu schwach angesichts der Tatsache, dass es bei den Arbeitnehmern um ihre gesamte, berufliche Existenz gehe. Auch würden die Beschäftigten bisher nicht ausreichend an den Umwandlungsprozessen beteiligt. Letztendlich, so die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, dürfe Europa sich nicht selbst deindustrialisieren.

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Hier seien auch die Unternehmensleitungen gefordert, sich selbst wesentlich stärker einzubringen und nicht immer nur an die Politik zu verweisen. Das Instrument der europäischen Betriebsräte müsse weiter gestärkt und ausgebaut werden. Momentan reiche es in der vorliegenden Form für die harte Qualität dieser Transformation noch nicht aus. Patrice Harster wies für den Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion(WSAGR) darauf hin, dass diese Beteiligungsform bei der Suche nach Problemlösungen sich bewährt habe und ein größeres, politisches Gehör verdiene.

Moderator Wolfgang Wirtz–Nentwig fasste zusammen, er sei optimistisch, dass sich die Lage der Arbeitnehmer durch die Knappheit der „Human Ressources“ verbessern werde. Die soziale Balance werde zunehmen auch zum Beispiel in China gefördert. Angst müsse man eher vor den „Rechten“ haben, die die Beschäftigten zu verunsichern bzw. deren berechtigte Fragen auszunutzen versuchten, ohne konstruktive Lösungen aufzuzeigen.

Die speziellen Anforderungen des Automobilsektors beleuchtete Didier Guyot von 3 E Consultants in einem Vortrag mit gewerkschaftlichem Blickwinkel genauer: Die Auseinandersetzung über die Antriebsart der Zukunft, d.h. Elektro- oder Wasserstoffmobilität oder emissionsfreie Verbrenner, wäre ähnlich einem „Religionskrieg“. Wer würde diese Entscheidungen treffen? Jedenfalls müssten die Gewerkschaften mit dabei sein. Nach dem französischen Modell „GPEC“ müssten sich die Unternehmen einbringen, alle 3 Jahre wiederholend, um ihre strategischen Entscheidungen offen zu legen.

Dabei müsse die Forschungs-, die Beschäftigungs- und die Ausbildungspolitik – alles – auf den Tisch gelegt werden. Auch die zweite Diskussionsrunde verlief lebhaft, zum Beispiel bei der Frage der Energieversorgung durch Atomkraft oder auch nicht?
Deutlich wurde aber die gemeinsame Gewerkschaftsforderung, dass die Beschäftigteninteressen über der Gewinnmaximierung stehen müssten. Arbeitsplätze, Arbeitsschutz und Umweltschutz müssten gemeinsam garantiert werden. Die Unternehmen bräuchten deshalb eine längerfristige, transparente Bedarfsplanung und, daran orientiert, eine gezielte Aus-, Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmer. Auch wir, d.h. die Gewerkschaften in der Großregion, sollten unsere Kommunikation untereinander verbessern und ausbauen.

Der Moderator der zweiten Diskussionsrunde, Wolfgang Lerch (DGB), fasste zusammen: Es warten viele Herausforderungen, aber auch viele Chancen auf die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften.

Die 9. Remicher Gespräche haben eine lebhafte, aber inhaltsreiche und höchst aktuelle Diskussion der Beschäftigten auf großregionaler Ebene gewährleistet. An den berechtigten Forderungen und Zielen muss weitergearbeitet werden.